Kreuzweg

Impulse

Worte können heilen. Und zum Nachdenken bringen. Worte können Mut machen. Und neue Wege aufzeigen. Worte bringen Gefühle zum Ausdruck. Und Sorgen. Und Nöte. Glück und Unglück zeigen sich in ihnen ebenso wie Glauben und Hoffnung. Und natürlich Zuneigung und Liebe. Besonders schön ist es, wenn einem jemand solche Worte sagt. Wenn wir sie persönlich hören. Wenn wir spüren: Der meint mich!

Sie finden auf dieser Seite Gedanken, Erlebnisse, Deutungen, Diskussionsbeiträge, die uns im Pastoralen Team eingefallen sind. Oder die wir anderswo gefunden haben. Und die wir mit Ihnen teilen. Seit Beginn der Corona-Pandemie hat sich das bewährt, vielen Mut gemacht und Lust auf mehr. Das freut uns natürlich sehr. Und deshalb machen wir einfach weiter!

Essays, Geschichten & Gedanken

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Am Brunnen
vor dem Tore
da geht es um die
großen Themen

Der Durst
ist da und einer
der ihn
stillen kann

Zuerst jedoch
muss ich mir
eingestehn dass ich
bedürftig bin

Der nächste Schritt
gelingt dann meist
von ganz allein
Nur wollen muss ich es

Nicht auf alle andern
warten
Aufbruch heißt
das Zauberwort

Loslassen was
mich kettet
an das
was war

und blind sein lässt
für alles was sich
ändern
muss

So befreit
kann ich
das Neue
wagen

Alexander Bergel
12. März
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Vom Sinn des Fastens und warum es wieder viele für sich entdecken – davon berichtet diese Sendung im Deutschlandfunk Kultur vom 26. Februar. Hören können Sie sie hier.
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Was dir
zwischen den Händen
zerbröselt
ist mehr als
Staub

Was dir
alles nicht gelingt
ist so viel
mehr als
Scheitern

Was dir
tot erscheint
zerstört und unbrauchbar
ist mehr als tiefe
Dunkelheit

In alldem
zeigt sich
schon
ein neuer

Anfang

Alexander Bergel
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Kein fauler Zauber
kein magischer Spruch
kein Ritual
kann dich retten
vor dem Bösen
vor Unheil
vor Krankheit
und Tod

Manchmal aber
sind es die alten Worte
und ein Zeichen
die dir helfen können
im Dunklen
den zu erkennen
der dein Licht sein will
und dein Heil

der dir Kraft schenkt
wenn du schwer
zu schlucken hast
am Leben
der dein Gesicht
leuchten lässt
und deine Tränen
trocknet

Alexander Bergel
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Anerkennung – sich in Würde begegnen, aufgehoben sein im liebenden Blick des Gegenübers. Anerkennung ist der lebensnotwendige Stoff auch für das kulturelle Wachstum einer Gesellschaft.

Wo wirtschaftliche Not, Hunger, Armut und Krieg herrschen, wo Menschen aus Gemeinschaften ausgeschlossen werden, geht das kollektive Grundgefühl von Anerkennung verloren. Menschen brauchen Anerkennung. Sie wirkt auf einer existenziellen Ebene, ist das herzliche Ja zu unserem Sein. Was ist das Geheimnis der Anerkennung?

Die Gedanken von Doris Weber vom 15. Januar können Sie hier lesen und hören.
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Andrea Schwarz räumt die Krippe zurück in den Karton.
Welche Gedanken ihr dabei kommen, lesen Sie hier in ihrem Blog vom 9. Januar.
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Dag Heinrichowski stellt den Autor Frank Berzbach vor und bespricht dessen neustes Buch: Ich glaube an Engel, manche fahren Bus. Essays in spiritueller Absicht.

Den Artikel vom 7. Januar finden Sie hier.
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Optimisten haben einen schlechten Ruf. Sie gelten als Wirklichkeitsverweigerer. Erfolg haben dagegen die, die Apokalypsen an den Horizont malen. Mit Angst vor der Zukunft lässt sich Aufmerksamkeit und Geld verdienen. Die Zuversicht hat es dagegen schwer. Diese Haltung richtet sich gegen die, die genau wissen, wann das Ende der Welt zu kommen hat.

Petra Bahr erkundet in ihrem Essay vom 1. Januar die Quellen und die Überzeugungsstile, die Zuversicht gewinnen lassen, jene fast trotzige Anschauung, nach der nicht alles gut, aber vieles sinnvoll sein kann. Hier können Sie ihn lesen und hören.
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Um die Jahreswende haben viele das Bedürfnis, das alte Jahr ausklingen zu lassen und sich neu zu sortieren. Früher wurde in dieser Zeit der Rauhnächte ein eigenes Brauchtum gepflegt – heute entstehen neue Formen.

Den Artikel vom 26. Dezember finden Sie hier.
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Die Würde des Menschen liegt in der Hoffnungslosigkeit – dieses verzweifelte Credo klingt heute erschreckend modern: Doch in seinem wenig bekannten Weihnachtsspiel Bariona oder Der Sohn des Donners zeigt sich der radikale Existenzialist Jean-Paul Sartre auch von einer ungewohnten Seite – berührt vom Wunder der Geburt Jesu und zugleich voller Zweifel.

Könnte Sartres poetisch-existenzialistischer Entwurf auch eine Botschaft für das 21. Jahrhundert sein? Den Beitrag Karin Dzionara vom 18. Dezember können Sie hier hören und lesen.
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Statements, Interviews & Diskussionen

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Ein Gespräch mit dem Religionssoziologen Detlef Pollack über die aktuellen Kirchenaustrittszahlen und wie die evangelische Kirche darauf reagieren sollte.

Das Interview vom 15. März können Sie hier lesen.
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Der katholische Theologe Thomas Söding, Professor für das Neue Testament und Vizepräsident des Synodalen Wegs, hat die Grundlagen von Synodalität in der Bibel untersucht. Eine Woche vor der abschließenden Vollversammlung des Synodalen Wegs ein Gespräch über Anfechtungen, erste Erfolge und den Blick in die Zukunft.

Das Interview im Deutschlandfunk vom 3. März können Sie hier hören.
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In der Geschichte von Institutionen, ja ganzer Gesellschaften kommt es immer wieder vor, dass sie sich nach und nach schmerzlicher Selbstwidersprüche bewusst werden. Das führt notwendig zu harten internen Konflikten. Aktuell passiert das der katholischen Kirche. Was kann man aus vergleichbaren historischen Prozessen lernen?

Die Gedanken von Rainer Bucher vom 2. Februar finden Sie hier.
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In der katholischen Kirche entstehen in der langen Geschichte immer wieder neue Ämter. Der Unsicherheit in der Ausgestaltung des Quasi-Amtes Papa emeritus geht Fabian Brand nach

Seine Gedanken vom 26. Januar können Sie hier lesen.
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Immer mehr Menschen in Deutschland treten aus der Kirche aus. Können sie trotzdem noch Teil der Gemeinschaft sein? Bischof Franz-Josef Bode spricht im katholisch.de-Interview über mögliche Formate – und sein angeschlagenes Image.

Das Interview vom 12. Januar können Sie hier lesen.
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Eine kurze Rede von Benedikt XVI. von 2011 ist das Destillat seines Lebens und des katholischen Konflikts. Es lohnt sich, sie noch einmal anzusehen.

Die Analyse von Raoul Löbert vom 1. Januar können Sie hier lesen.
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Er war seit Jahrhunderten der erste deutsche Papst, später der erste Pontifex der Moderne, der zurücktrat. Nun ist Benedikt XVI. gestorben. In seinem Nachruf lässt der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück die Lebensstationen Benedikts Revue passieren und erinnert an Glanzpunkte und Irritationen.

Den Artikel vom 31. Dezember finden Sie hier.
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Sein Ton war sanft, sein Kampf gegen die Erneuerung der Kirche hart: Benedikt XVI. war ein Theologe auf dem Papstthron – bis er überraschend abdankte.

Einen Nachruf von Wolfgang Thielmann vom 31. Dezember finden Sie hier.
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Der Tod eines Mächtigen provoziert das Nachdenken; Nachdenken über die Zeit seiner Lebensspanne, über seine Taten, über seinen Einfluss, seine Entscheidungen, seine Weggefährten und sein persönliches Schicksal.

Den Nachruf von Florian Bruckmann vom 31. Dezember finden Sie hier.
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Er stand wie kein anderer für die Bewahrung der kirchlichen Tradition. Und doch trat Papst Benedikt XVI. nach nur acht Jahren im Amt zurück – fast einmalig in 2000 Jahren katholischer Geschichte. Jetzt ist Joseph Ratzinger mit 95 Jahren gestorben.

Den Nachruf vom 31. Dezember von Sandra Stalinski können Sie hier lesen und hören.
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Predigten

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Predigt am 4. Fastensonntag 
zu Joh 9,1-41

Sie zieht sich in die Länge, die Heilungsgeschichte des Blinden. So wie kaum eine andere. Sonst geht es meist recht schnell: „Glaubst du, dass ich dir helfen kann?“, fragt Jesus oft. Und wenn der Kranke antwortet: „Ja, ich glaube, dass du mich gesund machen kannst!“, ist es auch schon passiert. Hier ist es anders. Allerdings nicht zufällig. Indem Johannes lang und breit das Umfeld der Heilung beschreibt und viele Nebengeschichten erzählt, macht er eines deutlich: Sich von Gott berühren zu lassen, das geht nicht nebenbei.

Wenn Gott wirklich in unser Leben dringt, dann tut er es ganz. Alles wird davon erfüllt. Meine Vergangenheit, meine Gegenwart, meine Zukunft. Das Umfeld, in dem ich lebe. Meine Gewohnheiten. Meine Denkstrukturen. Meine Unbeweglichkeit. Alles. Und einen weiteren Grund gibt es: Jeder hat seine „blinden Flecken“. Was für den einen völlig klar, gar kein Thema ist – für den anderen wird es zu einer Herausforderung. Und so lade ich Sie ein, sich auf die Suche zu machen nach Ihren „blinden Flecken“. Und damit auch auf die Suche nach Ihren Heilungschancen! Drei Richtungen der Heilungsgeschichte können uns dabei helfen. Vielleicht bleiben Sie ja bei einer hängen:

Die Jünger fragen Jesus: „Wer hat gesündigt, so dass dieser Mann blind ist – er oder seine Eltern?“ Grausame Frage. Denn Gott ist kein Strafender, der Krankheiten verteilt. Auch wenn manche so denken … Aber: Wie oft passiert es, ja wie einfach ist es, Verantwortung für eigenes Handeln auf andere abzuschieben. Oder unbedingt einen Schuldigen finden zu wollen, den es manchmal aber gar nicht gibt. Neige ich dazu?

„Einige der Pharisäer meinten: Dieser Mensch kann nicht von Gott sein, weil er den Sabbat nicht hält.“ Es gibt sie immer wieder: jene Menschen, die genau zu wissen meinen, wo es lang geht. Was richtig ist und was falsch. Wie Gott ist und wie nicht. Gehöre ich zu diesen Leuten?

„Der Blinde antwortete: Ob er ein Sünder ist, weiß ich nicht. Nur das eine weiß ich: Dass ich blind war und jetzt sehen kann.“ Wer kennt das nicht? Man hält sich bei Nebensächlichkeiten auf. Und verliert den Blick für das, was wirklich zählt. Der Blinde setzt die richtigen Prioritäten. Tue ich das auch?

Verantwortung auf andere abwälzen – in eigenen Denkstrukturen gefangen sein – nur das Schlechte sehen: dies können „blinde Flecken“ sein. Krankheiten, von denen Menschen geheilt werden müssten. Wie sieht das bei mir aus? Müsste ich mich dem vielleicht mal stellen?

Alexander Bergel
19. März
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Predigt am 3. Fastensonntag
zu Joh 4,5-42

Es war um die sechste Stunde. Mittagszeit. Heißer geht es kaum. Da kam eine Frau, um Wasser zu schöpfen. In der Frühe, dann wenn alle anderen kamen, war für sie kein Platz. An diesem Mittag aber, da bekommt sie eine Aufmerksamkeit, die alles verändern sollte. Denn auch Jesus ist da. Eigentlich will er sich nur ein wenig ausruhen. Und einen Schluck trinken. Aber ein Schöpfgefäß, das hat er nicht dabei. Die Frau schon. Und er, er hat etwas, das sie gar nicht mehr kennt. Jesus hat ein offenes Ohr. Und Antworten auf ihre Fragen, die sie ganz tief in sich vergraben hat. Jesus gibt der Frau eine Antwort, die in diese Tiefe hinein geht. Er bietet ihr Wasser, das keinen Durst mehr zulässt.

Je länger sie sich unterhalten, desto deutlicher wird der Frau, woher dieses Wasser kommt. Es kommt von einem, der ins Herz schaut. Der zuhört. Der den Menschen so nimmt, wie er ist. Den Menschen mit seiner Geschichte. Mit seinen Verletzungen und Brüchen. Den Menschen mit seinen Fragen und seiner Sehnsucht. Die Frau merkt – vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben: Hier geht es um mich. Dieser Jesus – er wendet sich mir zu. Nur mir. Jetzt. Und er verurteilt nicht. Er bewertet nicht. Er schaut mich an. Und macht aus einer Ausgeschlossenen eine Botschafterin, die sich plötzlich etwas zutraut. Und ihrem Dorf berichtet, was geschehen ist.

Im Gegensatz zu vielen männlichen Verkündern ist der Name der Frau nicht überliefert. Wie so oft. Aber von ihrem Schicksal, von dem, was in ihr steckt, und von dem, was sie sich plötzlich zu trauen wagt, davon sprechen wir bis heute. Zum Glück! Denn auch heute noch gibt es Frauen wie sie. Frauen, die an den Rand gedrängt, die kleingehalten oder sogar verfolgt werden. Und die trotzdem eintreten für ihre Sache. Weil sie spüren: Ich muss es tun! Weil sie spüren: Ich habe einen Auftrag! Weil sie spüren: Wenn nicht ich, wer sonst?

Ich denke an die alte Frau, der ich in der letzten Woche begegnet bin. Ganz plötzlich war da eine Tiefe im Gespräch, mit der ich überhaupt nicht gerechnet hatte. Es war ein Gespräch über ihr Leben. Und über meines. Über ihren Glauben. Und über meinen. Über ihren Kirchenfrust. Und über meinen. Sie hatte schon so vieles erlebt. So viele Aufbrüche kommen und wieder verschwinden sehen. Weil es da die Mächtigen in der Kirche gibt, die einfach sagen: Nein, das machen wir nicht. Sie hat mir erzählt, wie sie sich diesen Mechanismen entgegengestellt hat. Ohne zu verzweifeln. Jahrzehntelang. Und dann sagte mir diese alte Frau: „Sie erleben das ähnlich, oder? Aber geben Sie nicht auf! Dafür ist die Botschaft Jesu zu kostbar!“ Was für ein Gespräch! Ein Jakobsbrunnen-gespräch mitten in Osnabrück.

Ich denke an die Frauen und Männer, die sich an diesem Wochenende zur letzten Versammlung des Synodalen Weges getroffen haben. Sie haben darum gerungen, wie die Botschaft Jesu in unsere Zeit hineingetragen werden kann. Und zwar so, dass die Strukturen der Kirche, ihr Machtanspruch, ihre Entscheidungen, wer würdig ist und wer nicht, dieser Botschaft nicht mehr entgegenstehen. Viele wollen Veränderungen. Manch Mächtige wollen sie verhindern. Als ob es darum ginge, Gott vor irgendetwas schützen zu müssen. Nein, kein Kirchenmann muss Gott retten oder ihn schützen. Jesus selbst hat sich, hat Gott doch verwundbar gemacht. Hat ihn mitten in diese Welt gestellt. In eine Welt mit all ihren Herausforderungen, Krisen und zerstörerischen Dynamiken. Und mitten in dieser Welt hat Jesus seine Arme weit ausgebreitet und zu allen, zu wirklich allen gesagt: „Kommt, die Tore stehen offen!“ Manchmal musste Jesus zwar auch erst lernen, wie grenzüberschreitend diese offenen Arme sind. Nicht selten sogar haben ihm Frauen dabei auf die Sprünge geholfen. Aber er hat sie geöffnet. Und niemand hat das Recht, die Arme wieder zu schließen und Stopp-Schilder aufzubauen.

Ich denke an die vielen Frauen im Iran, die aufstehen gegen das Regime der Mullahs. Die Kopf und Kragen riskieren, weil sie die Wahrheit sagen. Weil sie sich nicht einreden lassen wollen, dass sie minderwertig sind. Weil sie ihre Heilige Schrift, den Koran, nicht lesen als ein Buch der Unterdrückung, sondern als Botschaft, die den Menschen zu Gott führen will. Und nicht in die Folterkammer oder an den Galgen. Am vergangenen Donnerstag waren zwei von diesen Frauen bei uns in St. Franziskus und haben von ihrem Einsatz berichtet, von ihrer Angst, von ihrer Sorge um die vielen Menschen im Iran, die dem Regime ausgeliefert sind. Und die dennoch aufstehen. Weil sie nicht anders können, als ihre Stimme zu erheben.

Immer wieder sind es Frauen, die den Finger in die Wunde legen. Die mutig voran gehen. Die sich nicht zermürben lassen. Die alles auf eine Karte setzen. Die weiterkämpfen, weiter Ausschau halten. Und oft genug auch einfach weiter sind. Weiter im Denken. Weiter im Fühlen. Weiter im Lieben. Davon könnte die Kirche eine Menge lernen. Ich hoffe, dass sie es irgendwann tut. Und ich hoffe, dass sie sich nicht entmutigen lassen, diese Frauen, dass sie nicht aufhören, aufzustehen und weiterzugehen. Die Frauen an den vielen Jakobsbrunnen dieser Welt.

Alexander Bergel
12. März
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Predigt am 1. Fastensonntag
zu Gen 2,7-9.3,1-7 und Mt 4,1-11

Alles ziemlich märchenhaft: Eine sprechende Schlange, schlauer gar als alle anderen Tiere. Adam und Eva in einem schönen Garten mit erlaubten und verbotenen Früchten. Eine nebulöse Versucher-Gestalt bei Jesus in der Wüste, Flüge zum Tempel und andere Zauberkunststücke. Märchenhaftes zuhauf. Und überall dazwischen: der Versucher, der Durcheinanderbringer – das Böse. Wenn wir in unser eigenes Leben schauen – da ist das Böse alles andere als märchenhaft, nebulös. Im Gegenteil: Wer kennt sie nicht, die Fratze des Bösen, wenn Menschen von Bosheit und Hass und Eifersucht geschüttelt werden, wenn Neid und Missgunst das Herz ergreifen, wenn Menschen sein wollen wie Gott, Herren über Gut und Böse, über Leben und Tod? Und manchmal, ja manchmal sind es dann eben nicht nur die anderen, ist es nicht nur das Unheil, das in der großen weiten Welt geschieht. Manchmal ist es das, was bei mir zu Hause los ist. Dort, wo ich meist ziemlich genau weiß, was falsch ist und böse, verletzend und gemein. Und wo ich es trotzdem tue …

Weil das schon immer so war und so ist und vermutlich auch so bleiben wird – genau deshalb versucht die Bibel, uns immer wieder neu auf die Sprünge zu helfen. Beide Geschichten – Adam und Eva mit der Schlange im Paradies und Jesus mit dem Teufel in der Wüste – beide Geschichten konfrontieren den Menschen mit sich selbst. Aufgeklärten Zeitgenossen mag es zwar albern vorkommen, sich mit nackten Tatsachen im Schatten eines Baumes und mit einer sprechenden Schlange beschäftigen zu müssen. Ebenso grotesk werden es viele finden, allen Ernstes an eine dunkle Gestalt glauben zu sollen, die Jesus mal auf die Tempelmauern, mal auf einen hohen Berg zaubert. Und in der Tat: Es sind mythologische Geschichten. Ein Mythos, das muss man wissen, erzählt, was niemals war, aber immer ist. Was niemals war, aber immer ist. Also: Adam und Eva, die beiden hat es so nie gegeben. Doch es gab einen Anfang. Und von Anfang an gab es Adams und Evas Fragen. Fragen, die bis heute unser Leben bestimmen. In ihnen geht es um Glück und Unglück, um Gelingen und Scheitern, um Macht und Ohnmacht, um Ich und Wir, um Leben und Tod. Und um die Freiheit.

Die ersten Seiten der Bibel mit Adam und Eva, Kain und Abel, mit der Arche Noah, dem Turmbau zu Babel und auch manch andere Erzählung des Alten und Neuen Testaments sind bildhafte Versuche, uns die Welt so vor Augen zu führen, wie sie – wörtlich verstanden – vielleicht niemals war, aber doch immer ist. Und in genau dieser Welt erlebt sich der Mensch als ein In-Frage-Gestellter. Denn er muss sich entscheiden. Dieses Sich-entscheiden-Können, das Sich-entscheiden-Müssen ist zutiefst menschlich. Das Erkennen von Gut und Böse und die daraus resultierende Vertreibung aus dem Paradies ist also vielleicht gar nicht so sehr eine Frage des Ungehorsams Gott gegenüber, sondern die logische Konsequenz daraus, dass zum Erwachsen-Sein die Fähigkeit gehört, eigene Entscheidungen treffen zu können – und zu müssen. Allerdings ist das Ergebnis dabei nicht immer ein gutes. Immer dann, wenn eine Folge der Entscheidung bedeutet, sein zu wollen wie Gott, nimmt das Unheil seinen Lauf. Wohin dies führen kann, erleben wir Tag für Tag. Was Jesus ist der Wüste erlebt hat, ereignet sich auch heute noch. Immer und immer wieder.

Wer kommt auch nicht in Versuchung, wenn sich einem so verlockende Möglichkeiten bieten, wie die Bibel es von Jesus in der Wüste berichtet: Macht, Reichtum, Sein-Können wie Gott? Selbst Jesus war davon nicht frei. Er allerdings durchschaut das uralte Spiel. Er entlarvt die Macht-Spiele der Seele. Er lässt sich nicht einwickeln vom Netz des Bösen. Wie er das schafft? Jesus geht den Dingen auf den Grund. Er stellt Fragen, die tiefer gehen. Jesus lehnt es ab, mächtig zu sein um der Macht willen. Jesus befriedigt seinen Hunger nach Leben nicht mit vordergründigen Genüssen. Und er lehnt es ab, sich an die Stelle Gottes zu setzen. Was bei Adam und Eva begann, was Jesus am eigenen Leib erfahren hat, das hört niemals auf. Das Böse wird sich auch weiterhin durch unser Leben schlängeln. Und immer wieder wird es auch uns vor die Wahl stellen. Ja, diese Freiheit – sie ist wohl eine der größten Herausforderungen des Menschseins, das schwierigste Geschenk des Schöpfergottes an Adam und Eva. Eine Herausforderung bis heute. Aber wir haben alle Möglichkeiten. Irgendwo zwischen Adam und Eva auf der einen und Jesus auf der anderen Seite.

Die alten Geschichten der Bibel erinnern uns daran, was zwar nie so war, aber doch immer ist. Kein Märchen, sondern oft genug harte Realität. Zu dieser Realität gehört aber auch, dass Gott einen Ausweg bereithält. Ganz ohne Hexerei. Er hat uns einen Menschen geschenkt, der gezeigt hat, wie das gehen kann. Mit der Freiheit. Mit dem Leben. Und mit der Liebe. In seinem Namen sind wir hier versammelt. Und in seinem Namen könnten wir es doch noch mal versuchen, oder?

Alexander Bergel
26. Februar
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Predigt am 6. Sonntag im Jahreskreis
zu Mt 5,20-22a.27-28.33-34a.37

Klare Kante. Das war sein Ding. Nicht „jaja“, auch kein „eventuell“ und kein „mal schauen“. Im Gegenteil. Er hat gesagt, was er dachte. Und das war meist ziemlich unbequem. Und sehr konkret. Nur – wie stellt er sich das vor? Wer hat ihn denn nicht? Den Bruder oder den Verwandten, den man am liebsten zum Mond schießen würde. Wer kennt sie nicht? Die Situation, in der man sich sehr schwertut, ehrlich zu sein. Oder wer kommt nicht an seine Grenzen, wenn jemand immer und immer wieder in derselben Wunde rumstochert und sich dann wundert, wenn das Ganze explodiert?

Vielleicht ging es Jesus manchmal selbst so. Denn er hat sie ja erlebt, die Menschen. Die Menschen mit ihren Grenzen und Abgründen. Die Menschen in ihrer Verlogenheit. Die Menschen mit ihrem Hass und dem ewigen Drang, es allen zeigen zu wollen. Vielleicht hatte er sogar Verständnis. Verständnis für alle, die das nicht mehr aushalten. Verständnis für die, die sich wehren wollen. Verständnis für jeden, der resigniert und zurückschlägt.

Und trotzdem sagt Jesus: Nein! Bleib bei dir! Lass dich nicht einwickeln von der Tücke des anderen! Lass dich nicht entmutigen von den vielbeschworenen Dingen, die man ja doch nicht ändern kann. Doch, sagt er, man kann die Dinge ändern! Es ist möglich, den Kreislauf des Bösen zu durchbrechen. Und zwar indem du nicht nur jemanden nicht tötest, sondern dem, der dir so querkommt, keine Macht mehr über dich gibst. Es ist möglich, ehrlich zu sein. Lebe so, dass man dir traut. Auch auf die Gefahr hin, dass andere es ausnutzen.

Natürlich, es gibt sie. Die vielen Gründe, immer und immer wieder benannt, warum das alles doch nur Phantasterei und Wunschdenken naiver Weltverbesserer ist. Warum Jesus ja auch nicht ohne Grund am Kreuz gelandet ist, Auferstehung hin oder her. Warum sich seither nichts verändert hat. Nicht mal in der Kirche. Wir müssen uns doch nur umschauen, wie sehr auch in der Kirche gelogen und vertuscht wird, wie sehr auch hier die Macht des Stärkeren gilt und so vieles starr und unbeweglich bleibt bis zum Jüngsten Tag.

Aber dann gibt es doch auch immer wieder die, die sich das anhören und denken: Ihr habt recht! Es ist mühsam. Aber ich versuche es trotzdem! Denn: Ich kann nicht anders! Wie sähe es heute wohl in Heilig Geist und damit in unserer ganzen Pfarrei aus, wenn es nicht diesen Dieter Wellmann gegeben hätte, der Anfang der 80er-Jahre den Laden auf den Kopf gestellt hätte. Ihm ist es gelungen, die damalige katholische Enge und Schwere in eine Weite und Tiefe zu verwandeln, von der nicht wenige bis heute sagen: Diese neue Sicht, diese ganz andere Erfahrung von Glauben – das hat mich gerettet. Sonst wäre ich nicht mehr da.

Dieter hat es anders gemacht. Weil er fest davon überzeugt war, dass die Gebote Jesu den Menschen zwar herausfordern, aber nicht, um ihn klein zu halten und in klerikale Abhängigkeiten zu bringen, sondern um ihm einen unmittelbaren Zugang zu Gott zu schaffen. Denn dieser Gott ist kein Aufpassergott, der durchs Schlüsselloch schaut und alles mit Argwohn betrachtet, was schön ist. Dieser Gott ist keine alte Jungfer, kein Spielverderber und schon gar kein Sadist, der die Menschen quält.

Dieter Wellmann hat mit Lust und Leidenschaft, mit Herz und Verstand von einem Gott gesprochen, der den Menschen in die Freiheit und in die Weite führt. Viele haben ihn gehört. Manche zehren bis heute davon. Dieter hat diesem Gott geholfen, zur Welt zu kommen. Indem er die Armen kannte und ihnen nahe war. Indem er manch unmöglich Geglaubtes möglich machte. Indem er Menschen zutraute, etwas zu können und sich einzubringen.

Dieter sah die Kirche realistisch. Er hinterfragte, analysierte klug und ging dann seinen Weg. Egal, was seine Vorgesetzten dachten. Und im Gegensatz zu seinem Fußballverein, der mal Deutscher Meister gewesen ist, war Dieter niemals mittelmäßig. Alles auf eine Karte, ganz oder gar nicht – das war seine Devise.

Jesus fordert uns heraus. In Zeiten wie diesen, in denen die Kirche, wenn sie ehrlich ist, nicht mehr strahlend in den Spiegel schauen darf, in Zeiten wie diesen, in denen mitten in Europa ein für unmöglich gehaltener Krieg tobt, in Zeiten wie diesen, in denen überall auf der Welt Menschen an Hunger und Krankheit sterben und viele einfach keine Hoffnung mehr haben, in Zeiten wie diesen, in denen alles den Bach runterzugehen scheint – in Zeiten wie diesen brauchen wir den Mut und die Kraft, die Jesus denen verheißt, die ihm vertrauen. Und die dann – trotz allem – dabeibleiben. Und mitgehen. Und gestalten. Und sich blutige Nasen holen. Weil sie wissen, wofür sie es tun. Dieter Wellmann war so einer. Nicht lange zögern. Einfach machen. Er wäre wahrscheinlich schon längst losmarschiert!

Alexander Bergel
12. Februar
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Predigt am 5. Sonntag im Jahreskreis
zu Mt 5,13-16

Salz brennt. Vor allem in der Wunde. Und in genau diese streut Jesus besonders gerne sein Salz. Das macht ihn so unbequem. Am Anfang versucht er, seinen Zuhörern das Ganze noch schmackhaft zu machen: „Ihr seid das Salz der Welt! Ihr könnt das Ganze würzen mit Lebendigkeit und Kraft, Kreativität und Energie!“ Doch erste Zweifel mischen sich in das Gericht hinein: „Wenn das Salz seinen Geschmack verliert – womit kann man es wieder salzig machen?“

Ja, mit dem Salz ist das so eine Sache. Wir alle wissen, was das bedeutet: zu viel, zu wenig, gar kein Salz. In der Suppe und im Leben. Und wir alle wissen, dass diese schönen plastischen Alltagsbeispiele Jesu keine idyllischen Wellnessratgeber sind, wie man sie in der Landlust oder in der Happynez finden kann. Nein, diese schönen plastischen Alltagsratgeber sollen dem Publikum Jesu mal wieder auf die Sprünge helfen. Und so wird die Rede von der Würzkraft des Salzes zum Salz in der Wunde. Zum Salz in den vielen Wunden, die sich im Laufe eines Christenlebens einstellen können: „Ach, warum soll ich anfangen? Tut ja sonst auch keiner! Hat doch eh alles keinen Sinn – was kann ich kleiner unbedeutender Mensch schon ausrichten? Und: Was hat mir das denn gebracht? Nur Ärger!“ Ja, irgendwie stimmt das alles. Und trotzdem ist alles falsch.

Ich stelle mir vor, Jesus würde darauf seine Antworten geben. Anhören könnte sich das so: „Ja, lieber Mensch, du hast Recht. Die Leute sind unvernünftig, unlogisch und selbstbezogen –liebe sie trotzdem. Das Gute, das du tust, wird morgen vergessen sein – mach es trotzdem. Ehrlichkeit und Offenheit machen dich verwundbar – sei trotzdem ehrlich und offen. Was du in jahrelanger Arbeit aufgebaut hast, kann über Nacht zerstört werden – baue trotzdem weiter. Deine Hilfe wird wirklich gebraucht, aber die Leute greifen dich vielleicht an, wenn du ihnen hilfst – hilf ihnen trotzdem. Gib der Welt dein Bestes, und sie schlagen dir die Zähne aus – gib der Welt trotzdem dein Bestes.“

Dasselbe Salz, das der Welt ihren Geschmack geben kann, schmerzt in unseren Wunden. Als Jüngerin, als Jünger Jesu unterwegs zu sein – das bleibt eine Herausforderung. Aber genau das traut er uns zu. Dazu brauchen wir keine Superkräfte. Nur ein bisschen Mut. Und ein, zwei Leute, die mitgehen. Menschen, die nicht glauben wollen, dass die Argumente der Macht, der Angst und des Marktes das letzte Wort behalten. Solche Menschen zu finden, um gemeinsam Salz zu sein in der Welt, wie sie ist – sind wir nicht auch deswegen hier?

Alexander Bergel
5. Februar
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Predigt an Erscheinung des Herrn
zu Mt 2,1-12

Manchmal möchte man nur noch das Weite suchen. Möchte weg. Alles stehen und liegen lassen. Und irgendwo ganz neu anfangen. Wer kennt es nicht, dieses Gefühl? Diesen Drang: Weg von dem, was immer schon so war oder einfach nur noch mühsam ist. Oder aussichtslos. Verkorkst. Nicht mehr zu schaffen. Denn eigentlich ist alles gesagt. Eigentlich ist alles getan. Eigentlich ist alles versucht. Für manchen ist der Drang, wegzulaufen, unendlich groß. Egal wohin.

Manchmal aber, da gibt es – neben allem, was gescheitert ist, neben allen aussichtlosen Versuchen, eine positive Wende hinzubekommen, neben allem, was so schwer und unlösbar scheint – manchmal, da gibt es nicht zuerst den Drang wegzulaufen, sondern die Sehnsucht, zu neuen Ufern aufzubrechen. Neue Welten zu entdecken. Die Perspektive zu wechseln. Mit anderen Augen auf das zu blicken, was man immer schon getan hat. Nicht das, was war, ist dann entscheidend, sondern das, was kommt.

Welche Gründe hatten wohl die Weisen aus dem Morgenland, sich auf den Weg zu machen? Sie waren Sternkundige. Vermutlich Priester, also Gott-Sucher und Gottes-Künder. Weise Männer. Reich an Erfahrung. Hatten sie all das satt? Wollten sie es hinter sich lassen? Woanders Antworten finden, die sie zuhause nicht bekamen? Was waren das für Menschen? Waren sie resigniert? Am Ende mit ihrem Latein? Ausgebrannt?

Oder war das gar nicht ihr Thema? Waren Sie – ganz im Gegenteil – voller Tatendrang, offen für Neues, voller Sehnsucht danach, nicht alles hinter sich zu lassen, sondern mit dieser Erfahrung im Gepäck, mit all dem, was sie ausmacht, mit allem, was sie erlebt und erlitten hatten, etwas Neuem zu begegnen?

einen stern
vor augen

die angst
im nacken

sehnsucht
im herzen

es gibt
viele gründe

warum menschen
das weite suchen

aber wohin du
auch gehst

einer ist
schon da

der dich
erwartet

Wer sich auf die Suche nach Gott macht, nimmt sich selbst immer mit. Weglaufen geht nicht. Das Schwere gehört genauso zu mir wie das Leichte. Das Verkorkste genauso wie das Klare. Die verwirrenden Gefühle der Unsicherheit genauso wie der plötzliche Durchblick. Wenn nur die Sehnsucht da ist! Die Sehnsucht danach, ganz zu sein. Zu diesem Ganz-Sein gehören alle Facetten des Lebens. Manchmal muss man Gewohntes hinter sich lassen, um das zu entdecken. Manchmal kommen Menschen von außen, die mir das zeigen. Immer aber muss das Herz in Bewegung bleiben.

Dass dies keine graue Theorie ist, sondern erfahrene Wirklichkeit, davon kündet das heutige Fest. Ein Stern weist den Weg. Herzen sind in Bewegung und führen in die Weite. Und – das ist wohl das Entscheidende – egal wohin du auch gehst: Einer ist immer schon da und nimmt dich in Empfang. Einer ist immer schon da, der den Stern leuchten lässt in deine dunkle Nacht hinein. Er ist sogar schon da, wenn du noch überlegst: Wohin geht meine Reise eigentlich?

Alexander Bergel
8. Januar
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Predigt zum Jahreswechsel
zu Lk 2,16-21

Wo führt das alles hin? Vielleicht hat sie das gedacht. Denn was sie bisher erlebt hatte, war alles andere als normal. Vielleicht war es nur ein kurzer Moment. Irgendwo zwischen Windelwechsel und erschöpftem Einschlafen. Ein kurzer Moment der Rückschau. Und die bange Frage: Wo führt das alles hin? Es waren aufregende Monate gewesen. Wirklich verstanden hatte sie es vermutlich nicht sofort, als der Engel zu ihr kam und sagte: „Maria, Gott hat Großes mit dir vor! Machst du mit?“ Es ist auch schwer zu verstehen. Mehr und mehr wuchs in ihr aber wohl die Zuversicht, dass es gehen kann: „Ja, ich gehe diesen Weg. Wohin auch immer der führen mag!“ Bei uns stehen eher selten Engel vor der Tür und fragen, ob wir Gottes Plan unterstützen wollen. Aber die Frage: Wo führt das alles hin? – diese Frage kennen wir doch auch.

Ja, wo wird das alles hinführen? Wo führt es hin, dass diese Welt von einer Krise in die nächste schlittert? Wo führt es hin, dass Arme immer ärmer und Reiche immer reicher werden? Wo führt es hin, dass die Gesellschaften überall auf dem Globus immer zerrissener sind? Wo führt es hin, dass wir seit Jahren spüren, wie sehr die Strukturen unserer Kirche Machtmissbrauch begünstigen und das Leben von Schutzbefohlenen, von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, zerstört wird? Wo führt es hin, wenn viele Kirchenführer noch immer nicht bereit sind, wirkliche, das heißt: heilsame Konsequenzen zu ziehen? Wo führt es hin, dass immer weniger Menschen in der Kirche ihr Zuhause finden? Wo führt es hin, dass selbst Menschen, die zum Kern der Gemeinde gezählt haben, nicht mehr kommen? Ja, wo führt das alles hin?

Die Frage: Wo führt das alles hin? versetzt viele in Angst und Schrecken. Und sie macht müde, diese Frage, ungeheuer müde. Immer mehr Menschen sagen von sich: Ich kann nicht mehr. Ich bin fertig. Kriegsangst, Klimakrise, Konflikte überall, kein Geld mehr am Monatsende, eine Kirche, die sich nicht mehr nach Heimat anfühlt und viel vergebliches Tun, egal, wohin man schaut. Was bringt es denn noch? Manche möchten sich einfach nur noch zurück- und die Decke über den Kopf ziehen, Augen zu und irgendwie durch. Eine Zeit lang mag das funktionieren. Aber als Lebenskonzept taugt das wohl nicht. Nur, wie kann es aussehen – ein Lebenskonzept, mein Lebenskonzept? Vielleicht hilft der Blick in das Leben jenes Menschen, in dessen Namen wir hier sind.

Der Weg Jesu – er war nie der eines strahlenden Helden. Von Anfang an war sein Leben ein Leben an der Grenze. Unterwegs geboren, draußen vor der Stadt, von Anfang an konfrontiert mit der Gnadenlosigkeit der Mächtigen, musste auch Jesus seinen Weg erst finden. Musste suchen, wie das gehen kann: eins zu sein mit Gott – aber nicht in einer Traumwelt, nicht an der Welt vorbei, sondern mitten in ihr. Jesus hat die Welt erlebt, wie sie ist. Er hat die Liebe seiner Eltern geschenkt bekommen. Aber nicht das Paradies. Er hat die Schriften seines Volkes kennengelernt. Aber nicht im Rahmen einer Märchenstunde abends am Lagerfeuer. Wer Jesus reden hört, der spürt: Die alten Geschichten von Berufung und Ermutigung, von Befreiung und Rettung, die haben sich deshalb so tief in seine Seele eingegraben, weil sie ihn haben spüren lassen: Darauf kann ich mein Leben bauen! Das ist es doch, wonach sich auch heute so viele sehnen, oder? Diesen einen Grund zu haben, auf den ich mein Leben bauen kann.

Bei allem, was mich so manches Mal sprachlos werden oder gar verzweifeln lässt, bei allem, wo die Übermacht des Faktischen so groß ist, immer dann, wenn ich mich frage: Wohin soll das eigentlich alles führen? – immer dann versuche ich, mich zu erinnern. Zu erinnern an Menschen, die trotz alledem nicht aufgehört haben zu hoffen und zu vertrauen. Ich denke an die Frau, die jahrelang Missbrauch erlebt hat und kämpft und kämpft und immer weiter kämpft, und die in diesem Jahr an Weihnachten einen solchen Frieden in sich gespürt hat, dass ihre leuchtenden Augen für alle in ihrer Nähe wohl das größte Weihnachtsgeschenk waren. Ich denke an die Frauen im Iran, die sich nicht davon abbringen lassen, für ihre Rechte einzutreten, weil sie den Mullahs, die meinen, sie wüssten genau, was Gott will, aber eigentlich nur Angst um ihre Macht haben, den Kampf ansagen. Ich denke an die vielen Frauen und Männer, an die Kinder und Jugendlichen, die sich einsetzen dafür, dass die Fragen nach Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung auf der Tagesordnung bleiben. Ich denke an die Menschen, die in unserer Pfarrei nach Wegen in die Zukunft suchen und dableiben. Und zwar nicht, weil man die Form von Kirche, wie wir sie kennen, unbedingt erhalten muss, sondern weil sie möchten, dass das, was Jesus gelebt, was er verkündet hat und wofür er gestorben ist, nicht in einem institutionellem Kirchensumpf untergeht.

Wo führt das alles hin? Das ist die Frage. Wer ehrlich mit sich ist, muss sagen: Ich weiß es nicht. Der Blick in die eigene Geschichte, der Blick auch in die Geschichte derer, die an diesem Gott festgehalten haben, zeigt doch: Niemand wusste jemals und weiß und wird vermutlich jemals wissen, wohin die Reise geht, wohin all das führt. Aber solange es Menschen gibt, die diese Unsicherheit miteinander aushalten, solange es Menschen gibt, die einander fragen: „Worauf baust Du eigentlich Dein Leben?“, solange es Menschen gibt, die Kraft schöpfen aus dem Glauben an einen Gott, der in Jesus Hand und Fuß bekommen hat, solange es Menschen gibt, die deshalb immer wieder nach Wegen suchen am Abgrund vorbei – so lange habe ich die Hoffnung, dass kein Unheil der Welt mein Leben zerstören kann. Und mit dieser Hoffnung gehe ich in ein neues Jahr. Am liebsten mit Ihnen zusammen!

Alexander Bergel
31. Dezember
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Predigt an Weihnachten
zu Jes 9 und 11 und Lk 2,1-15

Wenn ein Kalb mit einem Löwen grast und ein Kind sie hüten kann … Wenn ein ganzes Volk auf einmal ein strahlendes Licht erblickt … Wenn eine jede und ein jeder sich dorthin auf den Weg macht, wo sie, wo er geboren wurde … Wenn diese Begebenheiten aufeinandertreffen, so wie eben in den Texten des Alten und Neuen Testaments gehört, bei Jesaja und Lukas, dann, ja dann sind wir mittendrin in dem Versuch, die Geschehnisse rund um Weihnachten zu beschreiben, zu ertasten, zu erfühlen, zu erahnen.

Und wir lassen uns ein wenig verzaubern von den Kerzen, gleich noch von dem Duft des Weihrauches, vom Gesang, den biblischen Erzählungen, von unseren Sehnsüchten, vom Anblick der wundervoll gestalteten Krippe, die in diesem Jahr von den Kindern der Kita St. Antonius mitgestaltet wurde. Das alles möchte uns auf den einen Punkt hinführen: Gott als Mensch – und zwar mit aller Konsequenz und genau so, wie Leben immer beginnt. Mit der Geburt. Sein Leben beginnt im Stall, mit Hirten und Schafen, Ochs und Esel und Stroh und einem leuchtenden Stern. So steht es (jedenfalls) geschrieben …

Geschichten zu hören, und wir reden hier von unserer Lebens- und Glaubensgeschichte, bringt in mir manchmal die Frage zum Vorschein, wer oder was wäre ich gerne gewesen, als Zeitzeuge, ja, wenn ich hätte dabei sein können … Da ich gerne am Feuer sitze, wollte ich lange ein Hirte sein – natürlich auch deshalb, weil ich dann ein echter Entdecker gewesen wäre … Die Hirten haben mich immer fasziniert. Sie sind so ruhig, haben alles im Blick und übersehen auch Kleinigkeiten nicht. Und sie kennen ihre Herde. Jede und ein jeder von uns hat vielleicht schon einmal darüber nachgedacht, welche Rolle sie/er in dieser Geschichte einnehmen würde … Wenn nicht, nur Mut! Und stellen Sie sich dabei die Frage: Was bewegt mich daran am meisten?

Die Botschaft von Weihnachten ist klar und undurchsichtig, hell und dunkel, kalt und warm zugleich. Sie fragt uns an, fordert uns heraus. Wir haben den Wunsch nach Wärme und Licht und wissen doch zu genau, dass es das an vielen Stellen nicht gibt. Nicht jetzt, nicht morgen und auch in naher Zukunft nicht … Und jetzt wird es gefährlich für mich. Warum? Es ist die Stelle der Erklärungsversuche, aber wie? Weihnachten politisch werden? Die Klimafrage und damit die Frage nach der Zukunft der Menschheit stellen? Kirchenkritik äußern? Die Kriege und den Hunger missbilligen und sofortigen Stopp fordern? Die Dinge beim Namen nennen? Aber wie damit anfangen? Dieses Kind im Stall als Heilsbringer für alles verherrlichen und missbrauchen?

Ich kann Ihnen nur sagen: Weihnachten zerreißt mich immer wieder aufs Neue. Ich glaube an diesen Gott, ich glaube an das Kind im Stall, ich glaube an Jesus den Christus, der alles versucht hat um Frieden zu stiften in seinem kurzen Leben … Und an manchen Tagen sind die Zweifel größer als der Glaube … All das kennen wir … Ich möchte einfach in diesen Stall schauen und für einen Moment sagen dürfen: Alles wird gut! So wie Eltern es ihren Kindern sagen, wenn sie sie tröstend auf dem Arm halten. Und ich möchte es glauben können – dieses „Alles wird gut!“. Wird es aber nicht. Jedenfalls nicht immer und nicht immer sofort und schon gar nicht, wenn ich es gerne hätte … Dieses Kind im Stall, dieser Jesus von Nazareth wird für seine Botschaft am Kreuz enden, und es wird nicht dabei bleiben. Es wird das Leben siegen, und es wird Ostern folgen. So unser Glaube … So unsere Hoffnung …

Wie Eltern ab der Geburt ihres Kindes dieses ein Leben lang begleiten, so begleitet uns dieser Jesus von Nazareth vom Stall aus mit all seinen Erlebnissen und Geschichten … Unser Leben, mein Leben lang, wenn ich es zulasse. Verbunden mit unzählig vielen Fragen, Gedanken, Aufforderungen … Wenn ein Kalb mit einem Löwen grast und ein Kind sie hüten kann … Wenn ein ganzes Volk auf einmal ein strahlendes Licht erblickt … Wenn eine jede und ein jeder sich dorthin auf den Weg macht, wo sie, wo er geboren wurde … Wenn wir den Glauben daran nicht verlieren, das Wunder dieser Tage zu beschreiben, zu ertasten, zu erfühlen, zu erahnen … Wenn wir das zulassen, kann in Ihnen, in uns, in mir diese heilige Nacht anbrechen …

Dirk Schnieber
24. Dezember
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Predigt an Weihnachten
zu Lk 2,1-15

Eigentlich ist doch schon alles gesagt. Über dieses Kind. Und über das, was damals in Betlehem geschah. Oder? Tausendmal schon haben Sie gehört, dass Gott Mensch geworden ist. Einer von uns. Dass er eine Brücke geschlagen hat. Von seiner Welt in unsere. Sie haben gehört, dass Weihnachten das Fest der neuen Anfänge ist. Weil Gott selbst diesen einzigartigen Anfang gesetzt hat, nachdem alles andere nicht wirklich funktioniert hat, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Wie oft haben Sie all das wohl schon gehört und gedacht: Schön, wenn all das wahr wäre! Aber dann ist da die Realität. Und vor der können wir nicht weglaufen. Nicht mal an Weihnachten.

Wir können nicht weglaufen davor, dass die Welt immer sicherer am Abgrund steht. Können nicht weglaufen davor, dass Kriege toben, nicht mehr nur weit weg, am anderen Ende der Welt, sondern fast vor unserer Haustür. Wir können nicht weglaufen davor, dass immer mehr Menschen immer ärmer werden, vielleicht sogar im Haus, im Wohnblock gegenüber. Wir können nicht weglaufen davor, dass grenzenloser Hass einfach nicht einzudämmen ist, dass die Natur stöhnt wie nie zuvor, dass Minderheiten gedemütigt und verfolgt werden, dass korrupte Menschen gut durchkommen, dass diese Idee Gottes, er selbst kommt in die Welt, um von innen heraus den Neustartknopf zu drücken – am Ende nichts verändert hat.

Und doch sind Sie hier. Obwohl Sie all das wissen. Und obwohl Sie all die Antworten kennen, die an Weihnachten gegeben werden, aber sich doch irgendwie nach Vertröstung und Märchen am Lagerfeuer anhören. Sie sind hier. Und warten. Vielleicht darauf, dass Sie etwas hören, das Sie überzeugt. Nur – was könnte das sein? Ich glaube, die Antwort darauf tragen Sie bereits tief in sich. Ihre Sehnsucht nämlich. Die Sehnsucht danach, dass das, was wir hier feiern, wahr ist. Und die Kraft hat, Ihr Leben zu prägen und zu stärken.

Auch wenn schon so ziemlich alles gesagt wurde über dieses Kind und über das, was an Weihnachten geschah – entscheidend wird sein, was dies in Ihnen auslöst. Die alten prophetischen Worte vom Licht in der Dunkelheit, die Fabel vom Löwen und dem Lamm, die friedlich beieinander liegen, die Botschaft vom blutbefleckten Hemd, das ein für alle Mal im Feuer verschwindet, und diese einzigartige Geschichte von Maria und Josef, die mitten in der Nacht Zeugen davon werden, wie ein Kind das Licht der Welt erblickt – all das ist eben keine Beruhigungspille, sondern fleischgewordene Erfahrung, dass es sich zu leben lohnt. Dass unsere Möglichkeiten größer sind, als wir oft ahnen. Dass Ungeheures Wirklichkeit werden kann, wenn wir uns dem öffnen. Auch wenn es nur einen Augenblick lang dazu führt, das Gefühl zu haben: Ich bin geliebt. Und gewollt. Und: Ich kann etwas tun.

Genauso fing es doch damals auch an. Oder glauben Sie, dass Maria sofort wusste, was sie tun sollte, als der Engel wieder weg war? Jener Engel, der ihr gesagt hatte, sie werde die Mutter des erwarteten Messias. Nein. Denn diese Engelsstimme hatte alles durcheinander- gewirbelt. Maria brauchte Zeit. Zeit, um zu verstehen, was Gott mit ihr vorhatte. Oder Josef.

Er hätte gute Gründe gehabt zu gehen. Von wegen Heiliger Geist und so. Aber was macht er? Er bleibt. Auch er horcht tief in sich hinein. Und hört dort eine Stimme, die ihn fragt: Du hast recht, Josef, es ist alles ziemlich verrückt. Aber bleibst du trotzdem? Oder die Hirten, die Outlaws jener Tage, die missachtet wurden von denen, die es zu etwas gebracht hatten – sie sitzen im Dunklen, und dann begegnen sie völlig unerwartet einem Kind, das ihr Gesicht zum Leuchten bringt.

Geht es nicht genau darum? Dass in uns etwas zu leuchten beginnt? Weil wir spüren, dass das, was wir hier und heute feiern, nicht nur die Erinnerung an etwas längst Vergangenes ist, sondern in uns und durch uns wirken kann? Auch wenn über dieses Kind schon so unendlich viel gesagt wurde, auch wenn viele zurecht fragen: Was bringt es mir? Auch wenn Weihnachten nicht die Antwort auf alle Fragen bietet – eines könnte doch geschehen: Dass wir entdecken, wie in uns Weihnachten wird, wie der armselige Stall in uns mit Glanz erfüllt wird, wie in uns der Frieden wächst und wie durch uns die Sehnsucht nach alldem eine Stimme bekommt, die man nicht überhören kann. Ich kann es Ihnen nicht versprechen, aber vielleicht beginnt Ihr Gesicht dann ganz voll allein zu leuchten …

Alexander Bergel
24. Dezember
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Predigt am 4. Adventssonntag
zu Mt 1,14-28

Was wäre, wenn Josef das Spiel nicht mitgemacht hätte? Wenn er seiner Frau nicht geglaubt, wenn er vielmehr gesagt hätte: „Du, wenn das alles so war, wie du sagst, Maria, dann kann sich doch auch der Heilige Geist um euch kümmern!“ Hat er aber nicht. Was Josef gesagt hat, was er jemals gesagt hat, das weiß niemand. Kein einziges Wort ist von ihm überliefert. Was er getan hat hingegen, davon sprechen wir bis heute.

Josef war sensibel genug, um auf das zu hören, was tief in ihm geschieht. Er achtet auf seine Träume. Auf das, was sprachlos in ihm schlummert und worin sich vielleicht sogar eine göttliche Botschaft verbirgt. Und Josef war stark genug, um nicht gekränkt das Weite zu suchen. Er will wissen, was los ist. Aber als er eine Antwort bekommt, die – gelinde gesagt – ungewöhnlich ist, fasst er sich ein Herz. Und bleibt.

Hören und bleiben – zwei nicht immer ganz leichte Reaktionen auf das, was einem das Leben an Herausforderungen präsentiert: die Ohren nicht verschließen vor unbequemen Botschaften und bleiben, wenn eigentlich alles zum Weglaufen ist. Die Frage, ob Gott nicht auch hätte Mensch werden können, wenn der Heilige Geist vielleicht ganz natürlich durch einen leiblichen Vater gewirkt hätte, kann ich für mich eindeutig mit Ja beantworten. Mir ist es nicht besonders wichtig zu wissen, wie sich die Zeugung Jesu abgespielt hat.

Erzählungen wie diese wollen das auch gar nicht bis ins Letzte durchbuchstabieren. Ihnen geht es vielmehr darum zu zeigen, was passiert, wenn Menschen offen bleiben für Gottes Wirken in der Welt. Gott konnte Mensch unter Menschen werden, weil eine Frau sich hat berühren lassen von einer Frage. Und weil ein Mann nicht weggelaufen ist, obwohl es jeder verstanden hätte. Manchmal hätte ich auch lieber eine klare Antwort. Wüsste am liebsten immer, woher etwas kommt, warum etwas so ist, und wohin die Reise geht. Aber die Realität ist meist eine ganz andere.

Am Beginn der Weihnachtsgeschichte begegnet uns eine Frau, durch die etwas ganz Neues geschehen konnte. Weil sie Unmögliches für möglich hielt. Und uns begegnet ein Mann, der seiner Frau glaubte und so Gott half, zur Welt zu kommen. Eine Mutmachgeschichte aus ferner Vergangenheit. Ob mir das Mut macht zu bleiben, wenn eigentlich alles zum Weglaufen ist?

Alexander Bergel
18. Dezember
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Gebet, Musik & Poesie

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Ein Sehnsuchtslied – hier können Sie es hören.
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15 Chöre (überwiegend aus der Region Osnabrück, die 2023 das 375. Jubiläum des Westfälischen Friedens feiert) setzen ein musikalisches Zeichen für den Frieden und singen gemeinsam Imagine von John Lennon.

In Zeiten, die leider weltweit von Krieg, Menschenrechtsverletzungen, Hass und Gewalt geprägt sind, eine immer wieder wichtige Botschaft und gerade für die anstehende Adventszeit eine Anregung, auch im Kleinen und bei uns selbst Frieden zu stiften.

Das Lied können Sie hier hören.
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Ich denk‘, ich schreib‘ euch besser schon beizeiten
Und sag‘ euch heute schon endgültig ab
Ihr braucht nicht lange Listen auszubreiten
Um zu sehen, dass ich auch zwei Söhne hab‘!

Ich lieb‘ die beiden, das will ich euch sagen
Mehr als mein Leben, als mein Augenlicht
Und die, die werden keine Waffen tragen!
Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht
Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht!

Ich habe sie die Achtung vor dem Leben
Vor jeder Kreatur als höchsten Wert
Ich habe sie Erbarmen und Vergeben
Und wo immer es ging, lieben gelehrt!

Nun werdet ihr sie nicht mit Hass verderben
Keine Ziele und keine Ehre, keine Pflicht
Sind’s wert, dafür zu töten und zu sterben
Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht
Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht!

Ganz sicher nicht für euch hat ihre Mutter
Sie unter Schmerzen auf die Welt gebracht
Nicht für euch und nicht als Kanonenfutter
Nicht für euch hab‘ ich manche Fiebernacht

Verzweifelt an dem kleinen Bett gestanden
Und kühlt‘ ein kleines glühendes Gesicht
Bis wir in der Erschöpfung Ruhe fanden
Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht
Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht!

Sie werden nicht in Reih‘ und Glied marschieren
Nicht durchhalten, nicht kämpfen bis zuletzt
Auf einem gottverlass’nen Feld erfrieren
Während ihr euch in weiche Kissen setzt!

Die Kinder schützen vor allen Gefahren
Ist doch meine verdammte Vaterpflicht
Und das heißt auch, sie vor euch zu bewahren!
Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht
Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht!
Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht!

Ich werde sie den Ungehorsam lehren
Den Widerstand und die Unbeugsamkeit
Gegen jeden Befehl aufzubegehren
Und nicht zu buckeln vor der Obrigkeit!

Ich werd‘ sie lehr’n, den eig’nen Weg zu gehen
Vor keinem Popanz, keinem Weltgericht
Vor keinem als sich selber g’radzustehen!
Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht
Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht!

Und eher werde ich mit ihnen fliehen
Als dass ihr sie zu euren Knechten macht
Eher mit ihnen in die Fremde ziehen
In Armut und wie Diebe in der Nacht!

Wir haben nur dies eine kurze Leben
Ich schwör’s und sag’s euch g’rade ins Gesicht:
Sie werden es für euren Wahn nicht geben!
Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht
Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht!

Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht
Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht!

Reinhard Mey

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Zum Video von Reinhard Mey and friends kommen Sie hier
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Ein Klassiker zu Epiphanie.
Hier können Sie ihn hören.
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Ein kleines musikalisches Juwel – entstanden in unserer Gemeinde.
Hier können Sie es hören.
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Erwartung bewegt …

Maria durch ein Dornwald ging,
Kyrie eleison.
Maria durch ein Dornwald ging,
der hat in sieben Jahrn kein Laub getragen.
Jesus und Maria.

Was trug Maria unter ihrem Herzen?
Kyrie eleison.
Ein kleines Kindlein ohne Schmerzen,
das trug Maria unter ihrem Herzen.
Jesus und Maria.

Da haben die Dornen Rosen getragen,
Kyrie eleison.
Als das Kindlein durch den Wald getragen,
da haben die Dornen Rosen getragen.
Jesus und Maria.

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Lied im Gotteslob Nr. 224
Text: August von Haxthausene

Das gesungene Lied finden Sie hier.
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Poetische Gedanken von Hildegard König in der Zeit vor dem Pfingstfest
finden Sie hier.
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»Weib, was weinest du?« Einer der berührendsten Gesänge zum Osterfest.

Es gäbe sicher nach wie vor so manches, was nicht nur Frauen in dieser Kirche zu beweinen hätten. Aber es gab und es gibt sie dennoch immer noch: die Verkünderinnen dieser einen unglaublichen Botschaft. Sollte deren Kraft, die schon einmal nicht nur Felsen vor Grabhöhlen in Bewegung brachte, nicht auch heute Steine wegzuräumen in der Lage sein?

Den Gesang aus den Osterdialogen von Heinrich Schütz können Sie hier hören.
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Ich konnte keinen Schlaf mehr finden.
Wenn ich wenigstens zum Grab gehen könnte.
Aber die Wachsoldaten.
Oder nach Golgotha, der Blutspur nach.
Oder zu Josef oder zu Nikodemus.
Irgendwohin.
Was tun mit dem ganzen langen Schabbat?

Ich saß so da und dachte nichts als: Er ist fort. Er ist tot.
Fort und tot.
So jung noch. Und schön.
Und jetzt beginnt dann die Verwesung.
Wenn ich doch mein letztes Fläschchen von dem Königsöl
über ihn hätte ausgießen können,
über sein Gesicht,
das so blutig war,
das eine Auge verletzt und verklebt,
nie mehr werde ich dieses Gesicht sehen.

So versunken in meine Trauerqual war ich,
dass es mir kein Trost war zu denken:
Er hat gesagt, drei Tage,
dann das Wiedersehen.

Nein, nein, das hatte er nicht wörtlich gemeint.
Drei Tage, wie lang war das für ihn?
Zähl nicht nach Tagen, Mirjam,
zähl wie ich in Äonen.
Und das Wiedersehen:
wo denn, wie denn?
Nein, das war alles kein Balken, an dem ich mich halten konnte.

Nach und nach wachten alle auf.
Veronika brachte uns das vorbereitete Schabbatmahl.
Man aß aus Höflichkeit ein paar Bissen.
Schimon schlief und war nicht zu wecken.
Jeschuas Mutter sagte: Jochanan,
bete alle Psalmen, die du im Gedächtnis hast.
So begann er von Anfang:
Selig der Mann, der nicht im Rat der Gottlosen wandelt…
Wenn er nicht mehr weiterwusste,
sprang einer von uns ein.
So beteten und beteten wir,
und der Tag nahm kein Ende,
und das Gebet war kein Trost.
Ein Tag aus Blei.

Wieso sprach niemand unter uns
von Wiedersehen und Wiederkommen?
Niemand von Zukunft?
Nicht vom morgigen Tag;
nicht davon, was nun weiter aus uns würde?

Die Zeit war mit dem Messer durchgeschnitten.
Konnte überhaupt noch Zeit sein?
Hat ER nicht alles mit sich genommen,
was uns zu gehören schien?
Auch das Licht war fort, es war gewittrig und dunkel.

Dieser Tag war schlimmer als der vorhergehende.
Da war Aufregung gewesen,
da geschah etwas,
Schlimmes und Entsetzliches,
aber es bewegte sich etwas.

Jetzt aber: wir saßen wie Schatten in der Unterwelt,
und als es draußen vollends dunkel wurde,
schliefen wir wieder ein.
Was sonst konnten wir tun?

Später dachte ich im Zurückerinnern:
so lebt man im Schattenreich,
wo die Sonne nie scheint.
Noch später dachte ich:
so lebt man ohne ihn.

Luise Rinser
Mirjam
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Wie konnte das gescheh’n?
Ich kann es nicht versteh’n!
Warum bist du jetzt fort?

Ich kann dich in mir hören,
es ist als wärest du noch hier.
Ich bin bei dir,

doch du bist nicht da.
Wo bist du hingegangen?
Und kommst du jemals wieder?

Wohin bist du gegangen?

Martin Holtgrewe
16. April
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Schaukasten-Gedanken

… können für einen kurzen Augenblick ansprechen oder irritieren
oder einfach nur Freude bereiten.

Hier finden Sie die schönsten Exemplare, die vor unseren Kirchen hängen,
zum Anklicken.
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