Kreuzweg

Impulse

Worte können heilen. Und zum Nachdenken bringen. Worte können Mut machen. Und neue Wege aufzeigen. Worte bringen Gefühle zum Ausdruck. Und Sorgen. Und Nöte. Glück und Unglück zeigen sich in ihnen ebenso wie Glauben und Hoffnung. Und natürlich Zuneigung und Liebe. Besonders schön ist es, wenn einem jemand solche Worte sagt. Wenn wir sie persönlich hören. Wenn wir spüren: Der meint mich!

Sie finden auf dieser Seite Gedanken, Erlebnisse, Deutungen, Diskussionsbeiträge, die uns eingefallen sind. Oder die wir anderswo gefunden haben. Und die wir mit Ihnen teilen. In der Corona-Pandemie hat sich das bewährt, vielen Mut gemacht und Lust auf mehr. Das freut uns natürlich sehr. Und deshalb machen wir einfach weiter!

Essays, Geschichten & Gedanken

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Die Zeit zwischen den Jahren ist eine besondere Zeit.

Einige Gedanken von Martin Vorländer in der Sendung Feiertag vom 28. Dezember im Deutschlandfunk Kultur können Sie hier hören.
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Maria und Josef werden von einem Herbergsvater barsch abgewiesen, deshalb muss Maria ihr Baby in einem Stall zur Welt bringen. So wird die Weihnachtsgeschichte bis heute oft erzählt. Nicht so bei Annette Jantzen.

Die katholische Theologin aus Aachen schreibt in ihrem Buch »Das Kind in der Krippe« gegen diese Lesart der Weihnachtsgeschichte an.

Ihre Gedanken in der Sendung Tag für Tag vom 22. Dezember im Deutschlandfunk können Sie hier hören.
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Seht, euer Gott!
Er selbst kommt
und wird euch
retten.

Dann werden
die Augen der Blinden
aufgetan
und die Ohren der Tauben
geöffnet.
Dann springt
der Lahme
wie ein Hirsch
und die Zunge des Stummen
frohlockt.

Neue Sicht.
Echtes Verstehen.
Keine Barrieren mehr.
Pures Glück.

Gaudete!
Freut euch!

Alexander Bergel
12. Dezember
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Im Dunklen
das Licht
nicht vergessen

In all den Kriegen
den Frieden
nicht aufgeben

Im Trostlosen
den Tröster
erwarten

Im Untergang
den Neuanfang
erahnen

Im Lärm
die Stille
nicht abschreiben

Im Verkorksten
das Heile
suchen

Und dann
die Ohren
spitzen

und Gottes
Stimme
hören

Alexander Bergel
5. Dezember
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»Du darfst nicht warten, bis Gott zu dir geht und sagt: Ich bin«, warnte er seine Leser. Stattdessen sollten sie es wagen, in schöpferischen, »glühenden« Augenblicken, Gott tief in ihrem Herzen zu erfahren, wo er immer schon am Wirken sei.

Rainer Maria Rilkes Verhältnis zur Religion war zwiespältig: Dogmen, Maßregelungen und vermittelnde Instanzen zwischen Himmel und Erde lehnte er rigoros ab. Aber sein ganzes Werk ist getragen von spirituellem Hunger und der Sehnsucht nach dem »sehr Verwandten, zu dem mein Leben hundert Wege weiß«.

Die Gedanken von Christian Feldmann vom 30. November auf NDR Kultur können Sie hier hören und lesen.
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Grau und nebelvoll
lässt
der November
uns zurück

Dunkel und erwartungsfroh
öffnet
jene Zeit die Arme
die nun kommt

Beide Zeiten
rühren Herzen an
mit ihrem Dunkel
und dem Licht

Trauer und Erwartung
Abschied und Neubeginn
Schmerz und Sehnsucht
Sterben und Geboren werden

Adventlich leben heißt
Im Grau die Farben
suchen
und sie

finden

Alexander Bergel
19. November
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Der Toten zu gedenken, hat sich als Ritual sehr verändert, doch es bleibt die Hoffnung,
sagt Stefan Rau zu Allerseelen.

Seine Gedanken vom 1. November finden Sie hier.
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Es ist leicht
zu sagen

Nie wieder

Was tue ich
dass

Nie wieder

nicht
zur hohlen
Phrase
wird?

Alexander Bergel
5. Oktober
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Was ist Recht
und was ist
Wahrheit?

Hass und
Hetze
allerorten

Tiefe Gräben
Fäuste
Scharfe Zungen

Angst vor dem
was kommt und dem
was ist

Kriege
Tod und
Terror

Hoffnungslos?
Atemlos?
Sinnlos?

Stell dich
an unsre Seite
Gott

Rühre an
die Herzen
und schenk uns neuen

Mut

Alexander Bergel
24. September

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Im Sommer 2024 hat sich eine Gruppe aus dem Liturgieausschuss auf den Weg nach Aschaffenburg gemacht, um die Gemeinde Maria Geburt mit ihrer außergewöhnlichen Kirche zu erleben. Die kleine Gruppe kehrte beeindruckt zurück.

Der ehemalige Pfarrer der Gemeinde, Markus Krauth, bringt seine Gedanken zu dem, was dort gelebt wird, zu Papier. Den Essay auf der seite feinschwarz.net vom 5. September können Sie hier lesen.
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Statements, Interviews & Diskussionen

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Die Brandmauer zur AfD muss »so lange halten, wie es geht«, so der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Georg Bätzing. Die AfD sei »menschenverachtend«, denn sie vertrete einen »völkischen Nationalismus«, erklärt der Bischof von Limburg.

Das Interview im Deutschlandfunk vom 21. Dezember können Sie hier hören.
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Klöster können in einem säkularisierten Europa Gegen-Orte sein, die Stabilität und geistliche Tiefe vermitteln, sagt der Trappist und Vorsitzende der Nordischen Bischofskonferenz, Bischof Erik Varden.

Im Gespräch mit Jan-Heiner Tück geht er dem Phänomen einer neu erwachenden Sehnsucht nach Erfahrungen der Transzendenz unter jungen Menschen nach.

Den Podcast der Zeitschrift Communio vom 19. November können Sie hier hören und lesen.
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Die Leseordnung in Gottesdiensten müsse geändert werden, sagt Annette Jantzen. Denn biblische Frauen kämen in den gelesenen Texten kaum vor – obwohl ihre Geschichten wichtig sind.

Im Podcast vom 1. Oktober spricht sie über Beispiele »herausgeschnittener« Frauen. Hier können Sie ihn hören.
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Nora Bossong ist im Hauptberuf Schriftstellerin. Rund ein Dutzend Bücher liegen vor – zuletzt der Roman Reichskanzlerplatz.

Nora Bossong, geboren 1982 in Bremen, sagt augenzwinkernd: Im Nebenberuf sei sie Ministrantin. Sie engagiert sich im Zentralkomitee der Deutschen Katholiken. Der wichtigste Nebenberuf war eine Zeitlang das Studium der Katholischen Theologie. Manchmal zieht sie sich in Klöster zurück.

Religion und Literatur – sind das für Nora Bossong zwei Paar Schuhe? Oder wie integriert sie beides in ihrem Leben?

Ein Interview mit ihr im Deutschlandfunk vom 5. September können Sie hier hören.
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Elf Wochen nach Pfingsten, also am 24. August, feiert man in der evangelischen Kirche den sogenannten Israel-Sonntag. Früher sprach man vom Juden-Sonntag. Ein Tag mit einer wechselvollen Geschichte – über die Jahrhunderte hinweg.

Heute soll er die Verbindung des Christentums mit dem Judentum ausdrücken. Aber wie begeht man angesichts des Krieges in der aktuellen Situation so einen Gottesdienst?

Die Sendung Tag für Tag im Deutschlandfunk vom 13. August geht dieser Frage nach. Hier können Sie sie hören.
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Immer wieder ist in diesen Tagen die Rede von Kulturkampf. Vielen raucht der Kopf, wenn sie nachdenken über die Entwicklungen rund um die Wahl neuer Richter für das Bundesverfassungsgericht.

Die Wahl wurde vor genau einer Woche verschoben, weil eine Kandidatin, nämlich Frauke Brosius-Gersdorf, in die Kritik geraten ist. Es ging um ihre Positionen zu Corona und Kopftüchern, zum Gendern und zur Abtreibung oder – wie einige es formulieren – zum Schwangerschaftskonflikt. Die römisch-katholische Kirche war am Rande auch involviert und rückte dann immer weiter ins Zentrum. Rudert sie jetzt zurück?

Ein Gespräch dazu mit dem katholischen Theologen und Journalisten Joachim Frank vom 18. Juli können Sie hier hören.
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Der italienische Katholik Carlo Acutis war 15 Jahre alt, als er 2006 an Leukämie starb. Seitdem wird er in der katholischen Kirche immer stärker verehrt, im September will Papst Leo XIV. Acutis heiligsprechen.

Doch daran gibt es auch Kritik, denn Acutis hat Internetseiten programmiert und dort auch antijüdische Erzählungen weiterverbreitet. Ist die geplante Heiligsprechung daher ein Fehler?

Einschätzungen dazu im Live-Gespräch vom 16. Juli im Deutschlandfunk mit dem katholischen Theologen und Jesuiten Christian Rutishauser, Judaistik-Professor an der Universität Luzern und ständiger Berater des Papstes für die religiösen Beziehungen mit dem Judentum, können Sie hier hören.
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Religionen sind Systeme menschlicher Sinnsuche: Wo kommen wir her, warum sind wir hier, wo wir sind? Aber sind diese Systeme obsolet, angesichts der Fortschritte zum Beispiel in der Astrophysik, die ja den Anfang unseres Universums inzwischen ebenso gut zu erklären vermag wie die Quantenmechanik die Geheimnisse des Allerkleinsten in der Materie?

Das Grundsatzgespräch vom 30. Juni im Deutschlandfunk mit dem Astrophysiker und Professor für Naturphilosophie und physikalische Grenzfragen, Harald Leschn, können Sie hier hören.
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Aus Eichenholz schnitzt Diakon und Holzbildhauer Ralf Knoblauch Königinnen und Könige, die durch die ganze Welt touren.

Wie er dazu gekommen ist und warum seine Arbeit auch etwas Spirituelles hat, erzählt er im Interview, vom 4. Juni, das Sie hier lesen und hören können.
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Mit der Wahl von Papst Leo XIV. schaut die ganze Welt nach Rom. Doch Stefan Kiechle fragt sich angesichts der großen Inszenierungen und Zeremonien: Wo bleiben die Frauen? Dabei denkt er auch über Männerbünde nach.

Seine Gedanken vom 23. Mai finden Sie hier.
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Predigten

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Predigt am Fest der Heiligen Familie
zu Mt 2,13-25.19-23

Kaum geboren, da geht’s auch schon los: Weg, schnell weg, alles hinter sich lassen, Angst, Verfolgung, Flucht. Doch Josef behält einen kühlen Kopf. Er hört auf seine innere Stimme. Nimmt Maria und das Kind. Und geht los. Ohne zu wissen, was passiert, wo sie ankommen werden – und ob überhaupt. Und ob es eine Rückkehr geben wird. Josef hatte nicht viel im Gepäck. Fragen wie diese schon. Und noch etwas wird ihn wohl beschäftigt haben: Warum hatte er sich überhaupt auf all das eingelassen? Die Sache war doch von Anfang an schwierig gewesen. Was würde ihm dieses Kind, was würde ihm Jesus sonst noch alles einbrocken?

Ja, so ist das von Anfang an. Wer es mit Jesus zu tun bekommt, der bleibt sein Leben lang unterwegs. Der muss immer mit neuen Herausforderungen rechnen. Der wird sich nie gemütlich zurücklehnen können und sagen: Jetzt hab ich’s geschafft. In diesen weihnachtlichen Tagen hören wir viel von Konsequenzen. Von Menschen, die mit ihrem Leben dafür bezahlen, diesem Jesus zu vertrauen. Von Kindern, die ermordet werden, weil sie den Mächtigen im Wege stehen. Von Fluchtursachen und Ohnmachtsgefühlen. Aber wir hören auch von Menschen, die trotz allem vertrauen. Und hoffen. Und sich nicht beirren lassen. Wir hören von Josef, der die Sachen packt und losgeht. Und geht. Und geht. Und geht. Und irgendwann ankommt. Denn mehr und mehr spürt er: Ich habe ein Ziel. Und einen Gott an meiner Seite, der mit mir geht.

Hört sich naiv an. Hat aber funktioniert. Denn Jesus kehrte zurück. Wurde erwachsen. Und hat mit seiner Botschaft die Welt verändert. Bis heute. Wenn auch wir den Druck haben, weg zu müssen, zu fliehen – wovor auch immer –, wenn auch wir nicht da bleiben können, wo wir sind – weil andere es so wollen oder die Umstände es fordern –, wenn wir vertrieben werden aus dem Zuhause unserer Kindheit oder unserer Familie oder von unserem Arbeitsplatz oder einer Freundschaft oder einer Beziehung oder wenn wir selbst etwas davon hinter uns lassen müssen, weil es einfach nicht mehr geht – vielleicht erinnern wir uns dann an die Flucht dieser kleinen Familie nach Ägypten. Sie hatten ein Ziel, sie hatten einen Begleiter, sie hatten sich – und sie kamen irgendwann zurück. Nicht ins alte Leben, aber in ein neues!

Alexander Bergel
28. Dezember
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Predigt an Weihnachten
zu Lk 2,1-15

Meine Königin ist eine von vielen König:innen, die der Diakon und Künstler Ralf Knoblauch geschaffen hat. Sie repräsentieren die Menschenwürde – er hat sie gebildet aus seinen Erfahrungen mit den Menschen, die ihm täglich begegnen in sozialen Brennpunkten seiner Umgebung. Sie wollen sagen: Auch du bist eine Königin, ein König. Meine Königin ist verletzt – aber sie steht aufrecht, ihre Krone auf dem Kopf. Sie lässt sich berühren, anfassen, sie wird be-greif-bar.

Was feiern wir heute? Gott wird Mensch – menschlich – in diesem Baby, das da von Maria geboren in Betlehem zur Welt kommt, als Mensch unter Menschen, also ganz nahe, greifbar, er will den Menschen begegnen, uns begegnen. Genau wie meine Königin, die sich berühren lässt, anfassend, be-greif-bar wird: ja – ich bin wertvoll, bin angenommen, ich bin auch ein König, eine Königin.

Die strahlenden Gesichter, die glücklichen Augen müsstest ihr mal selbst sehen, die die ich erlebt habe – an den verschiedenen Orten, wo meine Königin Menschen begegnet ist: eine eher schüchterne Schülerin nimmt sie ganz fest in den Arm, ein kleiner Schüler greift sie zunächst vorsichtig und hebt sie dann ganz stolz ganz hoch über sich, eine ältere Frau mit nur noch ganz wenig Sehkraft tastet sich an ihr entlang, erfühlt die halbgeschlossenen Augen, den lächelnden Mund und den verletzten Arm …

Und jetzt im Oktober hat meine Königin uns, eine Gruppe aus der Christus-König-Gemeinde begleitet nach Auschwitz und Birkenau. An diesen Orten des Todes und der menschenverachtenden Gewalttaten hat sie uns, die gesamte Gruppe – sichtbar in meinem Rucksack auf meinem Rücken oder im Arm von Einzelnen festgehalten oder aufrecht stehend am Mahnmal für die Ermordeten in Birkenau – erinnert an die jedem Menschen zugesagte Würde, die zu achten und zu schützen unser aller Aufgabe und Verantwortung ist.

Weil Gott an Weihnachten in der Krippe einer von uns geworden ist, ist die Würde eines jeden Menschen unantastbar. Erfüllt von dieser Weihnachtsbotschaft „Gott ist einer von uns – er ist Mensch wie wir!“ können wir nun auch in unserem Alltag einen Hauch von Menschlichkeit spüren und verbreiten.

Andrea Tüllinghoff
24. Dezember
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Predigt an Weihnachten
zu Lk 2,1-15

Im Anfang, so heißt es, war ein Wort. Kein leeres, kein drohendes, kein zerstörendes Wort. Auch kein spaltendes, kein hassendes, kein wertendes, kein hetzendes, kein schlagendes, kein böses Wort. Nein, im Anfang, da war ein gutes Wort. Und das Wort, so heißt es weiter, das Wort war Gott selbst. An Weihnachten erinnern wir uns: Dieses göttliche Wort ist pure Liebe. Mehr noch, wir feiern: Es gibt einen Menschen, der diese Liebe verkörpert wie kein anderer. Wir feiern die Geburt eines Kindes, das voll von Gottes Kraft war und als Erwachsener die Menschen dazu ermutigt hat, so zu leben wie er. Das Verbindende zu suchen, nicht das Trennende. Der Liebe Raum zu geben, nicht dem Hass.

Hört sich gut an! Idealer Stoff für eine Weihnachtspredigt. Aber wie soll das gehen, so ganz konkret? Vielleicht wäre einer der ersten Schritte, dem zu folgen, was Angela Merkel, die Altkanzlerin, einmal mit Blick auf unsere Kommunikation gesagt hat: „Achtet auf die Sprache! Denn die Sprache ist die Vorform des Handelns.“ Achtet auf die Sprache … Ja, wie ist das mit unserer Sprache? Wie reden wir miteinander? Wie sprechen wir über andere? Warum gehen so viele die Wände hoch, wenn sie in einer Diskussion merken: Wir kommen nicht auf einen Nenner? Warum ist es oft so schwer, die Meinung des anderen stehen zu lassen?

Wir erleben in vielen Teilen der Welt, auch bei uns, vielleicht sogar in diesen weihnachtlichen Tagen unterm Tannenbaum, wieviel Offenheit und Ehrlichkeit und manchmal auch Mut es kostet, in einen wirklichen Dialog zu treten. Familien, Freundeskreise, Gruppen, Kollegien, ja, ganze Gesellschaften, auch die Kirchen, drohen, daran zu zerbrechen, dass immer mehr immer öfter sagen: „Mit dem kann man ja nicht reden! Die ist ja sowas von drüber!“ Woher kommt diese Polarisierung? Warum wird der Ton so oft immer rauer? Weshalb flüchten sich immer mehr Menschen in ihre sichere Burg, in ihre Community, in ihre Bubble?

„Achtet auf die Sprache! Denn die Sprache ist die Vorform des Handelns.“ Das stimmt. Denn irgendwann geht es nicht mehr einfach nur um unterschiedliche Meinungen. Wenn der Gesprächsfaden abgerissen ist und man in seiner festen Burg die Kanonen auf die Brüstung stellt, kommen Argumente nicht mehr an. Dann wird das Gegenüber zum Feind, den man besiegen muss. Doch nicht nur das.

Wenn wir darauf schauen, wie antisemitische Erzählungen in den letzten Monaten wieder salonfähig geworden sind, Erzählungen, die Menschen überall auf der Welt, nur weil sie jüdisch sind, an den Pranger stellen und immer öfter um ihr Leben fürchten lassen, wenn wir zunehmend Zeuginnen und Zeugen davon werden, wie Menschen anderer Herkunft, anderer Hautfarbe, anderer Art zu leben, zu lieben oder zu glauben ihre uneingeschränkte Würde abgesprochen wird, wenn in unseren Nachbarschaften Kinder und Frauen immer häufiger Opfer häuslicher Gewalt und nicht selten einfach getötet werden – dann stellt sich die Frage: Was können wir tun?

Wer Weihnachten feiert, wer also feiert, dass Gott Mensch geworden ist, der muss sich doch – zumindest dann, wenn dieses Fest mehr sein soll als ein paar gemütliche Stunden –, der muss sich doch inspirieren lassen von dem, den wir feiern. Der muss schauen, welche Worte er gefunden hat, wie seine Worte Dinge beim Namen genannt, vor allem aber wie seine Worte jeden Menschen wahr- und erstgenommen, wie sie Menschen geheilt und befreit haben.

Konkret: Was wäre, wenn wir an diesem Weihnachtsfest eine neue Sprache finden würden? Eine Sprache, die nicht abwertet, sondern aufrichtet. Eine Sprache, die nicht spaltet, sondern zusammenführt. Eine Sprache, die nicht hetzt, sondern Frieden schenkt. Weihnachten ist das Fest der Erlösung, so heißt es. Weil Gott einen Schritt auf die Menschen zugegangen ist. Was hindert uns daran, das auch zu tun?

Alexander Bergel
24. Dezember
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Predigt an Weihnachten
zu Lk 2,1-15

Denn ein Kind wurde uns geboren, ein Sohn wurde uns geschenkt. Die Herrschaft wurde auf seine Schulter gelegt. – Jesaja. Die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten. – Titus. Der Engel sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkünde große Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll. – Lukas. Alles gerade gehört – alle Jahre wieder …

Ich habe vor gut 14 Tagen Menschen gefragt: Was brauchst du, was suchst du zu Weihnachten? Hier ein paar Beispiele: Stimmung und Atmosphäre, ein wenig Magie, Heu und Strohduft, Sicherheit, gute Musik. Letzteres haben wir bereits geschafft – es ist eine Freude und Wohltat mit Euch und Ihnen allen hier. Die Instrumente, der Gesang – das tut gut …

Und ich war auch wirklich in Versuchung, Stroh in unserer Kirche zu verteilen – also viel Stroh … Bei allen anderen Dingen fällt es mir schwer. Schwer, eine Antwort zu finden auf die Frage nach Sicherheit. Schwer herauszufinden, wer von uns hier heute Abend wie angesprochen werden möchte … Meine Frage: Wohin soll ich Sie heute Abend mitnehmen? Was brauchen Sie, um später diesen Kirchenraum gestärkt zu verlassen?

Ich versuche es mit Licht und Engel. Wobei Licht für mich mit Frieden zusammenzufassen ist – also Engel und Frieden. Sie können bei der Krippendarstellung hinten in diesem Jahr viele Engel entdecken – gebastelt von Kindern und Pädagogen unserer Kita. Wir finden dort ebenso das Friedenslicht aus Betlehem. Zudem haben wir das Evangeliar eben von der Krippe geholt – wir werden später auch das Friedenslicht von dort nach vorne bringen und exemplarisch einen der Engel.

Frieden wünschen wir uns alle, ihn zu erreichen, stellt uns vor riesige Herausforderungen. Engel sind in der Tat magisch, immer vertrauensvoll, liebevoll und glaubwürdig. Wann war ich das letzte Mal ein Engel für andere? Wann hatte ich das letzte Mal das Gefühl, dass mir ein Engel geschickt wurde?

Seien wir ehrlich: Diese Welt ist nicht gut – wenn wir später diese Kirche verlassen, begegnen wir irgendwann wieder der Realität. Einer Realität, die hier und jetzt nicht abgebildet ist. Das ist auch völlig normal – normal ist aber nicht, sich damit abzufinden. Wo bin ich Licht, Frieden – wo bin ich Engel für andere?

Was hilft mir, den dunklen Mächten zu begegnen und sie nicht siegen zu lassen? Was hilft mir, die Stimme zu erheben, wenn Menschen wieder in Klassen und Rassen eingeteilt werden? Was hilft mir, nicht zuzusehen, wie Menschen nur nach dem beurteilt werden, was sie scheinbar geleistet haben? Was hilft mir, der politischen Mitte deutlich zu erklären, dass sich Kirche sehr wohl einmischen muss, damit die soziale Gerechtigkeit in diesem Land nicht verloren geht und damit die Nazis nicht zurückkehren? Was hilft mir, den Menschen nach Missbrauch und Sumpf im eigenen Laden, also in unserer Kirche, trotz alledem die Gedanken von Frieden und Engel mitzugeben?

Wir alle sind heute Abend hier, weil wir den Glauben an dieses Kind im Stall entweder noch nicht verloren haben oder auf der Suche sind, was uns die Menschwerdung Gottes sagen möchte. Noch einmal: Engel und Frieden. Das ist nicht nur eine Frage des Glaubens oder des Glaubenwollens, sondern die Beantwortung der Frage: Machst du mit?

Dieses Kind im Stall stellt die Weltordnung in Frage: damals wie heute. Machst du mit? Dieses Kind im Stall wird sehr unbequeme Fragen stellen: damals wie heute. Machst du mit? Dieses Kind im Stall wird dafür sterben: damals wie heute. Machst du mit? Dieses Kind im Stall bleibt nicht im Tod, so möchte ich glauben. Machst du mit? Dieses Kind im Stall ist unser Friedensangebot. Machst du mit? Dieses Kind im Stall schickt uns täglich Engel und manchmal auch mich, wenn ich es zulasse. Machst du mit? Dieses Kind im Stall möchte mein Leben verändern: damals wie heute. Machst du mit? Dieses Kind im Stall möchte, so glaube ich, dass wir nicht allein unterwegs sind, sondern uns gemeinsam für das menschliche Einsetzen.

Das hat Folgen: Erzählen wir uns zu Weihnachten von unseren Engels- und Friedenserfahrungen! Sie halten mich für verrückt – hey, ich hätte auch ganz viel Stroh mitbringen können … Im Ernst: Bestärken wir uns miteinander von der Kraft, die durch Gott heute ausgehen möchte: im Gesang, im Gebet, im Empfinden darüber, ob und wie ich mitmachen möchte. Frieden und Engel möchten uns begegnen in dieser Heiligen Nacht! Lassen wir die Gegenwart Gottes in uns zu!

Dirk Schnieber
24. Dezember
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Predigt am 4. Adventssonntag
zu Mt 1,14-28

Was wäre, wenn Josef das Spiel nicht mitgemacht hätte? Wenn er seiner Frau nicht geglaubt, wenn er vielmehr gesagt hätte: „Du, wenn das alles so war, wie du sagst, Maria, dann kann sich doch auch der Heilige Geist um euch kümmern!“ Hat er aber nicht. Was Josef gesagt hat, was er überhaupt jemals gesagt hat – das weiß niemand. Kein einziges Wort ist von ihm überliefert. Was er getan hat hingegen – davon sprechen wir bis heute.

Josef war sensibel genug, um auf das zu hören, was tief in ihm geschieht. Er achtet auf seine Träume. Auf das, was sprachlos in ihm schlummert und worin sich vielleicht sogar eine göttliche Botschaft verbirgt. Und Josef war stark genug, um nicht gekränkt das Weite zu suchen. Er will wissen, was los ist. Aber als er eine Antwort bekommt, die – gelinde gesagt – ungewöhnlich ist, fasst er sich ein Herz. Und bleibt.

Hören und bleiben – zwei nicht immer ganz leichte Reaktionen auf das, was einem das Leben an Herausforderungen präsentiert: die Ohren nicht verschließen vor unbequemen Botschaften und bleiben, wenn eigentlich alles zum Weglaufen ist. Die Frage, ob Gott nicht auch hätte Mensch werden können, wenn der Heilige Geist vielleicht ganz natürlich durch einen leiblichen Vater gewirkt hätte, kann ich für mich eindeutig mit Ja beantworten. Mir ist es nicht besonders wichtig zu wissen, wie sich die Zeugung Jesu abgespielt hat.

Erzählungen wie diese wollen das auch gar nicht bis ins Letzte durchbuchstabieren. Ihnen geht es vielmehr darum zu zeigen, was passiert, wenn Menschen offen bleiben für Gottes Wirken in der Welt. Gott konnte Mensch unter Menschen werden, weil eine Frau sich hat berühren lassen von einer Frage. Und weil ein Mann nicht weggelaufen ist, obwohl es jeder verstanden hätte. Manchmal hätte ich auch lieber eine klare Antwort. Wüsste am liebsten immer, woher etwas kommt, warum etwas so ist, und wohin die Reise geht. Aber die Realität ist meist eine ganz andere.

Am Beginn der Weihnachtsgeschichte begegnet uns eine Frau, durch die etwas ganz Neues geschehen konnte. Weil sie Unmögliches für möglich hielt. Und uns begegnet ein Mann, der seiner Frau glaubte und so Gott half, zur Welt zu kommen. Eine Mutmachgeschichte aus ferner Vergangenheit. Ob mir das Mut macht zu bleiben, wenn eigentlich alles zum Weglaufen ist?

Alexander Bergel
21. Dezember
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Predigt am 3. Adventssonntag
zu Mt 11,2-11

Rosarot ist hier gar nichts. Im Gegenteil. Johannes sitzt im Gefängnis. Dorthin hatten sie ihn gebracht. Ihn, der alles durcheinanderzuwirbeln drohte. „Aber doch nicht mit uns!“, dachten sich die Mächtigen. „Weg mit ihm, bevor es zum Aufstand kommt.“ Später, sehr viel später sollte es ihn dann auch geben – den Aufstand des geknechteten Volkes gegen die Macht der Mächtigen. Aber er wurde niedergeschlagen von den Römern. Danach war nichts mehr wie vorher. Das Volk: zerstreut in die ganze Welt. Der Tempel: niedergerissen. Die Idee der Freiheit aber, die lässt sich nicht auslöschen. Bis heute nicht. Die Idee von einem Leben, das für alle lebenswert ist. Die Idee von einer Gesellschaft, in der alle dieselben Rechte haben. Die Idee von einem Gott, der unterschiedslos alle Menschen liebt.

Johannes der Täufer war eine revolutionäre Gestalt. Einer, der den Kompromiss nicht ertragen konnte. Einer, der es genau wissen wollte: Ja oder nein! Solche Leute stören. Aber solche Leute braucht es immer wieder, damit die Welt nicht vor die Wand fährt. Johannes sitzt nun in den vier Wänden seines Kerkers. Er ahnt, dass es seine letzten Stunden sind. War denn alles umsonst? Hätte er vielleicht doch kompromissbreiter sein müssen? Hatte er sich verschätzt? War der, auf den er gezeigt hatte, war dieser Mann aus Nazareth, sein Verwandter doch nicht der, von dem er gedacht hatte: Er ist der Retter der Welt? „Bist du der, der kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ Mit anderen Worten: Habe ich mich getäuscht? Oder bist du es wirklich?

Johannes steckt in einer tiefen Krise. Wie so viele Menschen, die kämpfen für eine andere Welt. Für die Zukunft der kommenden Generation. Für das Überleben. Für Freiheit. Für Gleichstellung. Für Gerechtigkeit. Für Frieden. Die Sehnsucht nach all dem ist groß. Aber wie oft führt ein solches Engagement auch zum Erfolg? Wie oft kann man sagen: Es hat was gebracht? Ist nicht oft das genaue Gegenteil der Fall? Was ist aus den vielen Kämpferinnen und Kämpfern für die Menschenrechte geworden? Die Gefängnisse der Regime sind voll. Galgen werden aufgerichtet ohne Zahl. Gegner in Schauprozessen abgeurteilt. Das ist die Realität. Immer noch. Und immer wieder. Und die Frage lautet: Wie lange sollen wir denn noch warten? Und vor allem: Auf wen?

Johannes der Täufer wurde erst mundtot gemacht und am Ende getötet. Wie so viele vor ihm und danach. Die Antwort, die ihm der gegeben hatte, den er fragen ließ – ob sie ihm kurz vor Ende seines Lebens noch einen Funken Hoffnung gegeben hat? „Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen wieder und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium verkündet.“ Gibt es sie? Blinde, die wieder sehen, Lahme, die wieder gehen, Aussätzige, die wieder rein werden, Taube, die wieder hören, Tote, die wieder aufstehen, und Arme, denen eine Botschaft verkündet wird, die ihr Leben froh macht?

Die rosarote Farbe dieses Sonntags kann und will das Dunkle der Welt nicht übertünchen. Aber erinnern kann sie und ermutigen! Erinnern daran, dass die Ideen des Jesus von Nazareth, für die Johannes seinen Kopf hingehalten hat, bis heute wirken und immer wieder Menschen inspirieren, nicht aufzugeben. Die rosarote Farbe dieses Sonntags kann und will das Dunkle der Welt nicht übertünchen. Aber erinnern kann sie und ermutigen! Ermutigen dazu, nicht der Hoffnungslosigkeit zu erliegen, sich einzurollen und zu meinen: Es nützt ja doch alles nichts!

Ob Johannes die Antwort auf seine Frage noch bekommen hat, ist nicht überliefert. Ist auch nicht mehr wichtig. Wichtig aber wäre etwas anderes. Dass wir nach diesen Antworten suchen. Und sie vielleicht sogar finden. Wenn wir uns gegenseitig ermutigen und einander erzählen. Davon, was uns am Leben hält. Davon, wo wir mit ungeahnter Kraft Dinge beim Namen genannt und vielleicht sogar verändert haben. Davon, wo wir unerwartet unterstützt, beschenkt oder ermutigt wurden. Davon, wo mit unserer Hilfe das Dunkle nicht mehr dunkel war. Vielleicht ist das alles gar nicht so spektakulär. Macht nichts. Aufs Anfangen kommt es an. Und aufs Durchhalten.

Alexander Bergel
14. Dezember
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Predigt am 2. Adventssonntag
zu Jes 11,1-10, Röm 15,4-9 und Mt 3,1-6

An jenem Tag.
Ein bisschen hört sich das an wie:
Es war einmal.
Wie im Märchen also.
Und in der Tat:
Die Bilder, die Jesaja da zeichnet,
haben schon märchenhafte Züge:

„Der Wolf findet Schutz beim Lamm,
der Panther liegt beim Böcklein.
Kalb und Löwe weiden zusammen,
ein kleiner Junge leitet sie.“

Ach ja,
wie schön wäre das doch alles.
Aber – seien wir ehrlich:
Es ist und bleibt ein Märchen.
Etwas für Träumer.

Doch bevor wir das mit einem müden,
weil erfahrenen Lächeln abtun:
Vielleicht ist das wirklich was für Träumer!
Für Träumer allerdings,
die sich nicht in eine Märchenwelt flüchten,
sondern mit beiden Beinen
auf dem Boden stehen.

Die Welt wird nur dann eine Zukunft haben,
wenn es Menschen gibt,
die träumen.
Die träumen von einem Leben
in Gerechtigkeit und Frieden.
Ohne Hass und Gewalt,
Neid und Missgunst,
Fanatismus und Tod.

„Alles, was einst geschrieben worden ist,
ist zu unserer Belehrung geschrieben,
damit wir durch Geduld und durch den Trost der Schriften
Hoffnung haben.“
So bringt es Paulus auf den Punkt.

Der Täufer Johannes
geht noch einen Schritt weiter.
Er erinnert uns daran,
dass aus der Erinnerung
die Tat werden muss:
„Meint nicht, ihr könntet sagen:
Wir haben Abraham zum Vater.“

Wir stehen im Advent.
Es ist die Zeit der Träume.
Die Zeit der Hoffnung.
Und die Zeit der Tat.

Eine Zeit also
besonders für Menschen,
die schon alles haben
und nichts mehr erwarten.

Eine Zeit für Menschen,
die alle Antworten kennen,
aber nicht mehr die Fragen,
die dazugehören.

Für Menschen,
die sich mit Fahrplänen auskennen,
aber nicht mehr das Verlangen haben
aufzubrechen.

Eine Zeit für Menschen,
die sich nicht mehr erinnern können
an die Träume des Anfangs,
an die Neugier des Aufwachens,
an den Ruf, der von weit her kommt.

Für Menschen,
die sich im Winterschlaf verkriechen
und betäuben mit allem Möglichen,
um ihren Hunger nicht zu spüren.

Eine Zeit für Menschen,
die sich alles zurechtgelegt,
aber keinen Platz mehr haben
für etwas, größer als das Herz.

Ja,
für all diese Menschen
– vielleicht gehören wir auch dazu –
könnten wir bitten:

Um Neugierde.
Um Unruhe.
Um Sehnsucht.
Um Ungeduld.
Um Zukunft.

Manchmal
werden Bitten
sogar erhört.
Nicht nur
im Märchen.

Alexander Bergel
7. Dezember
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Predigt am 1. Adventssonntag
zu Mt 24,29-44

„Sofort nach den Tagen der großen Drangsal wird die Sonne verfinstert werden, und der Mond wird nicht mehr scheinen; die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. Danach wird das Zeichen des Menschensohnes am Himmel erscheinen; dann werden alle Völker der Erde wehklagen.“ Jesus blickt in die Zukunft. In eine Zukunft, in der genau das passiert. Ist seine Zukunft unsere Gegenwart? Blutige Konflikte, heimtückische Terroranschläge, Zerstörung der Natur, überall Unsicherheit und Angst vor dem, was noch alles kommen mag. Werte und Ordnungen werden erschüttert; viele Menschen haben die Orientierung verloren. Ist das nicht unsere Realität?

„Die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. Dann werden alle Völker der Erde wehklagen.“ Alte Bilder sind es. Aber sie sagen auch heute noch etwas Entscheidendes: Unsere Welt ist nicht ewig, nichts in ihr hat auf ewig Bestand. Die scheinbar sicheren Ordnungen, auf die wir uns meist verlassen, sie sind vergänglich. Die großartigsten Systeme dieser Welt, sie brechen eines Tages zusammen. Auf sie ist kein endgültiger Verlass. Von den mächtigen Reichen der Geschichte, ihrem sagenhaften Reichtum und mit Kunstschätzen erfüllten Städten sind nur Ruinen übriggeblieben.

Es ist Advent. Jedes Jahr aufs Neue konfrontiert uns diese Zeit mit Fragen: Wozu das alles? Und: Was trägt mein Leben? Was gibt ihm Sinn? Ja, was bleibt am Ende übrig, wenn ich mir die Welt um mich herum anschaue? Die Welt, in der Menschen sich gegenseitig abschlachten, in der Menschen anderen das Recht zu leben nehmen? Was bleibt von meiner Welt, in der es doch oft genug auch nur darum geht, am Ende als der Stärkere da zu stehen, als der, der es geschafft hat. Was bleibt?

Es ist Advent. Die Zeit der Erschütterung, wie Alfred Delp, der von den Nazis hingerichtete Jesuit, es auf den Punkt gebracht hat. Zeit der Erschütterung … Ja, wenn wir uns noch erschüttern lassen, dann spüren wir nicht nur, wie unfertig die Welt, wie erlösungsbedürftig sie ist – sondern wir tun etwas. Und dann, ja dann, wenn wir alles getan haben: die Hungernden gespeist, die Kranken besucht, die Traurigen getröstet, wenn wir uns aufgerieben haben und müde sind und es wieder nur ein Tropfen auf den heißen Stein war – dann wird am Ende ein anderer kommen und das Werk vollenden, das über unsere Kraft ging. Darum dürfen wir nicht nur am Ende unseres Lebens, sondern praktisch jeden Abend sagen: Komm, Herr Jesus! Genau das ist Advent: Zeit der Tat. Und Zeit der Erwartung.

Alexander Bergel
30. November
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Predigt am Christkönigsfest
zu Lk 23,35b-43

Was für ein Vertrauen!  Kurz vor seinem Tod bittet einer, der bald sterben wird, einen anderen Todgeweihten: „Denk an mich, wenn du in dein Reich kommst.“ Vielleicht kannte er Jesus bereits. Vielleicht begegnet er ihm auf Golgota aber auch zum ersten Mal. Nur ein paar Stunden hängt er neben diesem Mann aus Nazareth – und vertraut ihm sein Leben an. „Heute wirst du mit mir im Paradies sein!“, lautet dann auch die Antwort Jesu. Und sie gilt nicht nur ihm, sondern allen, die das hören. Heute wirst du mit mir im Paradies sein! Nicht irgendwann – heute! Also, Mensch: Vertrau mir doch – auch wenn die Fakten dagegen sprechen! Vertrau mir doch – auch wenn dich alle hängen lassen! Vertrau mir doch – auch wenn du keinen Ausweg siehst!

Ja, mag da mancher denken, das hört sich alles so schön an. Und die Geschichte vom heruntergekommenen Gott, von dem, der mich kennt, wie ich bin, der auch in Leid und Tod an meiner Seite ist – all das ist sehr ergreifend. Aber wirklich ergriffen bin ich von diesem Elend, von all den Sorgen, meinen eigenen und den der vielen anderen. Wirklich ergriffen und verunsichert, ja und auch verstört und verletzt bin ich von den vielen Mächten des Todes in meiner kleinen und in der großen Welt … Heute wirst du mit mir im Paradies sein – mir sagt das keiner! Es ist so weit weg, dieses Paradies.

Das stimmt. Es ist weit weg, das Paradies. Und trotzdem ist es da. In uns. Sicher, so werden auch psychologische oder esoterische Trostpflaster verteilt. Und die Religion stand ja schon immer im Verdacht, die Massen beruhigen zu wollen. Aber genau das ist mit Jesus eben nicht zu machen. Er hat die Schwachen stark gemacht und die Kranken gesund. Er hat Kinder und Frauen vom Rand in die Mitte gestellt. Er hat die Wunden der Menschen, die dämonischen Schatten ihrer Vergangenheit ernst genommen und so Heilung geschenkt. Jesus hat den politischen und religiösen Führern den Kampf angesagt, weil sie vergessen hatten, wofür sie da waren. Jesus hat nie vertröstet. Er hat die Dinge beim Namen genannt. Er hat Perspektiven eröffnet. Er hat geheilt. Deshalb hängt er am Kreuz.

Geplant hatte er das sicher nicht. Aber je mehr Jesus seinen Weg fand und ihn konsequent ging, desto mehr wurde ihm auch klar, wie sehr beides zusammen gehört: Handeln und Vertrauen. Jesus konnte seinen Weg der Liebe und der Klarheit nur gehen im Vertrauen auf seinen Vater. Und dem vertraut er – bei allem Zweifel, bei allem inneren Kämpfen – bis zum Schluss. Die Ahnung vom Paradies verliert er nie.

Lange ist das her. Und Argumente dagegen gibt es nach wie vor zuhauf. Aber dann gibt es noch diesen Mann am Kreuz, der Jesus vielleicht nur diese paar Karfreitagsstunden erlebt hat – und dennoch oder vielleicht gerade deswegen alles auf diese eine Karte setzt. Dann gibt es uns, die wir oft wie in einem langen, unendlich langen Karsamstag darauf warten, dass endlich Ostern wird. Und dann, ja dann gibt es da noch etwas – diesen kleinen Mutmacher des Evangelisten Lukas. Erinnern Sie sich? Richtig: Das kleine Wörtchen „Heute“. Siebenmal taucht es in seinem Evangelium auf. Das letzte Mal in tiefster Verzweiflung. Am Kreuz. Und immer heißt es: Trau dich, Mensch. Trau dich zu vertrauen. Ja, trau dich! Nicht irgendwann. Heute!

Alexander Bergel
23. November
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Predigt am 30. Sonntag im Jahreskreis
zu Lk 18,9-14

Hauptsache, die Fassade stimmt. Hauptsache, ich stehe gut da. Hauptsache, meine Schatten merkt keiner. Wer denkt das nicht manchmal? Es muss doch auch wirklich nicht jeder wissen, wie es in mir aussieht, oder? Natürlich nicht. Und trotzdem: Kann man auf Dauer so leben? Nur an der Oberfläche? Hauptsache, keiner merkt was?

Zwei Personen begegnen uns heute. Personen aus längst vergangener Zeit. Ein Pharisäer. Und ein Sünder. Also einer, der alles richtig macht – und das Gegenteil davon. Der Dritte allerdings, der, der uns diese beiden Typen vorstellt – Jesus –, der entlarvt das Spiel, bevor es in die zweite Runde geht. Jesus nennt die Probleme beim Namen: Nicht der religiöse Hochleistungssportler hat die Nase vorn, nicht der, an dessen Selbstgerechtigkeit alles abperlt, nicht der, der aus Angst vor dem Leben seine Fassade permanent übertüncht mit den quietschigen Farben der eigenen Überlegenheitsphantasien, nicht der hat die Nase vorn, sondern der, der sich selbst realistisch einschätzt – und die eigene Schwäche nicht überspielt. Wer so lebt und handelt, den stellt Jesus aufs Siegertreppchen.

Denn bei Gott ist der groß, der sich selbst nicht so wichtig nimmt. Bei Gott ist der groß, der vor seiner Schwäche nicht davonläuft. Bei Gott ist der groß, der sich nicht auf Kosten anderer zum Helden stilisiert. Bei Gott ist der groß, der in erster Linie den Menschen sieht und nicht das Gesetz. Bei Gott ist der groß, der nicht auf alles eine Antwort hat. Bei Gott ist der groß, der damit rechnet, dass Gott sein Herz berührt. Und der sich noch überraschen lässt.

Das ist alles lange her. Pharisäer gibt’s hier keine und stadtbekannte Sünder auch nicht mehr so häufig. Wobei man mit Blick auf die Pharisäer nicht in die antijudaistische Falle tappen darf, im Pharisäertum das Zerrbild eines propagandistisch aufgeladenen heuchlerischen Juden zu entdecken. Das meint Jesus, selbst Jude durch und durch, natürlich nicht. Ihm geht es darum, dem Menschen einen Spiegel vorzuhalten, in dem er seine eigene Selbstgerechtigkeit erkennen kann. Und die ist sicher nicht nur bei manchen Vertretern des Pharisäertums anzutreffen gewesen, sondern bei vielen sich moralisch überlegen wähnenden Menschen.

Plötzlich ist das alles gar nicht mehr so weit weg, sondern Teil unseres Lebens. Der Fromme und der Sünder – wohnen sie nicht auch in uns? Je nach Lage der Dinge, je nach Situation, je nach Stimmung, je nach Prägung oder eigener Geschichte. Was also tun? Weglaufen wäre die einfachste Variante. Aber das bringt nichts. Dann bleiben die beiden Untermieter auf ewig unversöhnt bei uns wohnen. Man könnte das von sich selbst Überzeugte und das Schwache in uns aber auch mal nebeneinandersetzen und ins Gespräch bringen. Unsere überhebliche Seite und die realistische. Den Hang zum strahlenden Sieger und die eigene Hilflosigkeit. Die religiös sichere Seite und jene, die mehr Fragen hat als Antworten.

Einfach ist das nicht, na klar. Wie so oft, wenn Jesus uns den Spiegel vorhält. Aber es wäre ehrlich. Und was würden wir dadurch verlieren? Richtig: Nichts. Im Gegenteil: Wir würden gewinnen. Und zwar einen realistischen Blick auf uns selbst. Und dadurch auch auf die anderen. Das wäre doch mal eine Perspektive, oder?

Alexander Bergel
25. Oktober
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Gebet, Musik & Poesie

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»Komm, Heiliger Geist, komm!« Dieses gesungenes Gebet zu Pfingsten
hören Sie hier.
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»Veni Sancte Spiritus!« Den kraftvollen Pfingsthymnus aus Notre-Dame de Paris
hören Sie hier.
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Am 2. Ostersonntag begegnet uns Jahr für Jahr der zweifelnde Thomas. Durch allen Zweifel hindurch ist er doch der sehnsuchtsvoll Glaubende. Oder wird es immer mehr. Thomas begegnet dem Auferstandenen, der ihm seine Wunden hinhält. »Sei nicht ungläubig, sondern gläubig«, ruft ihm Jesus zu. Und die Antwort? »Mein Herr und mein Gott!«

Von diesem Ringen, von dieser Sehnsucht und ihrer Erfüllung ist der Gesang »Adoro te devote – Gottheit tief verborgen« von Thomas von Aquin durchdrungen:

Kann ich nicht wie Thomas schaun die Wunden rot,
bet ich dennoch gläubig: Du mein Herr und Gott!
Tief und tiefer werde dieser Glaube mein,
fester lass die Hoffnung, treu die Liebe sein.

Sie finden diesen Gesang im Gotteslob unter der Nummer 497.
Hören können Sie ihn hier (Strophe 4, 2:42).
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»Weib, was weinest du?« Einer der berührendsten Gesänge zum Osterfest.

Es gäbe sicher nach wie vor so manches, was nicht nur Frauen in dieser Kirche zu beweinen hätten. Aber es gab und es gibt sie dennoch immer noch: die Verkünderinnen dieser einen unglaublichen Botschaft. Sollte deren Kraft, die schon einmal nicht nur Felsen vor Grabhöhlen in Bewegung brachte, nicht auch heute Steine wegzuräumen in der Lage sein?

Den Gesang aus den Osterdialogen von Heinrich Schütz können Sie hier hören.
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Ein Sehnsuchtslied – hier können Sie es hören.
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Hier hören Sie einen Gesang des Osnabrücker Jugendchors zum Karfreitag.
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Hier hören Sie einen Gesang des Osnabrücker Jugendchors zur Nacht auf den Karfreitag.
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Hier hören Sie einen Gesang des Osnabrücker Jugendchors zum Karsamstag.
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Hier hören Sie einen Gesang des Osnabrücker Jugendchors zum Palmsonntag.
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Ein Klassiker zu Epiphanie.
Hier können Sie ihn hören
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Ein kleines musikalisches Juwel – entstanden in unserer Gemeinde.
Hier können Sie es hören.
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Erwartung bewegt …

Maria durch ein Dornwald ging,
Kyrie eleison.
Maria durch ein Dornwald ging,
der hat in sieben Jahrn kein Laub getragen.
Jesus und Maria.

Was trug Maria unter ihrem Herzen?
Kyrie eleison.
Ein kleines Kindlein ohne Schmerzen,
das trug Maria unter ihrem Herzen.
Jesus und Maria.

Da haben die Dornen Rosen getragen,
Kyrie eleison.
Als das Kindlein durch den Wald getragen,
da haben die Dornen Rosen getragen.
Jesus und Maria.

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Lied im Gotteslob Nr. 224
Text: August von Haxthausene

Das gesungene Lied finden Sie hier.
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Schaukasten-Gedanken

… können für einen kurzen Augenblick ansprechen oder irritieren
oder einfach nur Freude bereiten.

Hier finden Sie die schönsten Exemplare, die vor unseren Kirchen hängen,
zum Anklicken.
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