Kreuzweg

Impulse

Worte können heilen. Und zum Nachdenken bringen. Worte können Mut machen. Und neue Wege aufzeigen. Worte bringen Gefühle zum Ausdruck. Und Sorgen. Und Nöte. Glück und Unglück zeigen sich in ihnen ebenso wie Glauben und Hoffnung. Und natürlich Zuneigung und Liebe. Besonders schön ist es, wenn einem jemand solche Worte sagt. Wenn wir sie persönlich hören. Wenn wir spüren: Der meint mich!

Sie finden auf dieser Seite Gedanken, Erlebnisse, Deutungen, Diskussionsbeiträge, die uns eingefallen sind. Oder die wir anderswo gefunden haben. Und die wir mit Ihnen teilen. In der Corona-Pandemie hat sich das bewährt, vielen Mut gemacht und Lust auf mehr. Das freut uns natürlich sehr. Und deshalb machen wir einfach weiter!

Essays, Geschichten & Gedanken

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Anlässlich der Synode in Rom geht Erich Garhammer der Frage nach der Reform der Kirche nach – und findet Anstöße bei Kardinal Martini und Wolfgang Beinert.

Seine Gedanken vom 17. Oktober können Sie hier lesen.
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Gedanken
nach der Vorstellung des Gutachtens der Universität
zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt
im Bistum Osnabrück
und der Pressekonferenz des Bistums

Zahlen
Wieder einmal
Täter und Menschen
deren Leben zerstört ist

Worte
Wieder einmal
Nüchtern und klar
Mit Bedacht gewählt

Wünsche
Wieder einmal
Und Versprechen
dass es besser wird

Auch die Lernkurve
taucht wieder auf
Auf einem guten Weg
sind wir alle

Sind wir das?
Keine Ausflüchte?
Keine Relativierungen?
Keine unsensiblen Fragen?

Alexander Bergel
9. Oktober

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Es gibt keinen Platz für Missbrauch,
es gibt keinen Platz für das
Vertuschen von Missbrauch.
Das Böse darf nicht versteckt werden:
Das Böse muss
ans Licht gebracht werden,
damit es bekannt wird.
Und der Täter soll gerichtet werden.

Papst Franziskus
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Er hatte
einen Traum
Ein Traumtänzer
jedoch war er nicht

Wohl deshalb
sprechen wir auch
heute noch
von ihm

Sein Traum
galt einer Kirche
die die Armen
nicht vergisst

Sein Traum
galt einer Kirche
die nur Gott
in ihre Mitte stellt

Sein Traum
galt einer Welt
in der jeder
eine Zukunft hat

Wage zu träumen
sagt uns heute
immer wieder
jener Mann aus Rom

der nicht
aus Zufall
diesen alten Namen
trägt

Wir würden doch
so gerne träumen
und dann auch
handeln

sagt sich wohl
so mancher Katholik
und merkt doch schnell
wie starr die Grenzen sind

Wenn das so weiter geht
spricht bald schon
niemand mehr
von dieser Kirche

Wär das so schlimm?
Schlimm wär
wenn keiner mehr
von Jesus spricht

Alexander Bergel
4. Oktober
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»Kirchenbauten und ihre Ausstattungen gehören nicht allein den kirchlichen Institutionen und Gemeinden. Als ererbte Räume sind sie Gemeingüter, sie gehören allen!«

Mittlerweile haben mehr als 20.000 Fachleute aus Architektur und Denkmalpflege, Theologie und Kunstgeschichte das »Kirchen-Manifest« unterschrieben, einen Weckruf zur Bewahrung des europäischen Kulturerbes. Und weil die immer kleiner werdenden christlichen Gemeinschaften allein ihren wertvollen Bestand an geschichtsträchtigen Gebäuden nicht erhalten können, bieten die Bauexperten Hilfe und ungewöhnliche Lösungen an.

Die Gedanken von Bernward Kalbhenn in der Sendung Glaubenssachen auf NDR-Kultur vom 22. September könnrn Sie hier lesen und hören.
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Feuerbestattungen liegen im Trend. Aber das war nicht immer so. Was sich in den letzten 150 Jahren wie verändert hat und warum die katholische Kirche seit den 1960er-Jahren ihren Widerstand gegen die Urnenbestattung aufgegeben hat, davon berichtet Christian Röther am 20. September im Deutschlandfunk.

Sein Feature vom 20. September können Sie hier hören.
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Mit dem Projekt »Bildstörungen« gehen die Berliner Theologinnen Karoline Ritter und Katharina von Kellenbach den Mustern öffentlicher Kommunikation nach, in denen sich christliche Judenfeindschaft und israelbezogener Antisemitismus verbinden und in Vorstellungen und Denkmuster einschleichen.

Ihren Essay vom 3. September finden Sie hier.
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Es gibt Bücher, denen man mit einmaliger Lektüre von Anfang bis Schluss nicht gerecht werden und die man auch nicht zusammenfassen kann. Um ein solches geht es hier. Daniel Kosch stellt es vor.

Seine Gedanken vom 17. August finden Sie hier.
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Frauen hatten in der Kirche über 1200 Jahre lang Zugang zur juristischen Leitungsvollmacht. Und Frauenkonvente verfügten in ganz Europa über beachtliche, heute kaum mehr vorstellbare Machtfüllen. Annalena Müller erläutert dies – nicht ohne Seitenblicke auf die Relevanz dieser Fakten für aktuelle Debatten.

Ihre Gedanken vom 9. August finden Sie hier.
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Es gibt keinen Beweis dafür, dass Noahs Arche wirklich auf dem Berg Ararat gestrandet ist. Man weiß nicht einmal, ob so eine schwimmende Burg je gebaut worden ist. Doch die Sintflut, von der viele Völker erzählen, bleibt der einzige universelle Mythos der Menschheitsgeschichte.

Die biblische Erzählung von der Arche und vom Neubeginn auf dem Berg Ararat offenbart die Ursehnsucht der Menschen nach Geborgenheit in aufwühlenden und stürmischen Zeiten.

Die Gedanken von Christian Feldmann vom 28. Juli können Sie hier lesen und hören.
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Die Wellen, die Weite, dieser Blick ins Offene. Millionen von Erholungssuchenden zieht es in den Urlaubswochen ans Meer. Zeit zum Durchatmen, zum Innehalten, zum Träumen. Vielleicht auch zum Beten.

Ein berühmtes Gemälde ist zur Ikone dieser Sehnsucht geworden: der »Mönch am Meer« von Caspar David Friedrich. Heimat und Fernweh, Grenzen und Aufbruch, unberechenbare Naturgewalten und die Hoffnung auf Errettung. Das Meer ist voller Widersprüche – und wohl auch deshalb ein Lieblingsmotiv in den Künsten. Doch was genau suchen wir am Wasser?

Die Gedanken vom Karin Dzionara vom 14. Juli können Sie hier lesen und hören.
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Statements, Interviews & Diskussionen

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Sie ist das, was einen Menschen ausmacht, was jede und jeden einzigartig macht: die Seele. Doch auch wenn sie ein wesentlicher Bestandteil des Lebens ist, bleibt sie oft schwer greifbar.

Bernhard Brinkmann ist Priester und Krankenhaus-Seelsorger im Marienhospital Osnabrück. Im Gespräch erzählt er, warum man sich gut um die Seele kümmern muss und wie das geht. Was die Seele mit Gott zu tun hat und warum sie in der katholischen Kirche sogar mit einen eigenen Gedenktag gefeiert wird, das erfahren Sie hier im Interview vom 29. Oktober.
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Zum Abschluss der Weltsynode bleibt die Frage: Wohin geht die Reise in der katholischen Kirche? Gibt es Aufbrüche, Veränderungen? Oder bleibt am Ende doch alles so, wie es ist?

In der Sendung Tag für Tag vom 28. Oktober geht der Deutschlandfunk diesen Fragen nach. Es geht um das Abschlussdokument, welches Papst Franziskus überraschend als solches in Kraft gesetzt hat und nicht irgendwann mit dem üblichen Nachsynodalen Schreiben päpstlich interpretiert und damit entscheidet, was künftig umzusetzen ist und was nicht.

Weiter geht es in diesem Beitrag um die ebenfalls überraschend erschienene vierte Enzyklika von Papst Franziskus. Sie ist gelesen worden als »Liebesbrief«, als »spirituelles Meisterwerk«, als »Vermächtnis und Testament«. Franziskus‘ Enzykliken und sein Herzensprojekt Weltsynode – wie hängt all dies zusammen? Das Herz, die Liebe und die Geschwisterlichkeit – ist das der rote Faden dieses Pontifikats? Geht es ihm um das innere Band von Politik und Mystik? Einschätzungen des Wiener Theologen Jan-Heiner Tück, Professor am Institut für Systematische Theologie und Ethik der Universität Wien.

Die ganze Sendung können Sie hier hören.
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In seinem liberal-urbanen Umfeld ist er ein Außenseiter, wenn er sich zur römisch-katholischen Kirche bekennt. Er fühlt sich belächelt bis diskriminiert. Dabei braucht es aus seiner Sicht eine »Gegenkraft gegen blinde Technikgläubigkeit und Berechenbarkeit«. Ihm kommt es vor, als würde die Gesellschaft »am Wesentlichen vorbeileben.« Es brauche Rituale, Unterbrechung, Stille, Rhythmen.

Ein Gespräch mit Tobias Haberl, das Andreas Main am 11. Oktober im Deutschlandfunk mit ihm geführt hat, zur Frage, warum er sich eine »zeitgenössisch unzeitgemäße« Kirche wünscht, können Sie hier hören.
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Ob »Auge um Auge«, »Verrat des Judas« oder der »Sündenbock«. Christlich tradierte Zerrbilder von Jüdinnen und Juden halten sich bis heute hartnäckig. Auch in der säkularen Welt.

Das Projekt »Bildstörungen« der Evangelischen Akademie zu Berlin bricht diese Bilder auf und stellt sie in ihren ursprünglichen Kontext.

Das Feature von Carsten Dippel im Deutschlandfunk vom 3. Oktober können Sie hier hören.
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Das Erstaunen, Unverständnis und Entsetzen über die Ergebnisse der Wahlen in Deutschland in den vergangenen Monaten ist für Hubertus Schönemann, Leiter der Arbeitsstelle für missionarische Pastoral in Erfurt, Anlass für eine Spurensuche.

Seine Gedanken vom 3. Oktober finden Sie hier.
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Wie politisch ist das Neue Testament? Wie politisch soll Kirche sein? Und warum ist sie eigentlich etwas Demokratisches?

Im Interview mit der Münsteraner Kirchenzeitung Kirche+Leben spricht Thomas Söding, Professor für Neues Testament an der Universität Bochum, über seine Sicht auf die politische Ethik des Neuen Testaments.

Das Interview vom 24. September können Sie hier lesen.
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Philippa Haase und Tracy McEwan geben im Vorfeld der kommenden Sitzungen der Weltsynode in Rom einen Einblick in die Ergebnisse der International Survey of Catholic Women, einer internationalen Umfrage unter katholischen Frauen mit einem Schwerpunkt auf die Positionen der deutschen Teilnehmerinnen.

Ihr Statement vom 20. September können Sie hier lesen.
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Ausgerechnet am 1. September gewinnt mit der AfD in Thüringen eine gesichert rechtsextreme Partei eine Landtagswahl in Deutschland. Ihr Spitzenkandidat Björn Höcke ist gerichtlich verurteilt wegen der Verwendung einer verbotenen SA-Parole in mehreren politischen Reden. Ausgerechnet am 1. September holt in Sachsen dieselbe Partei mehr als 30 Prozent der Stimmen. Die jüdischen Gemeinden in Sachsen bezeichnen die AfD als ernstzunehmende Gefahr für die Demokratie.

So tief im Westen können wir im Bistum Osnabrück nicht sein, dass uns der politische Osten nicht interessieren würde, meint Dominik Blum, Pfarrbeaufragter in Quakenbrück. Seinen Blog vom 3. September finden Sie hier.
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Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, empfiehlt die Einbindung vier arabischer Länder, um einen demokratisch-palästinensischen Staat zu schaffen. Eine Normalisierung seines Landes in den Beziehungen zur in Teilen rechtsextremen AfD lehnt Prosor ab.

Das Interview im Deutschlandfunk vom 30. August können Sie hier hören.
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Am kommenden Sonntag stammt die zweite Lesung aus dem Epheser-Brief. Die Pastoralreferentin und Frauenseelsorgerin Annette Jantzen sieht das kritisch: Aus ihrer Sicht sollte der Text nicht mehr im Gottesdienst gelesen werden.

Ihre Gedanken vom 21. August finden Sie hier.
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Predigten

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Predigt am 30. Sonntag im Jahreskreis»
zu Mk 10,46a-52

Blind am Wegesrand. Abgeschnitten, fast wie tot. So sitzt er da: Bartimäus. Zukunft? Fehlanzeige. Aus und vorbei. Er hatte sich daran gewöhnt: an die Dunkelheit, an das Abgeschnitten-Sein. Irgendwie, ja irgendwie kam er klar. Bis zu diesem Tag. Gehört hatte er schon von ihm. Von Jesus. Dem Heiler. Dem Wundertäter. Aber – wie sollte er an den rankommen? Und überhaupt: blind ist blind. So hatte er sich eingerichtet – Bartimäus, der Mann am Straßenrand. Doch dann, an einem dieser langen Tage, spürt er: Irgendwas ist anders. Nicht nur die Sehnsucht wird stärker – nein, er hört diesen Namen: Jesus aus Nazareth. Da gibt’s kein Halten mehr: „Meister, Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir!“ Und Jesus? Der hat – wie immer – einen klaren Blick. In der großen Masse zählt nur einer. „Was soll ich dir tun?“ – „Sehen können, Herr, ich möchte wieder sehen können!“ – „Dein Glaube hat dir geholfen!“

Vielleicht war es so. Oder so ähnlich. Was sich so einfach anhört – so von jetzt auf gleich, fast nebenbei –, das braucht im normalen Leben Zeit. Sehr viel Zeit. Wer wüsste das nicht? Wer auf die eigenen blinden Flecken schaut, bekommt eine Ahnung davon. Eine Ahnung, wie lange so etwas dauern kann. Dann nämlich, wenn wir manches einfach nicht wahrhaben wollen. Dann, wenn wir jemanden in eine Schublade packen und nicht mehr rauslassen. Dann, wenn eine depressive Stimmung alles zu verschlingen droht. Dann, wenn ich mich nicht traue, ich selbst zu sein. Wenn das ist – und vieles mehr, wo wir die Augen öffnen müssten, aber nicht können oder uns nicht trauen –, wenn all das ist, dann heißt es: allen Mut zusammennehmen. Und dem Heiler aus Nazareth vertrauen. Selten geht das schnell. Noch seltener geräuschlos. Immer aber wird es uns verändern. Eine neue Sicht. Ein anderer Blick. Klarheit statt Nebel, Licht statt ewiger Finsternis, zumindest aber ein Silberstreif am Horizont.

In der Kirche sind wir gerade mittendrin – der laute Schrei von innen und von außen: „Kirche, stell dich deinen blinden Flecken. Vertrau dem, den du verkündest. Und vergiss nicht: Er kann dich befreien!“ Nur – dieser Weg der Befreiung geht anders, als die Gesetze dieser Welt es versuchen. Jesus war damals auf dem Weg nach Jerusalem. Es ist der Weg in sein Leiden und in seinen Tod. Drei Mal schon hatte er versucht, seinen Jüngern die Augen zu öffnen für das, was ihm in Jerusalem bevorsteht. Aber sie sehen nicht. Und verstehen nicht. Die Blockade ist wie eine Mauer in ihrem Inneren: Das darf, das kann nicht sein! Also: Weglaufen. Bartimäus aber schreit. Einer, der den Karfreitag schon erlebt hat, schreit, so laut er kann. Und weil er das tut, kann die Heilung beginnen. Bei ihm. Und bei vielen anderen. Bartimäus schreit. Und lässt sich nicht den Mund verbieten. Von niemandem. Er schreit, bis die Mauern der Isolation und Ignoranz um ihn herum aufbrechen. Er schreit, bis sich etwas verändert. Bis das Leben wieder stärker wird.

Der Schrei des blinden Bartimäus – mir hilft er zu verstehen: Heilung geht nur, wenn ich mich radikal öffne. Heilung hat dann eine Chance, wenn ich mich der Wahrheit stelle. Heilung wird dann gelingen, wenn ich mutig bin. Das gilt nicht nur für diese Kirche. Das gilt mindestens genauso für meine blinden Flecken. Das gilt für das, wovor ich weglaufe. Genau das aber brauche ich nicht: weglaufen. Ich darf stehen bleiben. Und schauen, was passiert. Was passiert, wenn ich vertraue. So fing es jedenfalls an. Damals auf dem Weg nach Jerusalem. Und warum sollte es nicht weiter gehen?

Alexander Bergel
27. Oktober
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Predigt am 28. Sonntag im Jahreskreis
zu Mk 10,17-27

Kamel müsste man sein. Dann wäre es leichter. Zumindest am Nadelöhr. Der Gedanke daran, wie das wohl wirklich aussehen könnte, bringt mich zum Schmunzeln. Manchmal führt diese Vorstellung aber auch zu einem mittelschweren Schweißausbruch. Denn Erheiterung hatte Jesus wohl nicht im Sinn, als er das Bild vom Kamel und dem Nadelöhr gewählt hat. Im Gegenteil. Jesus wählt diese Worte, um deutlich zu machen: Es geht um Alles oder Nichts.

Wer Jesus kennt, der weiß das. Wer sich selbst kennt und ehrlich ist, der weiß auch um die üblichen Abwehrmechanismen: „Nein, mich kann er nicht meinen. Ich habe kein fettes Bankkonto oder einen reichen Erbonkel. Nein, mich kann er nicht meinen. Ich bin doch froh, wenn ich durchkomme. Wenn ich meinen Alltag geregelt kriege. Den Stress auf der Arbeit, die Sorgen um die Kinder oder Enkel. Ich bin froh, wenn ich meine Beziehungen pflegen kann, und umgebracht habe ich auch keinen. Und so sehr hängt mein Herz jetzt auch nicht an meinem Haus, meinem Auto, meinem Status. Nein, mich kann er nicht meinen.“

Vielleicht ist das alles wirklich ganz genauso. Doch bevor wir uns allzu gemütlich zurücklehnen und sagen: Ich muss durch kein Nadelöhr – vielleicht noch diese eine Frage: Bin ich eigentlich wirklich glücklich?

Alexander Bergel
13. Oktober
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Predigt am Fest des Heiligen Franziskus
zu Mt 11,25-30

Ich werde euch Ruhe verschaffen. Was für eine Verheißung! Wer sehnt sich auch nicht danach? Endlich Ruhe. Ruhe und Frieden. Doch wird es jemals so weit kommen? Der Blick in die Welt verheißt nichts Gutes: Krieg und Terror, Flüchtlingsdramen an tausend Orten dieser Erde. Deutschland – ein vereinigtes Land, die Menschen einander aber so fremd wie selten zuvor. Eine Kirche, die um ihren Weg in die Zukunft ringt. Gräben zwischen Bewahrern und Reformern, die immer breiter und tiefer werden. Von den persönlichen Dramen ganz zu schweigen: Beziehungen scheitern, Depressionen greifen immer mehr um sich, Arbeitsplätze werden abgebaut, Menschen sind krank oder sterben einfach so.

Ich werde euch Ruhe verschaffen. Ja, wie schön wäre das! Ausruhen. Einfach da sein können. Ohne dauernd etwas leisten zu müssen. Ohne sich im Kampf ums Überleben blutige Nasen zu holen. Ein Leben ohne Ellenbogen. Ohne Überforderung. Ohne Angst. Einfach Ruhe. Der Satz Jesu geht allerdings noch weiter: „Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig. So werdet ihr Ruhe finden für eure Seele.“ Jesus ist dem Leid nicht ausgewichen. Jesus hat sich auch nicht in den Frieden am See Genezareth zurückgezogen. Jesus ist den staubigen Wegs des Alltags gegangen. Jesus hat sich der Menschen angenommen, die belastet waren von Krankheit und Armut, von Konflikten, von Elend und Tod. Jesus macht es vor: Diesen Weg zu gehen, wird zur Ruhe führen. Nicht am Leben vorbei, nicht an den Konflikten vorbei, nicht an Blut und Schweiß vorbei, sondern mittendrin, genau dort – im Auge des Orkans sozusagen – wird dich eine tiefe Ruhe erfüllen, die ihresgleichen sucht. Aber kann man das wirklich schaffen? Auch wenn man nicht Jesus ist?

Kann man. Franziskus, der reiche, junge Mann aus Assisi, verzichtet auf alles, was ihn bisher ausgemacht hat. Reichtum, Ansehen, Zukunftsperspektiven. Er wirft dem tobenden Vater alles vor die Füße. Ein armer Irrer, meinen damals viele. Aber immer mehr andere arme Irre (also im Wortsinn Menschen, die irre geworden sind am Irrsinn der damaligen Zeit, in der die Kirche reich und der Papst mächtig war wie nie zuvor), immer mehr Menschen, die das alles so nicht mehr wollten, folgen dem armen Franz von Assisi. Sie leben anders. Einfach so. Suchen und fragen, wie das gehen kann. Gehen dorthin, wo die Not am größten ist. Kümmern sich um die, die auf der Straße liegen. Sprechen von Gott nicht so sehr mit frommen Worten, sondern durch gute Taten. Lassen die Leute um sie herum spüren: Die glauben wirklich das, was sie sagen. Denn das, was sie tun, spricht eine eindeutige Sprache.

800 Jahre nach dem Leben des Franz von Assisi, 2000 Jahre nach dem Leben des Jesus von Nazareth sehnen wir uns nach einem gelingenden Leben. Stehen wir in den Spannungen und Krisen unserer Zeit. Erleben wir, wie alles auseinanderzufliegen droht: die Welt, wie wir sie kannten, die Gesellschaft, in der wir leben, die Kirche, der so viele den Rücken kehren. Was können wir nur machen? Uns fragen: Was würde Jesus tun? Und was Franziskus? Es wären Fragen wie diese: Wo sind die Armen unserer Stadt? Wo warten Menschen in unserer Nachbarschaft auf Worte, auf Gesten, auf konkrete Hilfe? Wie kann der Glaube an einen menschenfreundlichen Gott das Leben bereichern und verändern? Wo kann dieser Glaube Wunden heilen und Perspektiven aufzeigen? Wer die Ruhe finden will, von der Jesus spricht, der wird ihr nicht im Wellness-Hotel begegnen. Wer die Ruhe Jesu sucht, der muss sich aufmachen. Der muss solange unruhig bleiben, bis der Schrei derer, die am Rande stehen, die niemand will und die sich selbst nicht helfen können, ein offenes Ohr findet. Und Hände, die bereit sind, etwas zu tun. Nach Erholung hört sich das nicht an. Aber nach dem Weg, der zum Leben führt. Vermutlich zum echten Leben.

Alexander Bergel
6. Oktober
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Predigt am 26. Sonntag im Jahreskreis
zu Mk 9, 38-43.45.47-48

„Wer einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, Ärgernis gibt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde.“ Krasser lässt es sich kaum sagen. Jesus hat dabei Menschen im Blick, die anderen Ungeheures antun. Ich denke da an jene klerikalen Missbrauchstäter, deren Taten sich seit Jahrzehnten als große Spur des Unheils durch das Leben unzähliger missbrauchter Menschen zieht.

An diesem Samstag konnten wir wieder von einem lesen: dem ehemaligen Generalvikar Heinrich Heitmeyer, den alle nur General nannten, vor dem sich viele fürchteten. Den alle aber machen ließen. Nur ein Name. Aber unendliches Leid. Geschehen im Namen Jesu. Und der? Selbst Jesus, dessen Arme weit offen stehen für alle, kommt – das spüren wir mit dem Wort vom Mühlstein – an seine Grenzen. So schwer wiegt die Schuld derer, die Kleine, Verletzbare, Wehrlose demütigen, benutzen, zerstören.

Als wenn das noch nicht genug wäre, hören wir von weiteren archaischen Handlungen, die einen erschrecken lassen: Augen ausreißen, Hände und Füße abhacken – über die Schmerzgrenze gehende Bilder für die Tatsache, dass sich das Böse nicht durch Absichtsbekundungen bekämpfen lässt. Niemals. Die Bildworte, die Jesus findet, treiben Dinge gerne – ganz klassisch orientalisch – auf die Spitze. Um Menschen aufzurütteln, um sie wachzubekommen.

Worum geht es Jesus? Eigentlich immer nur um das eine: Er möchte die Menschen spüren lassen, dass sie eine einzigartige Würde haben. Dass sie wertvoll sind. Dass sie geliebt werden. Und zwar von Gott. Und damit sich das nicht anhört wie die ewig gleiche Leier von Gott, der dich liebt und immer für dich da ist, du das aber nicht spürst, weil es nur hohle Worte sind und du zu denen gehörst, deren Würde – vielleicht sogar von hohen religiösen Führern – mit Füßen getreten wird und du niemanden hast, der für dich eintritt, deshalb macht Jesus deutlich, dass seine Worte zur Tat werden müssen. Dafür geht er sogar ans Kreuz.

Alle, die wie Jesus Worten Taten folgen lassen, haben verstanden, was er wollte. Und wenn jemand eine solche Machttat vollbringt, so heißt es ja in dieser Geschichte auch, ist es egal, ob er in der Gruppe derer ist, die Jesus ständig um sich hat, oder ob er es einfach macht, weil er für einen Moment gespürt hat: „Das, was dieser Jesus sagt und tut – daraus kann ich leben!“ Das, was dieser Jesus sagt und tut – daraus kann ich leben. Woraus leben Sie?

Alexander Bergel
29. September
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Predigt am 24. Sonntag im Jahreskreis
zu Mk 8,27-35

Am Kreuz kommst Du nicht vorbei. Jesus sagt das sehr deutlich. Doch wer will so was hören? Wer will schon hören, dass der Weg des Meisters kein strahlender Siegeszug ist, sondern ein Weg des Scheiterns? Petrus jedenfalls nicht. Deshalb bekommt der auch gehörig eins auf die Mütze: „Geh mir aus den Augen! Denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.“ Dabei hatte er doch gerade sein großes Glaubensbekenntnis gesprochen: „Du bist der Messias!“ Er hatte alles aufgegeben, alles hinter sich gelassen, um ihm ganz nahe zu sein. Ja, das hatte Petrus wirklich getan. Und ja, er hatte vermutlich wirklich aus tiefstem Herzen seinen Glauben bekundet, seine Liebe auch – und seine Bereitschaft, Jesus zu folgen. Aber die Wahrheit, die ganze, die wirkliche Wahrheit – hatte er die begriffen? Nein. Denn als Jesus ihm die vor Augen hält, versucht er, die Dinge anders zu regeln. Eine Wahrheit sollte es werden, die nicht wehtut. Das kann er ruhig versuchen, der Erste der Apostel. Aber Jesus – der ist dann raus.

Raus, aber aus anderen Gründen, sind heute viele Menschen. Menschen, die die Botschaft Jesu vielleicht noch als alternatives Lebensmodell ansehen oder sogar nach wie vor Kraft aus ihr schöpfen. Das Interesse an der Kirche jedoch, das nimmt ab. Und zwar enorm. Immer weniger Menschen möchten Teil einer Institution sein, die so viele Fehler gemacht hat, die aber dennoch so oft immer noch auf dem hohen moralischen Ross sitzt und sehr genau weiß, was richtig ist und was nicht. So gehen immer mehr Menschen andere Wege. Und kehren nicht zurück. Doch dann und wann begegnen mir gar nicht so selten Männer und Frauen, Junge und Alte, die den Kontakt suchen. Weil sie spüren: Das, was da läuft, das, wovon die sprechen, besser noch: der, von dem sie sprechen, von Jesus und seinem Weg – das hat ihnen geholfen, neue Perspektiven eröffnet oder schlicht und ergreifend gutgetan. Vielleicht ist es gar nicht so sehr das Sprechen über Jesus, sondern das Leben in seiner Spur. Ein Leben, das andere neugierig macht und fragen lässt: „Sag mal, warum machst du das eigentlich so?“

Ja, warum machst du das eigentlich so? Das ist in der Tat eine Frage, der wir uns immer mal wieder stellen sollten. Wer das tut, der spürt: Dieser Weg ist nicht der Weg des geringsten Widerstands, auch kein Weg der lockerflockigen Fortbewegung. Der Weg Jesu weicht dem Leben mit all seinen Schattenseiten nicht aus. Siehe das Kreuz. Wer diesen Weg geht, der entdeckt aber früher oder später in all den dunklen Schatten auch das Licht der Hoffnung, der wird früher oder später vielleicht sogar die Erfahrung machen können, im Scheitern nicht zu verzweifeln, der wird vielleicht sogar immer wieder staunen, wie – trotz allem – nicht Untergang und Katastrophen die Oberhand behalten, sondern das Schöne, das Tragende und das Erfüllende.

Wer den Weg Jesu wählt, wird dadurch nicht automatisch zu einem besseren Menschen, der wird auch nicht auf alles eine Antwort haben – so wie die Petrus-Kirche sie so oft meinte, haben zu müssen. Diesen Weg zu gehen, das ist vor allem ein großes lebenslanges Abenteuer. Allerdings nicht jenseits all dessen, was zum Leben gehört, sondern mittendrin. Nur mit einer anderen Perspektive. Vielleicht müsste man das doch noch mal ganz neu versuchen.

Alexander Bergel
15. September
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Predigt am 23. Sonntag im Jahreskreis
zu Mk 7,31-37

Zugegeben – es klingt sehr nach Märchen: „Jesus nahm ihn beiseite, legte ihm die Finger in die Ohren und berührte dann die Zunge mit Speichel; danach blickte er zum Himmel auf, seufzte und sagte zu dem Taubstummen: Effata! Öffne dich!“ Ja, so gehen Märchen. Trotzdem möchte ich mal so tun, als ob es wahr wäre. Denn hinter dieser Geschichte steckt eine reale Erfahrung: Ich bin nicht für alle Zeiten festgelegt. Das, was mich niederdrückt, einschränkt, abhängig hält und krank sein lässt – es muss nicht das letzte Wort behalten. Ich kann gesund werden.

Der namenlose Taubstumme hat wohl eine solche Erfahrung gemacht. Was genau in seinem Leben alles passiert ist – wir wissen es nicht. Nur eins: Das Leben hat ihm die Sprache verschlagen. Er ist am Ende, hat keine wirkliche Perspektive mehr. Er steht am Rande der Gesellschaft, ist ausgeschlossen vom Leben. Genau diesem Mann begegnet Jesus. Er nimmt ihn heraus aus der Menge, hinein in eine Atmosphäre, in der nur der Kranke wichtig ist. Er berührt die kranken Organe, er berührt die kranke Seele. Und der Kranke spürt: Jetzt geht es ganz um mich – und um Gott. Diese zärtliche Berührung weckt den Glauben, sie macht offen für die Heilung. Und damit sind wir mitten im eigentlichen Wunder.

Jesus, der heilende Finger Gottes, er rührt die Menschen an. Nicht nur äußerlich. Seine Berührungen gehen sehr viel tiefer. Er ergreift die Menschen, die sich ihm anvertrauen, auf einzigartige Weise. Alles andere wird plötzlich nebensächlich. Die eigene Schwäche, das Nicht-Hören-Können auf die vielen Zwischentöne, die das Leben bietet, das Nicht-Hören-Können auf die kleinen und großen Liebeserklärungen, das Nicht-Hören-Können auf die wunderbare Melodie des Lebens: all das nimmt Jesus in die Hände – und verwandelt es. Dieser Jesus von Nazareth ist so einfühlsam, so sensibel, so zärtlich – aber auch so bedingungslos direkt und zupackend, dass er das Leben von Menschen völlig verändern kann, ja, auf den Kopf stellt. Wer Jesus vertraut, der bekommt ein völlig neues Gespür für das Leben. Der traut sich, Dinge zu sagen, die ihm vorher vielleicht peinlich waren. Wer sich von Jesus anrühren lässt, der spricht über das, was ihn bewegt: über seine Ängste und Sorgen, über seine Sehnsucht und seine Hoffnung, über seinen Glau,ben und seine Zweifel.

Darf man die wunderbare Heilung des Taubstummen so deuten? Oder wirkt das nur wie der durchschaubare Versuch, zu retten, was zu retten ist, um die Bibel am Ende doch nicht als Märchenbuch dastehen zu lassen? Ich glaube, dass Jesus heilende Kräfte besaß. Ich glaube, dass er das Leben von Menschen völlig umkrempeln konnte. Ich glaube, dass die Bibel phantastische Geschichten enthält, die mitunter auch märchenhafte Züge haben. Ich glaube aber nicht, dass wir damit an der Nase herumgeführt werden sollen. Ganz im Gegenteil. Die Erzählungen der Heiligen Schrift wollen uns an die Hand nehmen, um unser Leben zu deuten – unser ganz eigenes Leben hier und heute – und mit der Wirklichkeit Gottes zu konfrontieren.

Ich glaube, dass Gott auch heute wirkt. Nur – wo lässt er sich finden? Wir müssten uns auf die Suche machen. Auf die Suche nach dem, was heute passiert. Wo Menschen heute nicht mehr taub und stumm sind. Wo sie sich trauen, etwas zu sagen, was sonst keiner tut. Wo sich Wege öffnen, die keiner mehr für möglich hielt. Ja, all das gibt es doch. Und zwar ganz ohne Zauberei. Aber mit der sehr persönlichen Erfahrung: Ich habe eine Zukunft. Weil Gott mich dazu ermutigt. Weil er mir Heilung schenkt. Und Mut. Haben Sie so was schon mal gehört? Oder gar selbst erlebt?

Alexander Bergel
8. September
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Predigt beim Aufstellen
der Bank »Kein Platz für Antisemitismus!«

zu Joh 15,9-12

Wir müssen uns nichts vormachen. Gäbe es die Kirche nicht, gäbe es keinen Antisemitismus. Es gäbe keine Blutspur, die sich durch die Geschichte zieht. Keine Pogrome. Keine Vertreibung. Keine Auslöschung ganzer Familien. Und in letzter Konsequenz: Keinen Holocaust. Sicher, auch vor dem Auftreten jenes Mannes aus Nazareth, in dessen Namen wir uns versammeln, des Juden Jesus, Sohn der Jüdin Maria, auch schon vor der Zeit Jesu gab es antijüdische Affekte. Vermutlich, weil Israel mit seinem Ein-Gott-Glauben eine massive Provokation im ansonsten polytheistischen Umfeld war. Aber die Grundlage des Antisemi-tismus, wie wir ihn seit nahezu 2000 Jahren erleben, ist jene Haltung, die sich bis in die frühen 1950er-Jahre in den Großen Fürbitten der Karfreitagsliturgie findet.

Beim Gebet für die Juden hieß es dort jahrhundertelang: „Lasst uns auch beten für die treulosen Juden (auf Latein: „pro perfidis Judaeis – für die perfiden Juden“), dass Gott, unser Herr, wegnehme den Schleier von ihrem Herzen, auf dass auch sie erkennen unsern Herrn Jesus Christus.“ Damit nicht genug. In der Regieanweisung heißt es: „Hier unterlässt der Diakon die Aufforderung zur Kniebeuge, um nicht das Andenken an die Schmach zu erneuern, mit welcher die Juden durch Kniebeugungen um diese Stunde den Heiland verhöhnten.“

Was wir hier in der Mitte dieser großen Liturgie über die „perfiden Juden“ zu hören bekommen, ist Ausdruck einer Geisteshaltung, die wirklich davon ausgeht, dass alle Juden, egal wann sie gelebt haben, nicht nur verblendet und in ihrer Finsternis gefangen sind und bleiben, sondern wahre und wirkliche Gottesmörder sind. Durch die Jahrhunderte hindurch nahmen Pogrome ihren Anfang in Predigten, die genau das zum Inhalt hatten: den perfiden, verschlagenen Juden, der den unschuldigen Gottessohn ans Kreuz brachte. Nicht selten waren es die Karfreitage, an denen Töchter und Söhne Israels um ihr Leben bangen mussten. Marodierende Banden zogen um die Häuser und erschlugen Männer, Frauen und Kinder.

Eine Symbolfigur, auf die sich der antijüdische Hass in besonderer Weise bezog, war und ist bis heute Judas Iskariot. In der Kunst meist dargestellt mit einem Geldbeutel, groben, oft hässlichen Zügen, roten Haaren und der stereotypen Judennase. Doch: Ist er wirklich der geldgierige, verschlagene, hinterhältige Mann, der seinen Meister, der seinen Freund für ein paar Silbermünzen dem Tod ausliefert? Ist er wirklich das verkommene Subjekt, das alles Böse, alles Finstere, ja, die tiefsten Abgründe des Menschen in sich vereint? Viele sehen ihn so. Bis heute.

Manche Schriften des Neuen Testaments haben dieses Bild gezeichnet. Vor allem der Evangelist Johannes. Als sein Evangelium aufgeschrieben wurde, waren allerdings schon fast 70 Jahre vergangen, seit Jesus von den Toten auferstanden war. Eine lange Zeit. Eine Zeit, in der sich viel ereignet hat. Die römischen Besatzer hatten den Tempel, die Mitte des jüdischen Volkes, zerstört, und innerhalb des Judentums gab es viele Konflikte. Konflikte, deren Ursprung fast immer die Suche nach dem rechten Weg war. Und so war es an der Tagesordnung, dass die eine jüdische Gruppe der anderen die Wahrheit absprach. Auch die frühe christliche Gemeinde war Teil dieser innerjüdischen Konflikte. All das muss man wissen, wenn in den Evangelien von „den Juden“ und wenn dort von Judas, „dem Verräter“, die Rede ist.

Das Johannesevangelium zeichnet das düstere Bild vom verschlagenen, hinterhältigen Judas. Und damit beginnt eine fürchterliche Wirkungsgeschichte. Eine Wirkungsgeschichte, die in letzter Konsequenz zum Judenhass der Nazis geführt hat. Das Motiv des Judas wurde dort zur Grundlage der Rede vom „ewigen Juden“, der alles Böse, alles Verschlagene in sich trägt. Diese fanatische, verblendete und menschenverachtende Sicht ist bis heute in vielen Köpfen verankert und hält die Welt immer noch in Atem, nimmt sie gefangen und sorgt für Angst und Terror.

Wir erleben es überall auf der Welt und auch mitten in unserem Land, dass immer mehr Menschen ohne Hemmungen auf die Straßen gehen und gegen „die Juden“ protestieren. Es geht ihnen nicht um die in einer Demokratie gegebene Möglichkeit, gegen die Politik eines Staates zu demonstrieren. Nein, schlimmste, widerlichste Ressentiments gegen „die Juden“ finden ihren Ausdruck: im Verbrennen der israelischen Flagge, im Angriff auf Synagogen und auf Menschen, die sich als Juden zu erkennen geben. Es hört einfach nicht auf! Und daher bedarf es unser aller Solidarität! Es bedarf unseres Einsatzes gegen Antisemitismus und gegen alle undifferenzierte Sicht auf jüdische Menschen, die viele der Antisemiten als „Kinder des Judas“ sehen, die ja nur Schlechtes in sich haben können. Was für ein irrer Glaube!

Natürlich darf man den Staat Israel für seine Politik kritisieren. Natürlich darf und muss man Mitleid haben mit den vielen Menschen in Palästina, die unter teils menschenunwürdigen Bedingungen leben müssen. Auch dort geschieht Unrecht. Um all das geht es den Antisemiten aber gar nicht. Dieser blutige Konflikt wird seit Jahrzehnten und seit dem 7. Oktober 2023 wieder neu instrumentalisiert, um den Kampf gegen „die Juden“ plausibel aussehen zu lassen. Deshalb sind und bleiben wir aufgerufen, unsere Stimme zu erheben, wenn gegen „die Juden“ gehetzt wird. Als Christinnen und Christen haben wir diese Verantwortung. Und deswegen sagen wir: Bei uns ist kein Platz für Antisemitismus!

Es war Papst Johannes XXIII., der den entscheidenden Schritt der Umkehr gegangen ist. Das von ihm angestoßene Zweite Vatikanische Konzil hat 1965 nicht nur den unaufgekündigten Bund Gottes mit seinem Volk herausgestellt, sondern auch deutlich gemacht, dass weder das ganze damalige Volk noch heutige Juden für den Tod Jesu verantwortlich zu machen sind. Historisch sind die Zusammenhänge um den Tod Jesu auch viel komplexer. Nicht nur, dass die römischen Besatzer unter Pontius Pilatus den Nazarener ans Kreuz brachten, Jesus selbst ging seinen Weg konsequent bis zum Schluss. Er, der von Wahrheit und Liebe nicht nur redete, sondern sie lebte, stand bis zum Schluss für das ein, was er verkündet hatte. Und zwar in der Hoffnung, dass eine Liebe, die das eigene Leben zu geben bereit ist, ein für alle Mal jede trennende Grenze überwinden würde. Doch was ist daraus geworden?

Kurz vor seinem Tod im Jahr 1963 schrieb Papst Johannes ein Gebet, das sich – wissend um den Verrat der Kirche an ihrem Herrn – wie ein flehendes Vermächtnis anhört: „Wir sind uns heute bewusst, dass viele Jahrhunderte der Blindheit uns die Augen verhüllt haben, so dass sie die Schönheit Deines auserwählten Volkes nicht mehr zu sehen und in ihren Gesichtern die Züge unserer erstgeborenen Brüder nicht mehr zu erkennen vermögen. Wir verstehen, dass uns ein Kainsmal auf die Stirn geschrieben steht. Im Laufe der Jahrhunderte hat unser Bruder Abel in dem Blut gelegen, das wir vergossen, und er hat Tränen geweint, die wir verursacht haben, weil wir Deine Liebe vergaßen. Vergib uns den Fluch, den wir zu Unrecht an den Namen ‚Jude‘ hefteten. Vergib uns, dass wir Dich in ihrem Fleische zum zweiten Mal ans Kreuz schlugen. Denn wir wussten nicht, was wir taten.“

Heute kann niemand mehr sagen: „Wir wussten nicht, was wir taten.“ Deshalb: Kein Platz für Antisemitismus. Nirgendwo!

Alexander Bergel
1. September
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Predigt am 21. Sonntag im Jahreskreis
zu Joh 6,60-69

Gehen oder bleiben. Das ist hier die Frage. Damals wie heute. Damals war es Jesus selbst, den manche nicht mehr ertragen konnten. Zu provokant seine Worte. Zu radikal sein Anspruch. Zu neu seine Wege. Und so kehren ihm viele den Rücken. Damals. Und heute? Heute ist Jesus für viele Menschen eine der faszinierendsten Gestalten der Geschichte. Und zwar weil er so war, wie er war. Weil er eine Vision hatte. Weil er für das eintrat, was er glaubte. Weil er Menschen eine Ahnung davon gibt, wie das Leben gelingen kann. Manche sehen in ihm Gottes Sohn, andere eher einen Propheten. Zumindest aber einen guten Menschen. Nach wie vor also geht von ihm eine ungeheure Kraft aus. Bei der Kirche ist das anders. Viele wenden sich ab. Und selbst die, die noch da sind, spüren sie: eine immer größer werdende innere Distanz. Der Missbrauch von Kindern und seine Vertuschung, der Umgang mit Macht, die Doppelmoral – all das führt dazu, dass immer mehr Menschen sagen: Nicht mit uns! Ich kann es sehr gut verstehen. Und frage mich immer öfter: Wie lange wird das alles noch so weitergehen?

Durch all das hindurch gewinnt eine Frage immer mehr Gestalt. Und sie ist die eigentliche Frage: Wozu ist die Kirche wirklich da? Um Macht auszuüben? Um alte Regeln um jeden Preis einzuhalten? Um sich selbst zu erhalten? All das geschieht. Aber all das ist nicht ihr Zweck. Nein. Die Kirche gibt es, damit das, was Jesus gelebt und gewollt hat, durch die Zeiten hindurch weitererzählt wird und alle es hören können. Es gibt die Kirche, damit diese Welt eine bessere wird. Damit Ungerechtigkeit bekämpft, Hoffnung gelebt und Liebe geschenkt wird. Es gibt uns, die Kirche, damit wir Gott feiern und das Leben in all seinen Facetten. Es gibt uns, damit Menschen ein Zuhause finden, die keines haben. Es gibt die Kirche, damit Schwache stark, Kleine nicht übersehen und Trauernde getröstet werden. Und all das geschieht ja auch. Tag für Tag. Und Nacht für Nacht. Aber es gibt eben auch all das andere. Und das scheint so übermächtig zu sein: Machtgier und Neid, Größenwahn und Überheblichkeit, Weltfremdheit und das Gesetz des „Das machen wir hier schon immer so.“ Nicht nur in Rom. Nicht nur in anderen hohen Etagen. Nein, überall, wo Menschen sind, erleben wir, was Menschen einander antun können. Es sind Menschen, die vergessen haben, warum es die Kirche gibt. Und so antworten immer mehr auf die Frage: „Wollt auch ihr gehen?“ mit einem deutlichen Ja!

Und nun? Was können wir tun? Wie kommen wir wieder hin zu dem, was Jesus verkündet und gelebt hat? Oder ganz anders gefragt: Warum sind Sie eigentlich noch da? Seien Sie mutig! Erzählen Sie es einander. Erzählen Sie einander, warum Sie noch da sind. Helfen Sie mit, dass wir nicht in Resignation und Depression versinken. Geben wir diese Idee Jesu von Menschen, die in seiner Spur unterwegs sind, noch nicht auf. Auch wenn viele es bereits getan haben. Auch wenn die Kirche oft so zerstörerisch war und immer noch ist. Auch wenn es tausend Gründe gibt, abzuhauen und die Karre in den Dreck fahren zu lassen. Ja, es gibt sie, diese Gründe. Und es werden immer mehr. Aber die anderen, die Gründe zu bleiben – die gibt es doch auch. Und am Ende, am Ende gibt es vor allem einen Grund – den nämlich, mit dem alles anfing: Jesus von Nazareth. Immer dann, wenn ich eigentlich alles hinschmeißen möchte, weil es schon längst nicht mehr fünf vor, sondern fünf nach zwölf ist, immer dann höre ich die Frage Jesu: Willst auch du gehen? Und seltsamerweise – obwohl es eigentlich schon fünf nach zwölf ist – glaube ich: Noch – noch ist es nicht zu spät. Oder?

Alexander Bergel
25. August
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Predigt am Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel
zu Lk 1,39-56

„… denn der Mächtige hat Großes an mir getan.“ Leichtfertig sagt sie das wohl nicht. Immerhin liegt ein beschwerlicher Weg hinter ihr. Nicht nur der übers Gebirge. Und was noch kommt? Keiner weiß es. Doch trotz alledem stimmt Maria ihr Lied an. Ein Lied, das den Sturz der Mächtigen besingt. Ein Lied, das davon träumt: Einmal muss es doch geschehen! Einmal muss sich doch zeigen, dass den Mächten des Todes die Puste ausgeht und die Potentaten, die Unterdrücker, die Angsteinflößer, die Todbringer, die Vergewaltiger, die Sklavenhalter ausgespielt haben! Einmal, ja einmal muss es doch geschehen!

Marias Lied ist ein Lied der Hoffnung. Der Ermutigung. Und der Auflehnung gegen die herrschenden Verhältnisse. Aber es ist kein Lied der Vertröstung. Kein Lied, das sagt: „Irgendwann, ja, da wird es geschehen. Du musst halt nur lang genug warten.“ Nein, so verstanden wären wir ganz schnell bei den Religionskritikern vergangener Zeiten und auch der Gegenwart angelangt, die im Glauben vor allem Opium fürs Volk und Vertröstung aufs Jenseits erkennen. Das aber will und darf der Glaube niemals sein. Trost schon, Vertröstung nein.

Maria singt ja auch nicht: „Der Mächtige wird Großes an mir tun!“, sondern: „Er hat Großes an mir getan!“ Maria blickt zurück auf ihr Leben. Was hatte sie schon alles erlebt? Leicht war das nicht. Einfache Verhältnisse. Römische Besatzung. Ein brodelnder politischer Kessel. Und dann dieses Kind! Wie soll sie das bloß erklären? Doch: „Der Mächtige hat Großes an mir getan!“ Wer die Welt mit den Augen dieser Maria betrachtet, der sieht zuerst das Heil. Und erst dann all das, was diesem Heil im Wege steht. Ob uns das auch gelingt?

Wenn Sie in Ihr Leben blicken, wenn Sie auf Ihre Beziehungen, auf  ihre Arbeit schauen, auf das, was Sie gerne tun, auf das, wo andere meinen, Sie hätten da ein richtiges Talent – würden Sie da nicht auch sagen können: „Der Mächtige hat Großes an mir getan“? Wer so über sich denkt, der sieht sich vor allem als ein Beschenkter, als eine Beschenkte. Wer so über sich denkt, der wird aber auch im anderen zuerst das Gute sehen. Und der wird sich erheben und dafür eintreten, dass Gottes Traum von dieser Welt kein frommer Wunsch bleibt, sondern immer mehr Wirklichkeit wird. Der Blick auf Maria lässt uns erahnen, welche Kraft der Glaube an einen Gott schenkt, der spürbar wird in allem, was sich ereignet. Und der diese Welt zu einem besseren Ort machen will – auch durch mich.

Wenn wir heute auf das Leben der Mutter Jesu blicken, tun wir es vom Anfang und vom Ende her. Maria hat über den Tod hinaus zu spüren bekommen, wie machtvoll Gott an ihr gehandelt hat. Und nicht nur an ihr. Das ganze Leben mit allem, was dazu gehört: alles Kämpfen und Ringen, alles Suchen und Fragen, alle Momente der Leere und der tiefen Erfüllung, alle Wunden und Narben, alle Hoffnung und jeder Augenblick geschenkter Liebe – kurz: der ganze Mensch mit Leib und Seele, er geht auch im Tod nicht verloren, sondern hat eine Zukunft. Ein für alle Mal. Und das Schöne daran ist: Diese Zukunft beginnt nicht irgendwann. Nein, sie hat schon längst angefangen. Erinnern Sie sich?

Alexander Bergel
18. August
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Predigt am 19. Sonntag im Jahreskreis
zu 1 Kön 19,4-8 und Joh 6,41-51

Gekämpft, gehofft und doch verloren. Manchmal liest man einen solchen Satz in Todesanzeigen. Dunkle Worte. Aus ihnen spricht tiefe Verzweiflung. Gekämpft, gehofft und doch verloren – der Prophet Elija kennt das auch. Gekämpft hatte er. Und wie! Hatte alles auf eine Karte gesetzt. Für seinen Gott. Und nun? Nun muss er fliehen. Weil die Königin ihm nach dem Leben trachtet. Die Hoffnung schwindet, dass er heil aus der Sache herauskommt. Im Gegenteil. Eigentlich ist alles aus. Dabei fing es doch so groß an!

Gekämpft hatte er, ja, gekämpft für Gott – das meinte er jedenfalls –, als er 450 Priester des Gottes Baal hatte abschlachten lassen. Ein grausames Massaker im Namen seines Gottes. Doch der? Zeigt sich nicht. Kurz zuvor hatte er es noch getan. Hatte sein Opfer angenommen. Im Gegensatz zum Gott Baal, der nichts von sich hören ließ. Für Elija war das der klare Beweis: „Euer Gott ist ein Popanz! Mein Gott ist der echte, der wahre!“ Aber nun zeigt sich dieser Gott nicht mehr. Vielleicht, weil er sich abwendet von einem, der über Leichen geht. Der über Leichen geht, um Recht zu behalten. Der über Leichen geht, um einen Gott zu verteidigen, der das gar nicht will und schon gar nicht braucht. Am Ende wird Elija verfolgt. So ist er wirklich ganz am Ende, liegt am Boden und will sterben.

Was für Kämpfe führen Menschen heute? Unendlich viele. Überall auf der Welt stehen sie sich kriegerisch gegenüber. Fast immer geht es um Macht. Auch dann, wenn Gott oder das Wahre oder das Gute vorgeschoben wird. Um all das geht es aber letztlich nie. Der Gott, den uns die Schriften des Alten und des Neuen Bundes überliefern, ist keiner, der will, dass in seinem Namen Menschen abgeschlachtet werden. Dass die Bibel aber doch immer und immer wieder von diesen Gotteskriegen berichtet, hat seinen Grund darin, dass Menschen sich Gott so gedacht haben. Der Herr der Heere, der Herr Zebaoth, der Krieger, der Allmächtige, der dreinschlägt – es sind menschliche Bilder, die ihren Ursprung in der menschlichen Sehnsucht haben, ganz oben, ganz stark, ganz mächtig zu sein. All das muss man wissen, wenn man über die vielen Kriegsberichte, das viele Blutvergießen stolpert, das einem in der Bibel begegnet.

Wohin das alles führt – davon hören wir heute. Elija ist am Ende. Schritt für Schritt hat er gespürt: Dieser Weg ist der falsche. Es muss einen Grund geben, warum Gott mich hier liegen lässt. Gekämpft, gehofft und doch verloren. Ja, fast sieht es so aus. Doch dann nimmt die Geschichte eine andere Wendung. Allerdings erst, als Elija sich vom Gottesbild des starken Heerführers verabschiedet. Erst als Elija bereit ist, Gott ganz anders zu denken, bekommt er einen Blick für das, was sich ihm nun unverhofft zeigt. Ein Engel rührt ihn an. Einmal, zweimal. Spricht zu ihm. Mitten in seine Erschöpfung, mitten in seine Depression hinein. „Nimm, iss und trink! Und dann geh. Vorsichtig. Behutsam. Aber geh. Geh weiter. Und dann -– lass dich überraschen!“

Als Elija nach 40 Tagen (die vierzig steht immer für einen Weg der Wandlung), als er nach 40 Tagen am Berg Horeb ankommt, dem Gottesberg, fällt er wieder in die alten Muster. Sturm, Erdbeben, Feuer – Elija wartet, dass Gott zu ihm spricht. Aber in alldem ist Gott nicht zu finden. Erst als ihn ein sanftes, leises Säuseln umgibt, eine „Stimme verschwebenden Schweigens“, wie Martin Buber es übersetzt, erst dann bekommt Elija eine Ahnung, wer dieser Gott sein könnte.

Mit einer solchen Ahnung – alles andere wäre zu viel – sind auch wir unterwegs. Unterwegs in all den Kämpfen unseres Lebens, den nötigen wie den unnützen. Es sind Kämpfe ums Überleben, Kämpfe um Ansehen, Kämpfe um Macht und Einfluss, Kämpfe ums Recht, Kämpfe um die Wahrheit – und Kämpfe um Gott, von dem man doch so schnell und so einfach zu wissen meint, wie er oder sie ist – oder wie auch nicht. Wenn Jesus von Gott spricht, tut er es bevorzugt in Bildern – wie er es in den Alten Schriften gelernt hatte. Selbst die Rede von Gott als seinem Vater ist ein Bild. Vielen hilft es. Für andere, das wird in unseren Zeiten immer offensichtlicher, ist das Bild vom Vater unerträglich. Ein Schlag ins Gesicht für all jene, deren eigener Vater einer war, der das Leben seiner Kinder zerstörte. An ähnliche Grenzen stößt dann auch das Bild von Gott als einer Mutter. Und deshalb: Ja, benutze Bilder. Aber nutze sie behutsam. Lege Gott nie darauf fest!

Auch Jesus legte Gott nie fest. Aber er hat sich in unsere Hände gelegt. Und damit Gott selbst. „Brot des Lebens“ will Jesus sein. Viele, die ihm gefolgt sind, haben das gespürt. Auch wenn nicht jeder Hunger gestillt wurde, auch wenn vieles nicht so lief, wie erhofft, auch wenn Leid und Elend auch für Menschen, die in der Spur Jesu unterwegs sind, zur Tagesordnung gehören – eines, so sagen es Menschen immer wieder, die sich darauf eingelassen haben, eines ist anders: Gekämpft haben wir. Ja. Und gehofft. Und immer wieder auch verloren. Aber wer seine Hoffnung auf diesen Gott setzt, der so anders ist, als wir ihn uns denken, wer seine Hoffnung trotzdem auf diesen Gott setzt, der in Jesus Mensch geworden ist, der wird sich am Ende nicht endgültig verloren vorkommen.

Vielleicht erleben Sie das ja ähnlich oder gar ganz genauso. Was für ein Geschenk in all den Kämpfen! Und wenn Sie dann einmal weiterdenken, bis ganz ans Ende – vielleicht könnte ein Satz, den Sie über Ihr Leben schreiben würden, dann lauten: Gekämpft ja! Gehofft auch. Und wie! Auf diesen Gott. Und genau deshalb – nicht verloren!

Alexander Bergel
11. August
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Gebet, Musik & Poesie

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»Veni Sancte Spiritus!« Den kraftvollen Pfingsthymnus aus Notre-Dame de Paris
hören Sie hier.
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»Komm, Heiliger Geist, komm!« Dieses gesungenes Gebet zu Pfingsten
hören Sie hier.
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Am 2. Ostersonntag begegnet uns Jahr für Jahr der zweifelnde Thomas. Durch allen Zweifel hindurch ist er doch der sehnsuchtsvoll Glaubende. Oder wird es immer mehr. Thomas begegnet dem Auferstandenen, der ihm seine Wunden hinhält. »Sei nicht ungläubig, sondern gläubig«, ruft ihm Jesus zu. Und die Antwort? »Mein Herr und mein Gott!«

Von diesem Ringen, von dieser Sehnsucht und ihrer Erfüllung ist der Gesang »Adoro te devote – Gottheit tief verborgen« von Thomas von Aquin durchdrungen:

Kann ich nicht wie Thomas schaun die Wunden rot,
bet ich dennoch gläubig: Du mein Herr und Gott!
Tief und tiefer werde dieser Glaube mein,
fester lass die Hoffnung, treu die Liebe sein.

Sie finden diesen Gesang im Gotteslob unter der Nummer 497.
Hören können Sie ihn hier (Strophe 4, 2:42).
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»Weib, was weinest du?« Einer der berührendsten Gesänge zum Osterfest.

Es gäbe sicher nach wie vor so manches, was nicht nur Frauen in dieser Kirche zu beweinen hätten. Aber es gab und es gibt sie dennoch immer noch: die Verkünderinnen dieser einen unglaublichen Botschaft. Sollte deren Kraft, die schon einmal nicht nur Felsen vor Grabhöhlen in Bewegung brachte, nicht auch heute Steine wegzuräumen in der Lage sein?

Den Gesang aus den Osterdialogen von Heinrich Schütz können Sie hier hören.
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Ich konnte keinen Schlaf mehr finden.
Wenn ich wenigstens zum Grab gehen könnte.
Aber die Wachsoldaten.
Oder nach Golgotha, der Blutspur nach.
Oder zu Josef oder zu Nikodemus.
Irgendwohin.
Was tun mit dem ganzen langen Schabbat?

Ich saß so da und dachte nichts als: Er ist fort. Er ist tot.
Fort und tot.
So jung noch. Und schön.
Und jetzt beginnt dann die Verwesung.
Wenn ich doch mein letztes Fläschchen von dem Königsöl
über ihn hätte ausgießen können,
über sein Gesicht,
das so blutig war,
das eine Auge verletzt und verklebt,
nie mehr werde ich dieses Gesicht sehen.

So versunken in meine Trauerqual war ich,
dass es mir kein Trost war zu denken:
Er hat gesagt, drei Tage,
dann das Wiedersehen.

Nein, nein, das hatte er nicht wörtlich gemeint.
Drei Tage, wie lang war das für ihn?
Zähl nicht nach Tagen, Mirjam,
zähl wie ich in Äonen.
Und das Wiedersehen:
wo denn, wie denn?
Nein, das war alles kein Balken, an dem ich mich halten konnte.

Nach und nach wachten alle auf.
Veronika brachte uns das vorbereitete Schabbatmahl.
Man aß aus Höflichkeit ein paar Bissen.
Schimon schlief und war nicht zu wecken.
Jeschuas Mutter sagte: Jochanan,
bete alle Psalmen, die du im Gedächtnis hast.
So begann er von Anfang:
Selig der Mann, der nicht im Rat der Gottlosen wandelt…
Wenn er nicht mehr weiterwusste,
sprang einer von uns ein.
So beteten und beteten wir,
und der Tag nahm kein Ende,
und das Gebet war kein Trost.
Ein Tag aus Blei.

Wieso sprach niemand unter uns
von Wiedersehen und Wiederkommen?
Niemand von Zukunft?
Nicht vom morgigen Tag;
nicht davon, was nun weiter aus uns würde?

Die Zeit war mit dem Messer durchgeschnitten.
Konnte überhaupt noch Zeit sein?
Hat ER nicht alles mit sich genommen,
was uns zu gehören schien?
Auch das Licht war fort, es war gewittrig und dunkel.

Dieser Tag war schlimmer als der vorhergehende.
Da war Aufregung gewesen,
da geschah etwas,
Schlimmes und Entsetzliches,
aber es bewegte sich etwas.

Jetzt aber: wir saßen wie Schatten in der Unterwelt,
und als es draußen vollends dunkel wurde,
schliefen wir wieder ein.
Was sonst konnten wir tun?

Später dachte ich im Zurückerinnern:
so lebt man im Schattenreich,
wo die Sonne nie scheint.
Noch später dachte ich:
so lebt man ohne ihn.

Luise Rinser
Mirjam
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Hier hören Sie einen Gesang des Osnabrücker Jugendchors zum Karsamstag.
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Hier hören Sie einen Gesang des Osnabrücker Jugendchors zum Karfreitag.
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Hier hören Sie einen Gesang des Osnabrücker Jugendchors zur Nacht auf den Karfreitag.
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Hier hören Sie einen Gesang des Osnabrücker Jugendchors zum Palmsonntag.
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Ein Sehnsuchtslied – hier können Sie es hören.
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Schaukasten-Gedanken

… können für einen kurzen Augenblick ansprechen oder irritieren
oder einfach nur Freude bereiten.

Hier finden Sie die schönsten Exemplare, die vor unseren Kirchen hängen,
zum Anklicken.
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