Predigtgedanken zu Weihnachten
Meine Königin ist eine von vielen König:innen, die der Diakon und Künstler Ralf Knoblauch geschaffen hat. Sie repräsentieren die Menschenwürde – er hat sie gebildet aus seinen Erfahrungen mit den Menschen, die ihm täglich begegnen in sozialen Brennpunkten seiner Umgebung. Sie wollen sagen: Auch du bist eine Königin, ein König. Meine Königin ist verletzt – aber sie steht aufrecht, ihre Krone auf dem Kopf. Sie lässt sich berühren, anfassen, sie wird be-greif-bar.
Was feiern wir heute? Gott wird Mensch – menschlich – in diesem Baby, das da von Maria geboren in Betlehem zur Welt kommt, als Mensch unter Menschen, also ganz nahe, greifbar, er will den Menschen begegnen, uns begegnen. Genau wie meine Königin, die sich berühren lässt, anfassend, be-greif-bar wird: ja – ich bin wertvoll, bin angenommen, ich bin auch ein König, eine Königin.
Die strahlenden Gesichter, die glücklichen Augen müsstest ihr mal selbst sehen, die die ich erlebt habe – an den verschiedenen Orten, wo meine Königin Menschen begegnet ist: eine eher schüchterne Schülerin nimmt sie ganz fest in den Arm, ein kleiner Schüler greift sie zunächst vorsichtig und hebt sie dann ganz stolz ganz hoch über sich, eine ältere Frau mit nur noch ganz wenig Sehkraft tastet sich an ihr entlang, erfühlt die halbgeschlossenen Augen, den lächelnden Mund und den verletzten Arm …
Und jetzt im Oktober hat meine Königin uns, eine Gruppe aus der Christus-König-Gemeinde begleitet nach Auschwitz und Birkenau. An diesen Orten des Todes und der menschenverachtenden Gewalttaten hat sie uns, die gesamte Gruppe – sichtbar in meinem Rucksack auf meinem Rücken oder im Arm von Einzelnen festgehalten oder aufrecht stehend am Mahnmal für die Ermordeten in Birkenau – erinnert an die jedem Menschen zugesagte Würde, die zu achten und zu schützen unser aller Aufgabe und Verantwortung ist.
Weil Gott an Weihnachten in der Krippe einer von uns geworden ist, ist die Würde eines jeden Menschen unantastbar. Erfüllt von dieser Weihnachtsbotschaft „Gott ist einer von uns – er ist Mensch wie wir!“ können wir nun auch in unserem Alltag einen Hauch von Menschlichkeit spüren und verbreiten.
Andrea Tüllinghoff