Predigtgedanken zu Weihnachten
Denn ein Kind wurde uns geboren, ein Sohn wurde uns geschenkt. Die Herrschaft wurde auf seine Schulter gelegt. – Jesaja. Die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten. – Titus. Der Engel sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkünde große Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll. – Lukas. Alles gerade gehört – alle Jahre wieder …
Ich habe vor gut 14 Tagen Menschen gefragt: Was brauchst du, was suchst du zu Weihnachten? Hier ein paar Beispiele: Stimmung und Atmosphäre, ein wenig Magie, Heu und Strohduft, Sicherheit, gute Musik. Letzteres haben wir bereits geschafft – es ist eine Freude und Wohltat mit Euch und Ihnen allen hier. Die Instrumente, der Gesang – das tut gut …
Und ich war auch wirklich in Versuchung, Stroh in unserer Kirche zu verteilen – also viel Stroh … Bei allen anderen Dingen fällt es mir schwer. Schwer, eine Antwort zu finden auf die Frage nach Sicherheit. Schwer herauszufinden, wer von uns hier heute Abend wie angesprochen werden möchte … Meine Frage: Wohin soll ich Sie heute Abend mitnehmen? Was brauchen Sie, um später diesen Kirchenraum gestärkt zu verlassen?
Ich versuche es mit Licht und Engel. Wobei Licht für mich mit Frieden zusammenzufassen ist – also Engel und Frieden. Sie können bei der Krippendarstellung hinten in diesem Jahr viele Engel entdecken – gebastelt von Kindern und Pädagogen unserer Kita. Wir finden dort ebenso das Friedenslicht aus Betlehem. Zudem haben wir das Evangeliar eben von der Krippe geholt – wir werden später auch das Friedenslicht von dort nach vorne bringen und exemplarisch einen der Engel.
Frieden wünschen wir uns alle, ihn zu erreichen, stellt uns vor riesige Herausforderungen. Engel sind in der Tat magisch, immer vertrauensvoll, liebevoll und glaubwürdig. Wann war ich das letzte Mal ein Engel für andere? Wann hatte ich das letzte Mal das Gefühl, dass mir ein Engel geschickt wurde?
Seien wir ehrlich: Diese Welt ist nicht gut – wenn wir später diese Kirche verlassen, begegnen wir irgendwann wieder der Realität. Einer Realität, die hier und jetzt nicht abgebildet ist. Das ist auch völlig normal – normal ist aber nicht, sich damit abzufinden. Wo bin ich Licht, Frieden – wo bin ich Engel für andere?
Was hilft mir, den dunklen Mächten zu begegnen und sie nicht siegen zu lassen? Was hilft mir, die Stimme zu erheben, wenn Menschen wieder in Klassen und Rassen eingeteilt werden? Was hilft mir, nicht zuzusehen, wie Menschen nur nach dem beurteilt werden, was sie scheinbar geleistet haben? Was hilft mir, der politischen Mitte deutlich zu erklären, dass sich Kirche sehr wohl einmischen muss, damit die soziale Gerechtigkeit in diesem Land nicht verloren geht und damit die Nazis nicht zurückkehren? Was hilft mir, den Menschen nach Missbrauch und Sumpf im eigenen Laden, also in unserer Kirche, trotz alledem die Gedanken von Frieden und Engel mitzugeben?
Wir alle sind heute Abend hier, weil wir den Glauben an dieses Kind im Stall entweder noch nicht verloren haben oder auf der Suche sind, was uns die Menschwerdung Gottes sagen möchte. Noch einmal: Engel und Frieden. Das ist nicht nur eine Frage des Glaubens oder des Glaubenwollens, sondern die Beantwortung der Frage: Machst du mit?
Dieses Kind im Stall stellt die Weltordnung in Frage: damals wie heute. Machst du mit? Dieses Kind im Stall wird sehr unbequeme Fragen stellen: damals wie heute. Machst du mit? Dieses Kind im Stall wird dafür sterben: damals wie heute. Machst du mit? Dieses Kind im Stall bleibt nicht im Tod, so möchte ich glauben. Machst du mit? Dieses Kind im Stall ist unser Friedensangebot. Machst du mit? Dieses Kind im Stall schickt uns täglich Engel und manchmal auch mich, wenn ich es zulasse. Machst du mit? Dieses Kind im Stall möchte mein Leben verändern: damals wie heute. Machst du mit? Dieses Kind im Stall möchte, so glaube ich, dass wir nicht allein unterwegs sind, sondern uns gemeinsam für das menschliche Einsetzen.
Das hat Folgen: Erzählen wir uns zu Weihnachten von unseren Engels- und Friedenserfahrungen! Sie halten mich für verrückt – hey, ich hätte auch ganz viel Stroh mitbringen können … Im Ernst: Bestärken wir uns miteinander von der Kraft, die durch Gott heute ausgehen möchte: im Gesang, im Gebet, im Empfinden darüber, ob und wie ich mitmachen möchte. Frieden und Engel möchten uns begegnen in dieser Heiligen Nacht! Lassen wir die Gegenwart Gottes in uns zu!
Dirk Schnieber