Kreuzweg

Impulse

Worte können heilen. Und zum Nachdenken bringen. Worte können Mut machen. Und neue Wege aufzeigen. Worte bringen Gefühle zum Ausdruck. Und Sorgen. Und Nöte. Glück und Unglück zeigen sich in ihnen ebenso wie Glauben und Hoffnung. Und natürlich Zuneigung und Liebe. Besonders schön ist es, wenn einem jemand solche Worte sagt. Wenn wir sie persönlich hören. Wenn wir spüren: Der meint mich!

Sie finden auf dieser Seite Gedanken, Erlebnisse, Deutungen, Diskussionsbeiträge, die uns im Pastoralen Team eingefallen sind. Oder die wir anderswo gefunden haben. Und die wir mit Ihnen teilen. Seit Beginn der Corona-Pandemie hat sich das bewährt, vielen Mut gemacht und Lust auf mehr. Das freut uns natürlich sehr. Und deshalb machen wir einfach weiter!

Essays, Geschichten & Gedanken

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Franziskus
geh und bau
die Kirche wieder auf
denn sie zerfällt

Die Stimme
die du hörtest
mitten in der Einsamkeit
unruhig ließ sie dich zurück

Und schnell warst du dabei
die Trümmer wegzuräumen
und alte Wände
weiß zu übertünchen

Nicht lange aber
und dir wurde klar
das war es nicht
was diese Stimme meinte

Lässt die
Trümmer
einfach liegen
die Frage fest im Blick

Wie kann es gehen
dass Neues kommt
und Wege
möglich werden

Wege hin zum Ursprung
Wege hin zu Jesus
der arm war unter Armen
damit sie leben können

Denn das war sein Weg
Der deine wurde es
Werden auch wir ihn finden
diesen Weg?

Alexander Bergel
30. September
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Der Engel des Herrn
umschirmt alle,
die ihn fürchten und ehren,
und er befreit sie.
Psalm 34,8

So ein
Engel
wäre schön

Einer so
wie Michael
der das Böse
schon von weitem sieht
und für mich
kämpft
wenn‘s hart auf hart
kommt

So ein
Engel
wäre schön

Einer so
wie Gabriel
der frohe Kunde
bringt
unerwartet
einfach so
und mich dann fragt
wie ich das seh

So ein
Engel
wäre schön

Einer so
wie Raphael
der nicht nur redet
sondern anpackt
Heilung schenkt
und meine Wege teilt
sie mir vielleicht
auch weist

Schön wär all das schon
Doch wer glaubt
heute noch an

Engel?

Alexander Bergel
29. September
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Putin will die orthodoxe Welt unter der Vorherrschaft Moskaus zusammenhalten, sagt der Kulturwissenschaftler Gerhard Schweizer. Die große Nähe der Kirche zum Staat finde sich auch in anderen orthodox geprägten Ländern wie Griechenland.

Die Reportage im Deutschlandfunk Kultur vom 24. September können Sie hier hören.
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Techno-Rave in der Kirche: Tanzen ohne Türsteher. Venusfiguren und Stonehenge: Wieviel das Neuheidentum mit Archäologie zu tun hat. Trauer und Leichtigkeit: Was Lichtatmung alles freilegen kann. Suche nach Spiritualität: Zwischen echtem Bedürfnis und falschen Gurus.

Eine Sendung der Reihe Religionen im Deutschlandfunk Kultur vom 10. September widmet sich der Suche nach Spiritualität. Hier können Sie sie hören.
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Wo zwei oder drei
in meinem Namen
versammelt sind
da bin ich
mitten
unter ihnen

Manchmal
denke ich
viel fehlt nicht
mehr
und diese Quote ist
erreicht

So viele
gehen
nehmen sich
und ihren Glauben mit
auch ihre Hoffnung
und ihre Leidenschaft

Und die
die bleiben?
Was bleibt mit ihnen?
Glauben
Hoffnung
Leidenschaft!

Jesus sprach
von zweien oder dreien
Gewohnt sind wir
ganz andre Zahlen
Doch diese Zeiten
sind vorbei

Nicht vorbei hingegen
ist mein Glaube
an den Gottessohn
dessen Botschaft
meine kleine und die große Welt
verändern kann

Deshalb
werde ich
auch mit zweien
oder dreien
nicht aufhören
und weitermachen

Am liebsten
mit Dir

Alexander Bergel
6. September
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Als rosarotes Zauberpferd hat das Plüschtier die Kinderzimmer erobert, als Unicorn ist es an den Finanzplätzen der Welt ein Thema und Apotheken tragen es in ihrem Namen – das Einhorn.

Aber wie ist es in die Luther-Bibel gekommen oder in die Arche Noah? Und was haben Maria, die Gottesmutter, und der Erzengel Gabriel damit zu tun, die sich in einem Garten begegnen?

Die Gedanken von Bernward Kalbhenn vom 27. August finden Sie hier.
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Kommunikation ist dann erfolgreich, wenn sie ein Ziel hat und dieses Ziel auch erreicht. Oft genug ist die Kommunikation allerdings gestört – zurzeit zum Beispiel zwischen vielen Gläubigen hierzulande und der katholischen Kirche. Oder zwischen dem Vatikan und zahlreichen deutschen Bischöfen.

Missverständnisse, zeigt dieser Essay, gab es von Anfang an in der Kommunikation des Evangeliums. Was die frühen Christen lehrten, war schon etwas anderes als das, was Jesus mit seiner Frohen Botschaft gemeint hatte. Kann die Kommunikationspsychologie helfen, die Kirche besser zu verstehen?

Die Gedanken von Anne Beelte-Altwig vom 6. August finden Sie hier.
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Ein afrikanischer Künstler verhüllt ein altes Kaufhaus in Osnabrück mit Jutesäcken und alter Kleidung. Anlass ist das Gedenken an 375 Jahre Westfälischer Frieden. Das Kunstwerk sorgt für kontroverse Diskussionen. Auch Domkapitular Theo Paul hat eine Meinung dazu.

Seine Gedanken vom 14. Juli finden Sie hier.
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Ob du willst
oder nicht
ist meist
nicht die
Frage

Du spürst es
in dir
spürst ein
Drängen eine
Unruhe eine
Kraft

Und dann
stehst du auf
und sagst es
so laut dass es
alle hören
und anfangen
was zu ändern

Oft ändert aber
auch keiner was
so dass
du immer weiter
stören musst
und das nicht
nur nach
Feierabend

Alexander Bergel
23. Juni
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Alle Wege
führen nach
Rom

Aber leider
führen auch
manche Wege
weg von dort

Einheit
ist keine
Einbahnstraße

Alexander Bergel
16. Juni
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Statements, Interviews & Diskussionen

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»Morgen geht das Bischofkonferenz-Ritual wieder los«, schreibt Christiane Florin. »Man ist in Sachen Aufarbeitung ‚auf einem guten Weg‘, jetzt sind mal andere Institutionen dran, demnächst kann vielleicht der Schwimmverband einen Kardinal fürs Missbrauchs-Beackerungs-Coaching buchen. Viele Gläubige sind immer noch so naiv und suchen nach dem guten Bischof. Die Causa Hengsbach zeigt, was die Beteuerungen der DBK und des Vatikans seit 2010 wert sind.«

Christiane Florins Kommentar vom 24. September in Deutschlandfunk über ein 16jähriges Mädchen, Krippenbastelworkshops, Brüder und Kumpel können Sie hier hören.«
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Im Zuge der Missbrauchsvorwürfe gegen den Gründerbischof des Bistums Essen, Kardinal Franz Hengsbach, sagt der Jesuit Klaus Mertes im Deutschlandfunk: »Das Hengsbachdenkmal muss weg und der Personenkult gleich mit.«

Das Interview vom 22. September können Sie hier hören.
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In Deutschland gebe es »keine Theologen von dem beeindruckenden Niveau der Vergangenheit«, beklagte Víctor Manuel Fernández, der neue Leiter der Glaubenskongregation.

Thomas Schüller, Kirchenrechtler in Münster, widerspricht im Interview mit Kirche-und-Leben.de. Seine Gedanken vom 12. September finden Sie hier.
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Anknüpfend an Äußerungen von Weihbischof Ludger Schepers als Queer-Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz weist Martin Stewen darauf hin, dass die LGBTQI*-Community kein »Gegenüber« zur Kirche ist – denn viele ihrer Mitglieder sind zugleich Teil der Kirche.

Seine Gedanken vom 24. August können Sie hier lesen.
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Im Gespräch mit Andreas Main geht der Psychologe und Theologe Frank-Gerald Pajonk einer viel empfundenen Erfahrung nach.

Das Interview vom 2. August können Sie hier hören.
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Die katholische Kirche verzeichnet bundesweit und in Niedersachsen ein Rekordhoch an Austritten. Missbrauchsskandale und fehlende Reformbereitschaft machen die Kirche für viele zunehmend unattraktiv. In seinem Kommentat vom 29. Juni zeigt Florian Breitmeier Wege auf, die die Kirche aus seiner Sicht zu gehen habe.

Mehr dazu lesen Sie hier.
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Wer darf die Eucharistie empfangen? Solange eine volle Kirchengemeinschaft noch nicht erreicht sei, brauche es Gelegenheiten der gegenseitigen Gastfreundschaft: Das Bistum Osnabrück hat dazu nun eine offizielle Handreichung veröffentlicht.

Mehr dazu erfahren Sie hier.
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Regina Laudage-Kleeberg kündigte 2022 beim Bistum Essen. Kirchenmitglied ist sie noch, bezeichnet sich als »obdachlos katholisch«. Sie beschreibt in ihrem Buch, warum sie sich von der Institution entfernt hat und wie sie ihren Glauben bewahrt.

Christiane Florin hat mit Frau Laudage-Kleeberg am 18. Mai im Deutschlandfunk ein Interview geführt. Hier können Sie es hören.
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Das Netzwerk Diakonat der Frau organisiert seit 1999 Kurse für Frauen, die sich zur Diakonin berufen fühlen. Auch wenn es diesen Beruf in der Kirche bislang nicht gibt. Andrea Tüllinghoff ist eine von ihnen. Sie lebt und engagiert sich in unserer Pfarrei.

Den Artikel vom 29. April finden Sie hier.
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Er übersetzte Psalmen und schrieb Kirchenlieder, die heute noch gerne gesungen werden. Der Theologe und Musikwissenschaftler Meinrad Walter ist überzeugt, dass die Lieder von Huub Oosterhuis noch lange überdauern werden – weil sie jeden Zeitgeist übersteigen.

Das Interview vom 14. April finden Sie hier.
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Predigten

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Predigt am 26. Sonntag im Jahreskreis
zu Phil 2,1-11 und Mt 21,28-32

Er hat es vorgemacht. Dreißig Jahre lang. Er hat vorgemacht, wie das gehen kann: Mensch zu sein. Mit Haut und Haaren. Mit Lust und Leidenschaft. Wütend und zärtlich. Voller Sehnsucht und Angst. Von Anfang an hat er aber auch zu spüren bekommen, wie hart das ist, Mensch zu sein. Und am Ende – am Ende ist er gestorben. Weil die Mächtigen es wollten und seine Freunde es nicht verhindern konnten. Ja, so war es – das Leben eines Menschen. Das Leben des Jesus von Nazareth. Wegen dieses Menschen sind wir hier. Seit 2000 Jahren kommen sie von überall her: Menschen wie wir. Menschen, die fasziniert sind von dem, was Jesus getan und gelehrt hat. Menschen, die in seine Fußstapfen getreten sind, um die Welt zu verändern. Und die meist eine Frage umtreibt: Wer ist dieser Mensch? Manche gehen so weit, in ihm eine Spur Gottes zu entdecken. Ja, nicht nur eine Spur – sondern Gott selbst.

Es ist alles lange her. Und doch – und doch sind wir hier. Weil wir von Jesus hören wollen. Weil wir ihm begegnen möchten. Ihm, der auch heute noch etwas zu sagen hat. Ihm, der mit uns rechnet. Und der sich die Kirche nicht ausgedacht hat, um einen Verein ins Leben zu rufen, der alte Riten folkloristisch am Leben hält oder moralisch die Welt bewertet. Nein – Jesus ging es um Gott. Diesen Gott, den er seinen Vater nannte, wollte er den Menschen nahebringen.

Und alle, die ihm folgen, müssen es ihm nachtun. „Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht“, bringt es dann auch Paulus auf den Punkt. Und das geht genau wie? Das geht nur, wenn ich den Weg Jesu nachgehe. Und zwar wirklich, nicht aus der Komfortzone heraus. Dieser Weg hat eine klare Richtung: Er geht von oben nach unten. Mitten hinein in den Dreck. „Jesus hielt nicht daran fest, Gott gleich zu sein“, heißt es in diesem uralten Hymnus, den Paulus in der Urgemeinde vorgefunden hat. „Er entäußerte sich. Wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich.“ Jesus kam also nicht von oben ins Blickfeld der Menschen. Sondern von unten. Und noch etwas: Er machte das auch nicht eben nebenbei, lustlos oder weil es ja einer tun musste. Nein – er ging aufs Ganze. Weil er es wollte. Weil er spürte: Ich muss es tun! Nur so – ganz offensichtlich nur so – konnte Gottes Kraft am Ende alle Mächte des Bösen überwinden. Selbst den Tod.

Von den vielen Geschichten, die Jesus erzählt hat, weist die von den beiden Söhnen und dem Weinberg einmal mehr in eine ganz klare Richtung: Du kannst die Welt nur retten, wenn du es wirklich willst. Nicht wenn du gehst, weil man es erwartet. Nur wenn du es wirklich willst. Mit allem Ringen, allem Kämpfen, mit aller Unsicherheit, die das Leben bereithält. Also: Wenn Du in der Spur Jesu unterwegs sein willst, dann gehe einfach los. Ohne Netz und doppelten Boden. Leg den Finger in die Wunden. In deine Wunden, in die der Kirche und in die der Gesellschaft. Mach den Mund auf gegen Menschen verachtende Parolen. Setz dich ein, wenn Schwache verfolgt und ausgegrenzt werden. Sei mutig und kraftvoll. Nicht irgendwann. Sondern jetzt. Und wenn du scheiterst? Dann schau auf den, der auf ganzer Linie gescheitert ist. Damals vor 2000 Jahren. Und denke daran: Nach dem Scheitern kam Ostern. Und davon reden wir noch heute!

Alexander Bergel
30. September
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Predigt am 21. Sonntag im Jahreskreis
zu Jes 22,19-23 und Mt 16,13-20

Schlüsselfragen sind immer Schlüsselfragen. Denn daran entscheidet sich, wer reinkommt und wer nicht. Und vor allem: Wer es selbst bestimmen kann, ohne immer jemand anderen fragen zu müssen. In der Kirche ist das genauso wie in der Firma oder im Verein. Und wo es um Schlüsselfragen geht, sind Schlüsselfiguren meist nicht weit. Einer dieser Schlüsselfiguren sind wir eben begegnet: Simon Petrus. Auf diesen Felsen will Jesus seine Kirche bauen. Und die Schlüssel zum Himmelreich gibt’s obendrauf. Auch hier: Schlüsselfragen sind offensichtlich Schlüsselfragen.

Wie auch immer es damals anfing, wie auch immer Jesus das Fels-Sein und den Schlüsseldienst des Petrus verstanden haben mag – was daraus auch geworden ist, können wir in der Kuppel der Peterskirche in Rom sehen. In riesigen Buchstaben steht das Jesus-Wort dort zu lesen. Es ist der in Stein gehauene Machtanspruch der Päpste, die sich von jeher auf diesen Auftrag Jesu berufen. Doch auch wenn man Petrus ehrlicherweise nicht als den ersten Papst bezeichnen kann, hat sich das Papsttum historisch doch von ihm her entwickelt. Und nicht nur das.

Keine vier Jahrhunderte dauerte es, da war die Kirche zur Staatskirche geworden und ihre Amtsträger zu Beamten. Wie schnell wurde Politik gemacht. Wie oft wurden plötzlich Dinge entschieden, von denen man sich schon fragen kann: Was haben die eigentlich mit dem Evangelium zu tun? Wie oft wurden – und werden auch heute noch – Menschen ausgeschlossen: Menschen, die mit ihren Fragen quer kommen. Menschen, die bestimmten moralischen Ansprüchen nicht genügen. Das Schloss ist zu, der Schlüssel in mächtigen Händen. Ob das so gemeint war? Dieser Frage muss man sich stellen.

Vielleicht muss man dazu aber auch nicht nur nach Rom schauen. Wie sieht’s denn hier bei uns aus? Benutzen wir unsere Schlüssel immer dazu, Türen zu öffnen? Spüren Menschen, die uns begegnen, dass unser Gott einer ist, der befreit – und keiner, der einengt? Gelingt es uns, den Schlüssel zum Herzen von Menschen zu finden, die in sich verschlossen oder verbittert oder verletzt oder von dieser Kirche maßlos enttäuscht sind? Schaffen wir es, andere neugierig zu machen auf die Botschaft Jesu – vielleicht gar nicht so sehr durch große Worte, sondern einfach dadurch, dass wir da sind? Und noch eine Frage: Können wir es haben, Menschen neben uns groß werden zu sehen?

Jesaja, der Prophet, berichtet von einem Gottesdiener, der Menschen klein gehalten und nur an sich und seinen Machterhalt gedacht hat. Solchen Leuten wird der Schlüssel am Ende wieder weggenommen. Alle, die ihre Schlüssel benutzen, um zu verschließen und nicht, um Herzen zu öffnen, stehen dem Plan Gottes im Weg. Vielleicht hat Jesus dem Petrus genau deshalb diesen ganz besonderen Schlüssel anvertraut. Weil er wusste: Dieser Mann hat das Herz am rechten Fleck. Er kämpft. Und leidet. Und hofft. Und liebt. Offene Türen, offene Hände und offene Herzen. Darauf kommt es an. Ob uns das gelingt, ist am Ende wohl die entscheidende Schlüsselfrage.

Alexander Bergel
27. August
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Predigt am Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel
zu Lk 1,39-56

„… denn der Mächtige hat Großes an mir getan.“ Leichtfertig sagt sie das wohl nicht. Immerhin liegt ein beschwerlicher Weg hinter ihr. Nicht nur der übers Gebirge. Und was noch kommt? Keiner weiß es. Doch trotz alledem stimmt Maria ihr Lied an. Ein Lied, das den Sturz der Mächtigen besingt. Ein Lied, das davon träumt: Einmal muss es doch geschehen! Einmal muss sich doch zeigen, dass den Mächten des Todes die Puste ausgeht und die Potentaten, die Unterdrücker, die Angsteinflößer, die Todbringer, die Vergewaltiger, die Sklavenhalter ausgespielt haben! Einmal, ja einmal muss es doch geschehen!

Marias Lied ist ein Lied der Hoffnung. Der Ermutigung. Und der Auflehnung gegen die herrschenden Verhältnisse. Aber es ist kein Lied der Vertröstung. Kein Lied, das sagt: „Irgendwann, ja, da wird es geschehen. Du musst halt nur lang genug warten.“ Nein, so verstanden wären wir ganz schnell bei den Religionskritikern vergangener Zeiten und auch der Gegenwart angelangt, die im Glauben vor allem Opium fürs Volk und Vertröstung aufs Jenseits erkennen. Das aber will und darf der Glaube niemals sein. Trost schon, Vertröstung nein.

Maria singt ja auch nicht: „Der Mächtige wird Großes an mir tun!“, sondern: „Er hat Großes an mir getan!“ Maria blickt zurück auf ihr Leben. Was hatte sie schon alles erlebt? Leicht war das nicht. Einfache Verhältnisse. Römische Besatzung. Ein brodelnder politischer Kessel. Und dann dieses Kind! Wie soll sie das bloß erklären? Doch: „Der Mächtige hat Großes an mir getan!“ Wer die Welt mit den Augen dieser Maria betrachtet, der sieht zuerst das Heil. Und erst dann all das, was diesem Heil im Wege steht. Ob uns das auch gelingt?

Wenn Sie in Ihr Leben blicken, wenn Sie auf Ihre Beziehungen, auf  ihre Arbeit schauen, auf das, was Sie gerne tun, auf das, wo andere meinen, Sie hätten da ein richtiges Talent – würden Sie da nicht auch sagen können: „Der Mächtige hat Großes an mir getan“? Wer so über sich denkt, der sieht sich vor allem als ein Beschenkter, als eine Beschenkte. Wer so über sich denkt, der wird aber auch im anderen zuerst das Gute sehen. Und der wird sich erheben und dafür eintreten, dass Gottes Traum von dieser Welt kein frommer Wunsch bleibt, sondern immer mehr Wirklichkeit wird. Der Blick auf Maria lässt uns erahnen, welche Kraft der Glaube an einen Gott schenkt, der spürbar wird in allem, was sich ereignet. Und der diese Welt zu einem besseren Ort machen will – auch durch mich.

Wenn wir heute auf das Leben der Mutter Jesu blicken, tun wir es vom Anfang und vom Ende her. Maria hat über den Tod hinaus zu spüren bekommen, wie machtvoll Gott an ihr gehandelt hat. Und nicht nur an ihr. Das ganze Leben mit allem, was dazu gehört: alles Kämpfen und Ringen, alles Suchen und Fragen, alle Momente der Leere und der tiefen Erfüllung, alle Wunden und Narben, alle Hoffnung und jeder Augenblick geschenkter Liebe – kurz: der ganze Mensch mit Leib und Seele, er geht auch im Tod nicht verloren, sondern hat eine Zukunft. Ein für alle Mal. Und das Schöne daran ist: Diese Zukunft beginnt nicht irgendwann. Nein, sie hat schon längst angefangen. Erinnern Sie sich?

Alexander Bergel
20. August
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Predigt am 19. Sonntag im Jahreskreis
zu 1 Kön 19,9-13 und Mt 14,22-33

„Ob dich die Wellen wie Hände tragen? Ich weiß es nicht. Das Wagnis des Petrus, du musst es selber wagen.“ Ein Gedicht. Kein sehr langes. Aber doch eines mit Tiefgang. Nur leider ohne alltagspraktische Antwort. Aber hätten wir die nicht gerne? Dann, wenn mir das Wasser bis zum Hals steht, wenn die Wellen hochschlagen und ich nicht weiß, wie ich mein Leben retten soll – wie oft haben Menschen in solchen Momenten wohl schon gerufen: Gott, wo bist du?

Mit dieser Frage verbunden ist eine schmerzhafte Erfahrung: Er, den manche den „Allmächtigen“ nennen, greift nicht ein, schiebt nicht die Wolken beiseite, vertreibt nicht den Hunger, vereitelt nicht die Pläne der Potentaten. Dabei berichtet die Bibel doch immer wieder genau davon: Ein ganzes Volk zieht aus der Knechtschaft Ägyptens in die Freiheit. Mächtige werden vom Thron gestürzt, und die Schwachen können wieder aufatmen. Ja, es gibt sie, diese Erfahrungen. Aber wir hören auch vom Propheten Elija. Und der erlebt etwas ganz anderes.

Elija kennt sich aus und hat einen guten Draht nach oben. Meint er jedenfalls. Er kämpft für seinen Gott. Auch mit Feuer und Schwert. Irgendwann ist er jedoch an einem Punkt, an dem viele Kämpferinnen und Kämpfer stranden: Er kann nicht mehr. So sitzt Elija in der glühenden Sonne unter einem Ginsterstrauch und wünscht sich den Tod. Er spürt nichts mehr. Sich nicht. Und Gott schon gar nicht. Bis ein Engel kommt. Der reicht ihm Brot und Wasser. Und schenkt ihm so eine neue Lebensperspektive. „Mach dich auf den Weg, Elija, geh weiter!“ Zweimal hört er das. Und dann geht er los. Geht und geht. Vierzig Tage. Bis zum Gottesberg Horeb.

Dort angekommen, meint Elija, Gott müsse sich nach dieser langen Mühsal und an diesem besonderen Ort doch endlich wieder zeigen. So wie früher. Aber es kommt anders. „Ein starker, heftiger Sturm, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, ging dem Herrn voraus. Doch der Herr war nicht im Sturm. Nach dem Sturm kam ein Erdbeben. Doch der Herr war nicht im Erdbeben. Nach dem Beben kam ein Feuer. Doch der Herr war nicht im Feuer. Nach dem Feuer kam ein sanftes, leises Säuseln.“ Ein Säuseln – fast nicht zu hören und vor allem überhaupt nicht erwartet: Darin zeigt sich der Herr. Elija hatte mit allem gerechnet. Damit nicht. Aber genau diese Begegnung, diese Erfahrung hat ihn verändert. Und nicht nur ihn.

Immer wieder berichtet die Bibel von solchen Erlebnissen. Menschen machen sich Bilder von Gott. Das müssen sie auch, anders geht es gar nicht. Doch diese Bilder können immer nur Versuche sein. Versuche, die eigene Ahnung von diesem Gott zu beschreiben. Wer zu schnell das Bild des allmächtigen Gottes zeichnet, der dreischlägt, der all das kann, was mir selbst nicht gelingt, möchte vielleicht vor allem der eigenen Ohnmacht entfliehen. So wie Petrus.

Er war ein Mann der lauten Worte und der schnellen Tat. „Das wäre doch gelacht! Wenn Jesus übers Wasser gehen kann, schaffe ich das auch!“ Immerhin: Mutig war er. Doch dann wird der Gegenwind zu stark, die Wellen schlagen zu hoch, und Petrus geht unter. „Herr, rette mich!“, schreit er noch. Und dann erfährt er sie, die ersehnte Rettung. Also doch der allmächtige Gott, diesmal in Menschengestalt? Ich bin mir nicht sicher. „Ob dich die Wellen wie Hände tragen? Ich weiß es nicht. Das Wagnis des Petrus, du musst es selber wagen.“

Wer als Glaubender, wer als Glaubende durch dieses Leben geht, kann sich seiner Sache niemals allzu sicher sein. Denn Gott ist eigentlich immer anders als gedacht. Siehe Elija. Und auch wenn Menschen davon berichten, diesem Gott ganz nahe gekommen zu sein – zum Glück gibt es ja diese Erfahrung –, muss ich meine Schritte schon selber wagen. Siehe Petrus.

Und nun? Sind wir so schlau wie zuvor. Vielleicht. Aber vielleicht auch ein bisschen mehr. Zweierlei lese ich in diesen uralten biblischen Geschichten: Wenn du dich allzu sehr mit einem Gottesbild angefreundet hast, lass es los. Und rechne damit, dass Gott dir anders begegnet als du es erwartest. Wenn der „zahnwehhafte Schmerz, dass Gott fehlt“, wie Martin Walser es einmal gesagt hat, so übermäßig stark geworden ist, dass du immer nur um diesen Schmerz kreist, entlasse Gott aus der Verantwortung für alles und jeden und trau dir selbst wieder mehr zu. Vielleicht wirst du ihm dann ganz neu begegnen. Bei Petrus war es jedenfalls so. Und bei Elija auch.

Natürlich: All das ist nur die halbe Wahrheit und auch keine Garantie für ein zufriedenes Glaubensleben. Aber vielleicht macht es Mut. Mut, den Glauben nicht in das Gefängnis dessen einzusperren, was man bereits erlebt hat, sondern den Glaubensweg jeden Tag neu zu beginnen. „Ob dich die Wellen wie Hände tragen? Ich weiß es nicht. Das Wagnis des Petrus, du musst es selber wagen.“

Alexander Bergel
13. August
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Predigt am Fest der Verklärung des Herrn
zu 2 Petr 1,16-19 und Mt 17,1-9

Es geht ums Überleben. Immer wieder. Auch heute. Und um die tiefe Sehnsucht nach Heil und ewigem Aufgehoben-Sein. Heute kleidet sich diese Sehnsucht in starke Bilder: Berg, Wolke, strahlendes Weiß, Gottes Stimme. Bilder sind es, die Sehnsucht und Erfahrung gleichermaßen benennen: die Erfahrungen dreier Menschen, die sich von Jesus in die Weite und in die Höhe haben führen lassen. Nach mühsamem Aufstieg also machen Petrus, Jakobus und Johannes eine tiefe Gotteserfahrung. Wie genau das ablief? Schwer zu sagen. Irgendwie klingt das, was wir da lesen, auch eher nach Märchen als nach Tatsachenbericht, oder? Doch nicht so schnell. Denn was sich so fantastisch anhört, ist nicht als nette Geschichte zur Vertröstung der religiös Naiven gedacht. Ganz im Gegenteil! Der Schreiber des zweiten Petrusbriefes sagt es ziemlich deutlich: „Wir sind nicht irgendwelchen klug ausgedachten Geschichten gefolgt, sondern wir waren Augenzeugen. Diese Stimme, die vom Himmel kam, haben wir gehört.“

Klare Ansage. Sie zeigt mir: Da haben sich Menschen also wirklich packen lassen. Nicht nur von einem unstillbaren Durst nach Leben – Gott selbst hat sie berührt, seine Nähe umgibt sie wie eine Wolke. So war das damals, auf dem Berg Tabor. Und so war es auch schon vorher. Deshalb kommen Mose und Elija ins Spiel, die beiden Großen des Alten Testaments. Auch sie haben ihre Gotteserfahrungen gemacht. Sie stehen für alle Menschen, die vor uns gelebt haben und auch diesen unstillbaren Lebensdurst hatten. Die drei Apostel, die Jesus mitnimmt – Petrus, Jakobus, Johannes –, sie sind uns wie aus dem Gesicht geschnitten. Sie haben erlebt, was das heißt: Jesus zu vertrauen. Wenn wir das auch tun, stehen die Chancen gut, dass auch unsere Sehnsucht nach Leben eine Antwort findet.

Was aber, wenn mir diese vollmundige Vertrauensbekundung im Halse stecken bleibt? Weil es nämlich diese vielen alltäglichen Tode gibt – bei mir und um mich herum. Weil es diese schwere Krankheit in meiner Familie gibt. Weil meine Beziehung zerbrochen ist. Weil mich diese Schulden fast umbringen. Oder die Schläge von dem, der sagt, er liebe mich. Weil ich einfach keinen Sinn mehr erkennen kann. Weil ich Angst vor der Zukunft habe. Weil sich Gott mir so selten zeigt. Oder gar nicht. Was ist dann?!

Die Jünger waren Gott ganz nahegekommen. Aber sie blieben nicht in der Ekstase sitzen. Nein, es ging zurück ins Tal, ins Tal der Tränen. Und auf diesem Weg stellen sie all die Fragen, die wir nur zu gut kennen. Sie fragen einander, was das denn nun heißt: von den Toten auferstehen. Diese Drei, die das Leben spüren durften, wie es wirklich ist – sie schweben nicht auf Wolke sieben. Nein, sie kehren als Fragende und Suchende zurück in den harten Alltag. Aber – etwas hatte sich verändert. Und damit sind wir wieder bei uns. Und bei der Frage, ob es bei uns auch so sein könnte. Und ob wir ihn auch erleben werden – diesen Perspektiv-Wechsel. Ein solcher war es nämlich.

Das erfahren wir nur, wenn wir es ausprobieren! Machen wir es wie Petrus, Jakobus und Johannes: Suchen wir nach diesem Gott. Auch wenn er weit weg ist. Und rechnen wir damit, dass er sich zeigt. Auch wenn es ziemlich sicher anders sein wird als erwartet. Und gehen wir dann mit seiner Kraft in unsere Täler hinab. Machen wir uns gegenseitig Mut! Erzählen wir einander von unseren Lebens-Erfahrungen. Von Schmerzen, die nachlassen. Von Hoffnungen, die uns geschenkt werden. Erzählen wir uns von unserem Lebens-Durst. Und davon, wie er jetzt schon gestillt wird. Dann könnte es sein und wir spüren am eigenen Leib, was wir heute feiern: „Verklärt ist alles Leid der Welt.“ Auch meins.

Alexander Bergel
6. August
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Predigt am 15. Sonntag im Jahreskreis
zu Jes 55,10-12 und Mt 13,1-9

Was ist das Wichtigste im Leben? Eine alte Frau wurde das gefragt. Sie musste nicht lange überlegen und gab zur Antwort: „Das Wichtigste im Leben ist mir das Hören! Sicher“, so meint die alte Dame weiter, „es gibt noch vieles mehr, was wichtig ist. Die Liebe, die steht natürlich ganz oben, die Familie, das Verbundensein mit anderen Menschen. Aber all das kann ja nur gelingen, wenn ich nicht immer nur rede, sondern wenn ich hören, wenn ich zuhören kann.

Seit einigen Monaten schon treffen sich alle 14 Tage im Johannes-Prassek-Haus ein, zwei Dutzend Männer und Frauen, evangelische und katholische, um gemeinsam den Bibelpodcast „Unter Pfarrerstöchtern“ zu hören. Wir hören, was die beiden Pfarrerstöchter, eine Journalistin und eine Theologieprofessorin, über die biblischen Geschichten denken. Und danach kommen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer miteinander ins Gespräch, erst in den kleinen Tischgruppen, dann in großer Runde.

Ich höre gerne zu. Ich höre, was die beiden Fachfrauen zu sagen haben, die mir immer wieder neue Sichtwesen schenken. Vor allem aber interessiert mich, was die Menschen um mich herum von den biblischen Geschichten mitnehmen. Welche Fragen diese Erzählungen aus einer fernen Zeit provozieren, welche Herausforderungen sie darstellen, welche Schlüsse man für heute ziehen kann und welche vielleicht auch nicht. Ich höre von den anderen und spüre auch an mir selbst: Diese uralten Worte bewirken etwas. Beim Propheten Jesaja klingt das dann so: Das „Wort, das meinen Mund verlässt […] kehrt nicht leer zu mir zurück, ohne zu bewirken, was ich will, und das zu erreichen, wozu ich es ausgesandt habe.“

Die Bibel ist sicher keine 1:1-Übersetzung der göttlichen Gedanken. Nur Fundamentalisten behaupten das noch. In der Bibel finden sich vielmehr wortgewordene Gotteserfahrungen. Alle großen Themen des Lebens kommen darin vor: Anfang und Ende, Geburt und Tod, Liebe und Hass, Frieden und Krieg, Vertrauen und Eifersucht, Treue und Verrat. Gesellschaften scheinen auf, die längst vergangen sind, deren Werte aber bis heute wirken – im positiven wie im negativen Sinn. Gottesbilder begegnen uns, die befreiend sind. Andere wiederum schüchtern ein. Und dann wieder wird davon berichtet, wie Menschen sich von solchen destruktiven Bildern befreien und endlich durchatmen konnten.

Die Bibel nimmt uns mit auf eine Reise. Alle Themen, die dort vorkommen, berühren das Leben jedes und jeder einzelnen. Manche Entwicklungen, die dort beschrieben werden, gelten nicht nur für ein Volk, sondern für die Entwicklung jedes Menschen. Deswegen finde ich es so wichtig, aufeinander zu hören, sich auszutauschen, zu fragen: „Wie ist das denn eigentlich bei dir?“

Manchmal fällt etwas von diesem Wort auf meinen Lebensweg, wird zertreten oder weggewischt. Manchmal ist seine Wirkung nur von kurzer Dauer, geht schnell auf, berührt mich aber nicht. Manchmal wird das Wort erstickt in den Dornen des Leids und der Perspektivlosigkeit, weil mir die Luft zum Atmen fehlt. Manchmal aber bin ich offen für das, was mein Leben verändern kann, ist der Boden in meinem Herzen bereitet – und es geschieht etwas, das mich wieder aufatmen lässt.

Was Jesus in seinem Gleichnis vom Wort Gottes beschreibt, all das passiert. Tag für Tag. Nicht immer kann ich es selbst beeinflussen. Eines aber kann ich tun. In all der Komplexität des Lebens, bei aller Beanspruchung, die der Alltag mir abverlangt, bei aller Überforderung auch, ich kann versuchen, wie die alte Dame immer mehr zu einem Hörenden zu werden. Vielleicht stehen dann die Chancen gar nicht schlecht, immer wieder auch mal Gottes Stimme zu entdecken.

Alexander Bergel
16. Juli
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Predigt am 14. Sonntag im Jahreskreis
zu Sach 9,9-10 und Mt 11,25-30

„Ausmerzen werde ich die Streitwagen aus Éfraim und die Rosse aus Jerusalem, ausgemerzt wird der Kriegsbogen. Der Herr wird den Nationen Frieden verkünden, und seine Herrschaft reicht von Meer zu Meer, vom Strom bis an die Enden der Erde.“ Es ist ein Kontrastprogramm, ein wirkliches Kontrastprogramm, das der Prophet Sacharja dem am Boden liegenden Jerusalem zuruft. Auch wie Jesus die Welt sieht, ist ein Kontrastprogramm. Denn am Ende rechnet er vor allem mit einem Publikum: „Ich preise dich“, so betet er zu seinem Vater, „weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast.“

Kein Starker, kein Mächtiger, das weiß Jesus ganz genau, hört auf seine Worte. Nur die Kleinen, die, die nichts mehr zu verlieren haben – die sind es, sie haben noch ein Ohr. Ein Ohr für diese verrückte Botschaft, die nichts anderes ist als ein Kontrastprogramm. Und damit ein Stachel. Ein Stachel – ganz sicher – in der großen Welt der Politik. Und ein Stachel in der kleinen Welt meines Lebens. Er ist präzise gesetzt, dieser Stachel. Und er tut weh. Zumindest dann, wenn wir ihn nicht betäuben mit den üblichen Beruhigungsmitteln: „Ach, das wird er schon alles nicht so wörtlich gemeint haben, das mit dem Vergeben und der anderen Wange und so!“ Oder: „Es ist halt ein Traum.“ Um es gleich zu sagen: Diese Beruhigungsmittel fegt Jesus vom Tisch, indem er klar macht: „Ja, es ist ein Traum. Und: Ja, ich habe das wörtlich und wirklich so gemeint!“ Tja, und nun? Wir könnten – zumindest für einen Augenblick – so tun, als würden wir diesem wörtlich gemeinten Traum Jesu folgen.

„Mensch“, so stelle ich mir vor, würde Jesus dann sagen, „Mensch, lass die Bedenken Bedenken sein. Dreh dich nicht nur um dich selbst. Blicke nach rechts und nach links. In die Welt, wie sie ist. Blicke aber auch nach oben und nach unten. Halte Ausschau nach dem, was Gott dir schenkt. Und nach dem, was schon da ist. Erwarte alles von Gott – denn der weiß, was du brauchst. Und dann – dann lebe meinen Traum von dieser Welt. Fang einfach an. Ohne Konzept. Ohne Netz mit doppeltem Boden. Ohne Reiserücktrittsversicherung. Ich weiß ja, dass eigentlich alles dagegen spricht: die Macht der selbstverliebten Männer, die grenzenlose Selbstüberschätzung der Despoten, das Beharrungsvermögen der Traditionalisten, die Bedenken der Erfahrenen, das Leid der Gequälten, die Trauer der Einsamen, die Wunden der Gefolterten, die ausgelachten Barmherzigen, die für naiv erklärten Weltverbesserer, die getöteten Friedenssucher, die sinnlose Zerstörungswut der Radikalen von Links und Rechts. Ja, eigentlich spricht alles dagegen. Da habt ihr Recht. Aber wollt ihr wirklich, dass meine Idee von dieser Welt zu Ende geht? Wollt ihr wirklich, dass die Kämpfer für Gerechtigkeit umsonst gestorben sind? Wollt ihr wirklich der Angst und der Ohnmacht das letzte Wort gönnen?“

Jesus war kein naiver Träumer. Jesus war Realist. Und genau deshalb blickte er weiter. Genau deshalb hat er sich nicht zufrieden gegeben mit der Welt, wie sie ist. Er hat uns vielmehr gezeigt, wie sie auch ist. Solange es die Welt gibt, begegnen uns die entmutigende, angstmachende, zähnefletschende Fratze des Bösen, die Großmacht der Überheblichkeit, das Meer der geweinten Tränen. Aber mittendrin – mittendrin lebt die Vision des Jesus von Nazareth. Die Bedenken, die kennt er. Alle. Und trotzdem – trotzdem wagt er eine Frage: Folgst du mir?

Alexander Bergel
9. Juli
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Predigt am 13. Sonntag im Jahreskreis
zu Mt 10,37-42

522.821. Das ist die Zahl der Woche. Zumindest in der katholischen Welt. 522.821 Menschen sind im vergangenen Jahr in Deutschland aus der Kirche ausgetreten. Die Führungsetagen der Bistümer reagieren routiniert. Einmal mehr wird von der tiefen Krise gesprochen, in der die Kirche stecke. Von schmerzhaften Einschnitten. Von tiefer Betroffenheit. Davon, dass man Vertrauen wiedergewinnen und Reformen voranbringen müsse.

Am Tag der Zahlenveröffentlichung rückt die Staatsanwaltschaft beim Erzbistum Köln an, um Dokumente zu sichten im Zusammenhang mit der Frage, ob Kardinal Woelki einen Meineid geleistet habe. Der wiederum erstattet Anzeige gegen Unbekannt, weil jemand die Razzia an die Presse durchgestochen habe. Sich zu fragen, ob das, was seit Jahren an Skandalträchtigem im gut eingerichteten katholischen Paralleluniversum Köln geschieht, nicht einer der Gründe für die weglaufenden Menschen sein könnte, ist dort offensichtlich schwer denkbar.

Ganz anders Jesus. Er hatte zweitausend Jahre zuvor ein Konzept entwickelt, um seine Botschaft unter die Leute zu bringen. Und dieses Konzept heißt: Hingehen. Schauen, was ist. Zuhören. Und dann davon sprechen, dass es einen Gott gibt, der deinem Leben Sinn und Richtung geben kann. Eine Vergnügungsreise ist das nicht immer, denn auf diesem Weg begegnet dir auch das Kreuz. Und so höre ich schon die selbsternannten Märtyrer, die sich von den Medien und der Öffentlichkeit ans Kreuz geschlagen sehen im Kampf der bösen Welt gegen die heilige Kirche.

Mit dem Wort Jesu „Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht wert“ ist aber wohl etwas anderes gemeint. Kein Beleidigtes-Leberwurst-Gehabe, sondern radikaler Realitätssinn. Jesus hat sich der Welt gestellt, ihren Abgründen, ihrer Angst, ihrem Horror, ihrem Tod. Ohne auszuweichen. Bis zum bitteren Ende. Wer in seiner Spur unterwegs ist, sollte das ebenso versuchen. Um es zu bestehen, das Leid. Um dagegen anzugehen. Und um eine Hoffnung in die Welt zu bringen, die von Ostern nicht nur spricht, sondern die Kraft der Auferstehung erfahrbar werden lässt.

Mit anderen Worten: Wir müssen neu lernen umzusetzen, womit Jesus seine Jüngerinnen und Jünger damals beauftragt hat: „Lasst die Menschen spüren: Auch wenn du am Ende bist, auch wenn dir Hören und Sehen vergangen ist, auch wenn dich das Leben sprachlos gemacht hat, auch wenn deine Schmerzen übergroß sind, die körperlichen genauso wie die seelischen – auch wenn das alles so ist: Hör nicht auf zu vertrauen! Vertraue, dass da ein Gott ist, der dich sieht und sich um dich sorgt!“

Man wird auch uns daran messen, ob solchen Worten Taten folgen. Ob wir Begegnungen ermöglichen, die Menschen sagen lassen: Hier darf ich sein. Hier kann ich glauben. Hier kann ich leben. Und frei atmen. Ich glaube, so hatte sich Jesus das mal gedacht.

Alexander Bergel
2. Juli
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Predigt am 12. Sonntag im Jahreskreis
zu Jer 20,10-13 und Mt 10,26-33

Propheten, das ist nicht neu, Propheten müssen mit Widerstand rechnen. Weil es selten bequem ist, was sie sagen. Weil sie den Finger in die Wunde legen. Weil sie Unehrlichkeit nicht ertragen. Und Ignoranz. Und schon gar nicht eine Haltung, die sich selbst zum Mittelpunkt des Universums macht. Weil sie genau dagegen immer wieder angehen, werden Propheten lächerlich gemacht, für verrückt erklärt und bekämpft. Auch Jeremia bekommt das zu spüren: „Ich hörte die Verleumdung der Vielen: Zeigt ihn an! Meine nächsten Bekannten warten alle darauf, dass ich stürze.“ Es musste ihm klar gewesen sein, dass viele so reagieren würden. Und dennoch: Jeremia geht seinen Weg weiter. Denn er spürt: Das ist nicht einfach nur eine fixe Idee. Nein, er kritisiert und hinterfragt eine Gesellschaft, die ihre Mitte verloren hat. Er bekämpft religiöse und politische Machthaber, die vergessen haben, dass es nicht um Selbsterhalt gehen muss, sondern um das Wohl eines ganzen Volkes.

Wenn der Mann aus Nazareth viele Jahrhunderte später einen ähnlichen Weg einschlägt und am Ende dafür am Kreuz sterben muss, spüren wir einmal mehr, wie wenig sich die Dinge ändern lassen. Menschen neigen durch alle Zeiten hindurch ganz offensichtlich dazu, sich friedlich einzurichten. Und dabei nicht gestört werden zu wollen. Und – seien wir ehrlich – es ist ja auch nur allzu verständlich, oder? Wer wünscht sich denn auch nicht, friedlich bei einem lauen Lüftchen und einem guten Glas Wein auf der Terrasse zu sitzen und in den eigenen Garten zu schauen? Wer wünscht sich nicht, bei all den Belastungen, die das Leben für einen bereit hält, nicht ständig mit den großen Problemen der Welt konfrontiert zu sein? Wer würde nicht gerne die Augen schließen und einfach für sich und seine Familie in Ruhe und Frieden leben? Ich glaube, die meisten würden es am liebsten genauso machen. Doch wenn es wirklich alle so machen, dann kippt am Ende auch alles. Wirklich alles.

Jesus wusste das. Genauso wie die vielen Prophetinnen und Propheten vor ihm und danach. Deshalb hat sein aufrüttelnder, Mut machender Ruf auch heute nichts von seiner Aktualität verloren: „Fürchtet euch nicht!“ Fürchtet euch nicht, die eigene Komfortzone zu verlassen! Fürchtet euch nicht, Partei zu ergreifen für die Armen und Schwachen! Die übrigens gar nicht so weit weg wohnen, sondern vielleicht sogar auf der anderen Straßenseite. Fürchtet euch nicht, die selbstgemachte Katastrophe des Klimawandels anzuprangern und alternative Lebensformen zu entwickeln! Fürchtet euch nicht, für die Rechte von Arbeitnehmern einzutreten, die keine Lobby haben! Fürchtet euch nicht, weiter nachzufragen, woher unsere Lebensmittel und unsere Kleidung kommen und unter welch menschenunwürdigen Bedingungen sie teilweise hergestellt werden! Fürchtet euch nicht, Rassismus beim Namen zu nennen und für die Rechte aller Menschen einzutreten! Egal woher sie kommen. Egal was sie fühlen. Egal wen sie lieben. Fürchtet euch nicht, Strukturen des Bösen zu erkennen und zu verändern! Fürchtet euch nicht, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern immer wieder einzufordern! Oder sie einfach zu leben. Fürchtet euch nicht, eurem Gewissen zu folgen! Fürchtet euch nicht, unbequem zu sein, wenn ihr ein Ziel erkannt habt, das über eure kleine Welt hinausweist! Fürchtet euch nicht!

Prophetin, Prophet sein – das ist kräftezehrend. Und oft frustrierend. Einfacher ist es, das zu tun, was alle machen. Das stimmt. Doch wo führt das hin? Weil es immer wieder diese Mahnerinnen und Mahner gegeben hat, konnten Dinge sich verändern. Selten schnell. Fast nie sofort. Manchmal auch nur in Teilen. Oder gar nicht. Und doch gab es immer wieder Menschen, die nicht aufgegeben haben. Menschen wie Jeremia und Elija, Debora und Rut, Maria von Magdala, Hildegard von Bingen und Teresa von Avila. Menschen wie Dietrich Bonhoeffer und Hannah Ahrend, Martin Luther King, Nelson Mandela, Eugen Drewermann und Greta Thunberg. Und noch viele andere. Sie hatten keine Angst. Und haben weitergemacht. Trotz allem. Wo wären wir ohne sie? Gute Frage. Noch wichtiger aber: Wer geht ihren Weg weiter?

Alexander Bergel
25. Juni
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Predigt am Dreifaltigkeitssonntag
zu Ex 34, 4b.5-6.8-9 und Joh 3,16-18

Der Gott, von dem Jesus gesprochen hat, ist kein Gott der Philosophen. Der Gott, den er verkündet hat, ist einer, der sich erfahren lässt. Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs schafft aus dem Nichts eine ganze Welt. Geleitet sein Volk durch Wüsten hin zu blühenden Gärten. Geht voran und hinterher. Dieser Gott spricht. Mal leise, mal laut, immer aber von Herz zu Herz. Seine Kraft ist mitten im Menschen. Und manchmal wird sie sogar handgreiflich, diese Kraft. Das beste Beispiel dafür ist Jesus selbst.

In ihm wird deutlich: Gottes Liebesgedanken haben ein Herz. Und ein Gesicht. Und Hand und Fuß. Gott schaut uns an. In einem Menschen. Meist von unten. Oder mit dem Arm auf unserer Schulter. Von oben herab blickt er nur vom Kreuz. Der Schmerz der ganzen Welt ist aufgehoben bei ihm. Doch nicht nur das.

Der Schmerz der ganzen Welt wird auch verwandelt. Denn er, der alles lebendig macht, kann doch seinen Menschensohn nicht im Tode lassen. Er kann doch niemanden, der den Lebensatem in sich trug, im Tode lassen! Keinen Menschensohn und keine Menschentochter. Gottes Geistkraft bläst den Gestank des Todes hinweg. Und wirbelt auch sonst alles kräftig durcheinander. Damit das Leben nicht vergeht.

Was wir heute feiern, ist, daran zu denken, was Menschen erlebt haben und erleben: Ich bin geschaffen und geliebt. Ich bin gesehen und erlöst. Ich bin getragen und gestärkt. Der Gott, der auf mich schaut, hat mich gewollt. Der Gott, der neben mir steht, geht mit mir durch Dick und Dünn. Der Gott, den ich in mir spüre, hält mich am Leben. Manche nennen dies Dreifaltigkeit. Geheimnisvoll – so wie das Leben selbst. Weil Menschen das erlebt haben, ist es zur Realität geworden. Keine, die sich beweisen ließe. Aber eine, mit der sich leben lässt.

Alexander Bergel
4. Juni
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Gebet, Musik & Poesie

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»Veni Sancte Spiritus!« Den kraftvollen Pfingsthymnus aus Notre-Dame de Paris
hören Sie hier.
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»Komm, Heiliger Geist, komm!« Dieses gesungenes Gebet zu Pfingsten
hören Sie hier.
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»Ich möchte mich mit dem Wasser erfrischen, das der Heilige Geist gibt. Ich möchte ausruhen in deinen Verheißungen, und ich sehne mich danach, bei dir satt zu werden.«

Die kubanische Sängerin Narjara Portal drückt in ihrem neuen Lied die Sehnsucht nach einer neuen Erfrischung durch den Heiligen Geist aus. Hier können Sie es sehen und hören. Weitere Infos finden Sie hier.
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Poetische Gedanken von Hildegard König in der Zeit vor dem Pfingstfest
finden Sie hier..
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»Weib, was weinest du?« Einer der berührendsten Gesänge zum Osterfest.

Es gäbe sicher nach wie vor so manches, was nicht nur Frauen in dieser Kirche zu beweinen hätten. Aber es gab und es gibt sie dennoch immer noch: die Verkünderinnen dieser einen unglaublichen Botschaft. Sollte deren Kraft, die schon einmal nicht nur Felsen vor Grabhöhlen in Bewegung brachte, nicht auch heute Steine wegzuräumen in der Lage sein?

Den Gesang aus den Osterdialogen von Heinrich Schütz können Sie hier hören.
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Ich konnte keinen Schlaf mehr finden.
Wenn ich wenigstens zum Grab gehen könnte.
Aber die Wachsoldaten.
Oder nach Golgotha, der Blutspur nach.
Oder zu Josef oder zu Nikodemus.
Irgendwohin.
Was tun mit dem ganzen langen Schabbat?

Ich saß so da und dachte nichts als: Er ist fort. Er ist tot.
Fort und tot.
So jung noch. Und schön.
Und jetzt beginnt dann die Verwesung.
Wenn ich doch mein letztes Fläschchen von dem Königsöl
über ihn hätte ausgießen können,
über sein Gesicht,
das so blutig war,
das eine Auge verletzt und verklebt,
nie mehr werde ich dieses Gesicht sehen.

So versunken in meine Trauerqual war ich,
dass es mir kein Trost war zu denken:
Er hat gesagt, drei Tage,
dann das Wiedersehen.

Nein, nein, das hatte er nicht wörtlich gemeint.
Drei Tage, wie lang war das für ihn?
Zähl nicht nach Tagen, Mirjam,
zähl wie ich in Äonen.
Und das Wiedersehen:
wo denn, wie denn?
Nein, das war alles kein Balken, an dem ich mich halten konnte.

Nach und nach wachten alle auf.
Veronika brachte uns das vorbereitete Schabbatmahl.
Man aß aus Höflichkeit ein paar Bissen.
Schimon schlief und war nicht zu wecken.
Jeschuas Mutter sagte: Jochanan,
bete alle Psalmen, die du im Gedächtnis hast.
So begann er von Anfang:
Selig der Mann, der nicht im Rat der Gottlosen wandelt…
Wenn er nicht mehr weiterwusste,
sprang einer von uns ein.
So beteten und beteten wir,
und der Tag nahm kein Ende,
und das Gebet war kein Trost.
Ein Tag aus Blei.

Wieso sprach niemand unter uns
von Wiedersehen und Wiederkommen?
Niemand von Zukunft?
Nicht vom morgigen Tag;
nicht davon, was nun weiter aus uns würde?

Die Zeit war mit dem Messer durchgeschnitten.
Konnte überhaupt noch Zeit sein?
Hat ER nicht alles mit sich genommen,
was uns zu gehören schien?
Auch das Licht war fort, es war gewittrig und dunkel.

Dieser Tag war schlimmer als der vorhergehende.
Da war Aufregung gewesen,
da geschah etwas,
Schlimmes und Entsetzliches,
aber es bewegte sich etwas.

Jetzt aber: wir saßen wie Schatten in der Unterwelt,
und als es draußen vollends dunkel wurde,
schliefen wir wieder ein.
Was sonst konnten wir tun?

Später dachte ich im Zurückerinnern:
so lebt man im Schattenreich,
wo die Sonne nie scheint.
Noch später dachte ich:
so lebt man ohne ihn.

Luise Rinser
Mirjam
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Wie konnte das gescheh’n?
Ich kann es nicht versteh’n!
Warum bist du jetzt fort?

Ich kann dich in mir hören,
es ist als wärest du noch hier.
Ich bin bei dir,

doch du bist nicht da.
Wo bist du hingegangen?
Und kommst du jemals wieder?

Wohin bist du gegangen?

Martin Holtgrewe
16. April
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Ein Sehnsuchtslied – hier können Sie es hören.
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15 Chöre (überwiegend aus der Region Osnabrück, die 2023 das 375. Jubiläum des Westfälischen Friedens feiert) setzen ein musikalisches Zeichen für den Frieden und singen gemeinsam Imagine von John Lennon.

In Zeiten, die leider weltweit von Krieg, Menschenrechtsverletzungen, Hass und Gewalt geprägt sind, eine immer wieder wichtige Botschaft und gerade für die anstehende Adventszeit eine Anregung, auch im Kleinen und bei uns selbst Frieden zu stiften.

Das Lied können Sie hier hören.
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Ich denk‘, ich schreib‘ euch besser schon beizeiten
Und sag‘ euch heute schon endgültig ab
Ihr braucht nicht lange Listen auszubreiten
Um zu sehen, dass ich auch zwei Söhne hab‘!

Ich lieb‘ die beiden, das will ich euch sagen
Mehr als mein Leben, als mein Augenlicht
Und die, die werden keine Waffen tragen!
Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht
Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht!

Ich habe sie die Achtung vor dem Leben
Vor jeder Kreatur als höchsten Wert
Ich habe sie Erbarmen und Vergeben
Und wo immer es ging, lieben gelehrt!

Nun werdet ihr sie nicht mit Hass verderben
Keine Ziele und keine Ehre, keine Pflicht
Sind’s wert, dafür zu töten und zu sterben
Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht
Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht!

Ganz sicher nicht für euch hat ihre Mutter
Sie unter Schmerzen auf die Welt gebracht
Nicht für euch und nicht als Kanonenfutter
Nicht für euch hab‘ ich manche Fiebernacht

Verzweifelt an dem kleinen Bett gestanden
Und kühlt‘ ein kleines glühendes Gesicht
Bis wir in der Erschöpfung Ruhe fanden
Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht
Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht!

Sie werden nicht in Reih‘ und Glied marschieren
Nicht durchhalten, nicht kämpfen bis zuletzt
Auf einem gottverlass’nen Feld erfrieren
Während ihr euch in weiche Kissen setzt!

Die Kinder schützen vor allen Gefahren
Ist doch meine verdammte Vaterpflicht
Und das heißt auch, sie vor euch zu bewahren!
Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht
Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht!
Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht!

Ich werde sie den Ungehorsam lehren
Den Widerstand und die Unbeugsamkeit
Gegen jeden Befehl aufzubegehren
Und nicht zu buckeln vor der Obrigkeit!

Ich werd‘ sie lehr’n, den eig’nen Weg zu gehen
Vor keinem Popanz, keinem Weltgericht
Vor keinem als sich selber g’radzustehen!
Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht
Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht!

Und eher werde ich mit ihnen fliehen
Als dass ihr sie zu euren Knechten macht
Eher mit ihnen in die Fremde ziehen
In Armut und wie Diebe in der Nacht!

Wir haben nur dies eine kurze Leben
Ich schwör’s und sag’s euch g’rade ins Gesicht:
Sie werden es für euren Wahn nicht geben!
Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht
Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht!

Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht
Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht!

Reinhard Mey

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Zum Video von Reinhard Mey and friends kommen Sie hier
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Schaukasten-Gedanken

… können für einen kurzen Augenblick ansprechen oder irritieren
oder einfach nur Freude bereiten.

Hier finden Sie die schönsten Exemplare, die vor unseren Kirchen hängen,
zum Anklicken.
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