Impulse
Worte können heilen. Und zum Nachdenken bringen. Worte können Mut machen. Und neue Wege aufzeigen. Worte bringen Gefühle zum Ausdruck. Und Sorgen. Und Nöte. Glück und Unglück zeigen sich in ihnen ebenso wie Glauben und Hoffnung. Und natürlich Zuneigung und Liebe. Besonders schön ist es, wenn einem jemand solche Worte sagt. Wenn wir sie persönlich hören. Wenn wir spüren: Der meint mich!
Sie finden auf dieser Seite Gedanken, Erlebnisse, Deutungen, Diskussionsbeiträge, die uns eingefallen sind. Oder die wir anderswo gefunden haben. Und die wir mit Ihnen teilen. In der Corona-Pandemie hat sich das bewährt, vielen Mut gemacht und Lust auf mehr. Das freut uns natürlich sehr. Und deshalb machen wir einfach weiter!
Essays, Geschichten & Gedanken
.
Für den italienischen Maler Tizian war die Sache klar: sein größtes jemals gemaltes Werk nannte er vor 500 Jahren Assunta, die in den Himmel Aufgenommene.
Von der Himmelfahrt der Gottesmutter war auch schon tausend Jahre vorher die Rede. Doch erst 1950 gab die katholische Kirche höchst offiziell bekannt, wie es wirklich war: Maria sei mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen worden. Wie war das damals und wie ist es heute zu verstehen?
.
Säkularisation ist auch nicht immer das, woran alle denken.
Zu diesem Schluss kommt Christoph Makschies nach einem Besuch in Frankreich. Nach einem Essen, das er im Schatten eines berühmten Bildes zu sich nimmt, fährt er ganz entspannt zuürck nach Deutschland.
.
Im Sommer besuchen ungezählte Menschen Kirchengebäude – monumentale Kathedralen, aber auch liebenswerte Dorfkirchen. Wo sonst kann man die Geschichte und Kultur eines Ortes in so verdichteter Form kennenlernen?
Die Architektur, die Kunstwerke, die Fenster regen zum Nachdenken an und schenken Momente einer tieferen Entspannung. Allerdings muss man die alten Bauwerke lesen können. Viele Initiativen versuchen dabei zu helfen: Sie halten Kirchen für Besucher offen, erzählen ihre Geschichten und bieten Seh-Hilfen an.
Das Feature von Johann Hinrich Claussen auf NDR Kultur vom 13. Juli können Sie hier hören.
.
.
Das einsame alte Mütterchen in der Kirchenbank ist ein langlebiges Klischee. In Wirklichkeit ist in unserer säkularen Gegenwart die Beziehung zwischen Gottesglaube und Menschenalter entkoppelt, so, wie auch sonst die religiösen Bindungen fraglicher geworden sind. Dennoch kann es im Prozess des Älterwerdens gewissermaßen zu einer Renaissance des Glaubens kommen.
Die Gedanken von Bruno Preisendörfer vom 29. Juni auf NDR Kultur thematisieren das Verhältnis von Reife und Religion und beschreiben, welche Horizonte sich religiöser oder spiritueller Selbsttranszendenz eröffnen.
Hier können Sie sie hören.
.
.
Die Kirche feiert am 50. Tag der Osterzeit das Hochfest Pfingsten. Der Name dieses Festes sagt auf den ersten Blick zunächst einmal noch wenig über dessen Inhalt aus.
Die Liturgiewissenschaftlerin Birgit Jeggle-Merz erschließt Pfingsten als Fest vom Wirken des Geistes, das nicht einfach ein geschichtliches Ereignis ist, sondern sich auch jetzt wieder an den Feiernden vollzieht.
Ihre Gedanken vom 6. Juni können Sie hier hören.
.
.
Vor 1700 Jahren holte Kaiser Konstantin mehrere hundert Bischöfe ins heute türkische Nicäa, um den Theologenstreit um die Gottheit Jesu zu klären. Das erste ökumenische Konzil der Geschichte formulierte ein Glaubensbekenntnis, das die christlichen Konfessionen bis heute eint.
Hat es den jüdischen Wanderprediger Jesus mit Begriffen der griechischen Philosophie zu Gott gemacht und damit den Boden des biblischen Glaubens verlassen? Hat sich die junge Kirche damals den Interessen der Staatsmacht unterworfen? War der Beschluss der Konzilsväter manipuliert?
Die Gedanken von Christian Feldmann vom 18. Mai können Sie hier hören.
.
.
Zum Tod von
Papst Franziskus
Ein Mensch unter Menschen
In aller Zerbrechlichkeit
voller Kraft
Am Emmaustag zu sterben
dem Tag des langen Weges
voller Fragen
ist sein letztes Vermächtnis
Und seine Antwort
bei der Suche
nach dem
der ins Leben
führt
Danke
Franziskus
.
Vor der Wahl
eines Nachfolgers
Wohin
führt
der Weg?
Wer wird
ihn mit uns
gehen?
Die Themen
liegen
In der Luft
Gehen wir
mutig
weiter
Komm
Heiliger Geist
.
Alexander Bergel
27. April
.
.
Zum Tod von
Papst Franziskus
Ein Mensch unter Menschen
In aller Zerbrechlichkeit
voller Kraft
Am Emmaustag zu sterben
dem Tag des langen Weges
voller Fragen
ist sein letztes Vermächtnis
Und seine Antwort
bei der Suche
nach dem
der ins Leben
führt
Danke
Franziskus
.
Alexander Bergel
21. April
.
.
Der Karfreitag ist nicht nur ein Teil der Heiligen Drei Tage, er ist für evangelische Christ:innen ein zentraler Feiertag und identitätsstiftend. Zugleich hat er in Österreich 2019 seinen Status als Feiertag verloren.
Die evangelische Theologin Cornelia Richter bringt biblische Hintergründe für die Theologie des Karfreitags – und den Hinweis, dass der Verlust des Karfreitags ein Verrat an der Menschlichkeit Gottes und an der Menschlichkeit des Menschen darstellt.
Ihre Gedanken vom 18. April können Sie hier lesen.
.
Statements, Interviews & Diskussionen
.
Elf Wochen nach Pfingsten, also am 24. August, feiert man in der evangelischen Kirche den sogenannten Israel-Sonntag. Früher sprach man vom Juden-Sonntag. Ein Tag mit einer wechselvollen Geschichte – über die Jahrhunderte hinweg.
Heute soll er die Verbindung des Christentums mit dem Judentum ausdrücken. Aber wie begeht man angesichts des Krieges in der aktuellen Situation so einen Gottesdienst?
Die Sendung Tag für Tag im Deutschlandfunk vom 13. August geht dieser Frage nach. Hier können Sie sie hören.
.
.
Immer wieder ist in diesen Tagen die Rede von Kulturkampf. Vielen raucht der Kopf, wenn sie nachdenken über die Entwicklungen rund um die Wahl neuer Richter für das Bundesverfassungsgericht.
Die Wahl wurde vor genau einer Woche verschoben, weil eine Kandidatin, nämlich Frauke Brosius-Gersdorf, in die Kritik geraten ist. Es ging um ihre Positionen zu Corona und Kopftüchern, zum Gendern und zur Abtreibung oder – wie einige es formulieren – zum Schwangerschaftskonflikt. Die römisch-katholische Kirche war am Rande auch involviert und rückte dann immer weiter ins Zentrum. Rudert sie jetzt zurück?
Ein Gespräch dazu mit dem katholischen Theologen und Journalisten Joachim Frank vom 18. Juli können Sie hier hören.
.
.
Der italienische Katholik Carlo Acutis war 15 Jahre alt, als er 2006 an Leukämie starb. Seitdem wird er in der katholischen Kirche immer stärker verehrt, im September will Papst Leo XIV. Acutis heiligsprechen.
Doch daran gibt es auch Kritik, denn Acutis hat Internetseiten programmiert und dort auch antijüdische Erzählungen weiterverbreitet. Ist die geplante Heiligsprechung daher ein Fehler?
Einschätzungen dazu im Live-Gespräch vom 16. Juli im Deutschlandfunk mit dem katholischen Theologen und Jesuiten Christian Rutishauser, Judaistik-Professor an der Universität Luzern und ständiger Berater des Papstes für die religiösen Beziehungen mit dem Judentum, können Sie hier hören.
.
.
Religionen sind Systeme menschlicher Sinnsuche: Wo kommen wir her, warum sind wir hier, wo wir sind? Aber sind diese Systeme obsolet, angesichts der Fortschritte zum Beispiel in der Astrophysik, die ja den Anfang unseres Universums inzwischen ebenso gut zu erklären vermag wie die Quantenmechanik die Geheimnisse des Allerkleinsten in der Materie?
Das Grundsatzgespräch vom 30. Juni im Deutschlandfunk mit dem Astrophysiker und Professor für Naturphilosophie und physikalische Grenzfragen, Harald Leschn, können Sie hier hören.
.
.
Aus Eichenholz schnitzt Diakon und Holzbildhauer Ralf Knoblauch Königinnen und Könige, die durch die ganze Welt touren.
Wie er dazu gekommen ist und warum seine Arbeit auch etwas Spirituelles hat, erzählt er im Interview, vom 4. Juni, das Sie hier lesen und hören können.
.
.
Mit der Wahl von Papst Leo XIV. schaut die ganze Welt nach Rom. Doch Stefan Kiechle fragt sich angesichts der großen Inszenierungen und Zeremonien: Wo bleiben die Frauen? Dabei denkt er auch über Männerbünde nach.
Seine Gedanken vom 23. Mai finden Sie hier.
.
.
Robert F. Prevost wurde zum Papst gewählt und hat sich den Namen Leo XIV. gegeben.
Eine erste Einschätzung von Thomas Schüller, Professor für Kirchenrecht an der Universität Münster, vom 9. Mai finden Sie hier.
.
.
Der Vatikan ist die letzte absolute Monarchie in Europa, aber in den vergangenen Jahren begehrten die Laien zunehmen auf und forderten Mitspracherechte. Papst Franziskus griff das auf, er organisierte die Weltsynode, er setzte erstmals eine Frau an die Spitze eines Dikasteriums.
Kritikern war das stets zu wenig, Konservativen ging das viel zu weit. Waren seine Veränderungen dennoch kleine Schritte hin zu einem Wandel der Machtstrukturen in der römisch-katholischen Kirche?
Die Theologin geht diesen Fragen im Interview mit dem Deutschlandfunk vom 28. April nach. Hier können Sie es hören.
.
.
Der Karfreitag war einst ein besonders gefährlicher Tag für Juden. Daran hatte auch die katholische Liturgie an diesem Tag ihren Anteil. Gerade eine berüchtigte Fürbitte war wirkungsgeschichtlich verheerend – bis es die nötige Neubesinnung gab. Manche sehen jedoch immer noch fragwürdige Elemente.
Den Artikel von Matthias Altmann vom 18. April können Sie hier lesen.
.
.
Im Jahr 325, vor 1.700 Jahren, reisten Kirchenvertreter aus der gesamten damals bekannten Welt nach Nizäa in der heutigen Türkei, um über die Natur des Gottessohnes zu streiten. Es ist das Konzil, auf das sich praktisch alle christlichen Kirchen einigen können. Aber wie sehr tangiert das Christen in der Gegenwart, jenseits von Jubiläumsveranstaltungen?
Ein Gespräch vom 11. April mit dem katholischen Theologen und Jesuiten Andreas Batlogg, der dieser Frage ein neues Buch gewidmet hat, können Sie hier hören.
.
.
Sein Buch »Wenn nichts fehlt, wo Gott fehlt« wird immer wieder als »Pflichtlektüre« bezeichnet. Loffeld, Theologieprofessor im niederländischen Tilburg sagt: Wenn »Konservative« und »Progressive« in den Kirchen glauben, Patentrezepte zu haben, dann täuschen sie sich.
Anhand der neuen Kirchenstatistik im Gespräch mit Loffeld der Versuch, die gegenwärtigen Herausforderungen der Kirchen zu analysieren und mögliche Perspektiven für ein zukünftiges Christentum aufzuzeigen.
Das Interview im Deutschlandfunk vom 31. März können Sie hier hören.
.
Predigten
.
Predigt am 20. Sonntag im Jahreskreis
zu Lk 12,49-53
Es gibt so Momente, in denen ich mich frage: Hab ich das jetzt richtig verstanden? Heute ist so ein Moment. Oder es könnte so einer sein. Aber der Reihe nach. Vorher könnten wir vielleicht mal für einen Augenblick so tun, als wären wir gerade dabei, Jesus kennenzulernen. Wir würden vermutlich staunen, welche Kraft von ihm ausgeht, wenn er Kranke heilt, Tote auferweckt und den Mächtigen die Leviten liest. Wir wären fasziniert von seinem Gott-Vertrauen, beeindruckt von seiner Güte und vermutlich herausgefordert von seinen klaren Positionen: die andere Wange hinhalten, vergeben, neu anfangen. Von Tod und Auferstehung ganz zu schweigen.
Aber irgendwann passiert es dann doch: Wer Jesus kennenlernt, der landet bei diesen Worten: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen!“ Was um alles in der Welt ist mit Jesus los? Hat er am Ende doch was Fanatisches an sich? Ist er einer, der nur so gütig tut, am Ende aber die Gesellschaft zum Einsturz bringen will? „Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf der Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, nicht Frieden, sondern Spaltung. Denn von nun an werden fünf Menschen im gleichen Haus in Zwietracht leben: Drei werden gegen zwei stehen und zwei gegen drei, der Vater wird gegen den Sohn stehen und der Sohn gegen den Vater, die Mutter gegen die Tochter und die Tochter gegen die Mutter, die Schwiegermutter gegen ihre Schwiegertochter und die Schwiegertochter gegen die Schwiegermutter.“
Ohne das Verhältnis von Schwiegertöchtern und Schwiegermüttern grundsätzlich oder im Einzelfall analysieren zu wollen (oder gar zu können) und jenseits der Tatsache, dass es so oder so ähnlich hinter vielen Türen aussieht – denn der Mensch ist nun mal so, wie er ist, nicht frei von Neid und Eifersucht und Enttäuschung und Verletzung –, jenseits all dessen steht man doch ein bisschen ratlos da, vielleicht mit der Frage auf der Zunge: „Hab ich das jetzt wirklich richtig verstanden? Will Jesus die Spaltung, nicht die Einheit? Will er Feuer statt sanfter Brise? Will er Krieg statt Frieden?“
Wir haben Jesus schon ziemlich gut kennengelernt. Wissen, wofür er steht, wie er handelt, was ihm wichtig ist. Wir hören Jahr für Jahr die Geschichte von dem kleinen Kind im Stall. Erleben Jahr für Jahr, wie dieses Leben endet – am Kreuz nämlich. Und werden Jahr für Jahr mit einer Botschaft konfrontiert, die den Tod zum Teufel jagt. Mit anderen Worten: Die Geschichte Jesu geht aufs Ganze. Er macht keine halben Sachen. Wen er ruft, den will er ganz. Mit wem er die Welt verändern will, der kann das nicht im Nebenberuf machen oder von der Couch aus. Jesus provoziert. Und das weiß er auch. Aber nicht um die Welt zu zerstören, sondern um sie aufzubauen, zu verwandeln, ja: zu retten.
Wer diesen Weg mitgeht, wirklich mitgeht, und dabei seine Komfortzone verlässt, der eckt an. Vielleicht sogar dort, wo es am meisten weh tut. Nicht bei Herrn Meyer oder Frau Müller aus der Nachbarschaft, nicht bei irgendeinem Vorgesetzten, nicht bei Erbtante Berta – nein, wer wirklich ernst macht mit dem, was er von diesem Jesus angenommen hat, der will echt sein. Und dann kann es sein, dass es im innersten Bereich nicht mehr so weiter gehen kann wie vorher. Dann zeigt sich, wie das Verhältnis zum engsten Umkreis wirklich ist. Zu den Eltern. Den Kindern. Schwiegermutter. Schwiegervater.
Und das heißt nun was? Es könnte bedeuten, damit zu rechnen: Nicht alles, was so harmonisch bei mir zu Hause daherkommt, ist auch echt. Es könnte bedeuten: das, was ich Tag für Tag erlebe, müsste mal auf den Prüfstand. Es könnte bedeuten, dass mir der seit langem bekannte Jesus manchmal doch den Spiegel vorhält – und was ich da sehe, lässt mich erschrecken. Wenn das gelingt, dann hat Jesus genau das erreicht, was er wollte. Kein fanatisches Dreinschlagen. Kein: Krieg statt Frieden. Kein martialisches Gemetzel. Sondern: Ehrlichkeit. Und Offenheit. Und Mut. Mut für neue Anfänge. Das ist ziemlich anstrengend. Sicher. Aber es macht frei.
Alexander Bergel
17. August
.
.
Predigt am Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel
zu Lk 1, 39-56
„… denn der Mächtige hat Großes an mir getan.“ Leichtfertig sagt sie das wohl nicht. Immerhin liegt ein beschwerlicher Weg hinter ihr. Nicht nur der übers Gebirge. Und was noch kommt? Keiner weiß es. Doch trotz alledem stimmt Maria ihr Lied an. Ein Lied, das den Sturz der Mächtigen besingt. Ein Lied, das davon träumt: Einmal muss es doch geschehen! Einmal muss sich doch zeigen, dass den Mächten des Todes die Puste ausgeht und die Potentaten, die Unterdrücker, die Angsteinflößer, die Todbringer, die Vergewaltiger, die Sklavenhalter ausgespielt haben! Einmal, ja einmal muss es doch geschehen!
Marias Lied ist ein Lied der Hoffnung. Der Ermutigung. Und der Auflehnung gegen die herrschenden Verhältnisse. Aber es ist kein Lied der Vertröstung. Kein Lied, das sagt: „Irgendwann, ja, da wird es geschehen. Du musst halt nur lang genug warten.“ Nein, so verstanden wären wir ganz schnell bei den Religionskritikern vergangener Zeiten und auch der Gegenwart angelangt, die im Glauben vor allem Opium fürs Volk und Vertröstung aufs Jenseits erkennen. Das aber will und darf der Glaube niemals sein. Trost schon, Vertröstung nein.
Maria singt ja auch nicht: „Der Mächtige wird Großes an mir tun!“, sondern: „Er hat Großes an mir getan!“ Maria blickt zurück auf ihr Leben. Was hatte sie schon alles erlebt? Leicht war das nicht. Einfache Verhältnisse. Römische Besatzung. Ein brodelnder politischer Kessel. Und dann dieses Kind! Wie soll sie das bloß erklären? Doch: „Der Mächtige hat Großes an mir getan!“ Wer die Welt mit den Augen dieser Maria betrachtet, der sieht zuerst das Heil. Und erst dann all das, was diesem Heil im Wege steht. Ob uns das auch gelingt?
Wenn Sie in Ihr Leben blicken, wenn Sie auf Ihre Beziehungen, auf Ihre Arbeit schauen, auf das, was Sie gerne tun, auf das, wo andere meinen, Sie hätten da ein richtiges Talent – würden Sie da nicht auch sagen können: „Der Mächtige hat Großes an mir getan“? Wer so über sich denkt, der sieht sich vor allem als ein Beschenkter, als eine Beschenkte. Wer so über sich denkt, der wird aber auch im anderen zuerst das Gute sehen. Und der wird sich erheben und dafür eintreten, dass Gottes Traum von dieser Welt kein frommer Wunsch bleibt, sondern immer mehr Wirklichkeit wird. Der Blick auf Maria lässt uns erahnen, welche Kraft der Glaube an einen Gott schenkt, der spürbar wird in allem, was sich ereignet. Und der diese Welt zu einem besseren Ort machen will – auch durch mich.
Wenn wir heute auf das Leben der Mutter Jesu blicken, tun wir es vom Anfang und vom Ende her. Maria hat über den Tod hinaus zu spüren bekommen, wie machtvoll Gott an ihr gehandelt hat. Und nicht nur an ihr. Das ganze Leben mit allem, was dazu gehört: alles Kämpfen und Ringen, alles Suchen und Fragen, alle Momente der Leere und der tiefen Erfüllung, alle Wunden und Narben, alle Hoffnung und jeder Augenblick geschenkter Liebe – kurz: der ganze Mensch mit Leib und Seele, er geht auch im Tod nicht verloren, sondern hat eine Zukunft. Ein für alle Mal. Und das Schöne daran ist: Diese Zukunft beginnt nicht irgendwann. Nein, sie hat schon längst angefangen. Erinnern Sie sich?
Alexander Bergel
10. August
.
.
Predigt am 16. Sonntag im Jahreskreis
zu Gen 18,1-15 und Lk 10,38-42
Jesus sitzt am gedeckten Tisch, gibt der Gastgeberin aber vorher noch eins auf die Kochmütze: „Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Maria aber hat das Bessere gewählt!“ Ist das wirklich sein Ernst? Und wenn ja, was heißt das dann für uns? Meint Jesus wirklich „Lass die Arbeit Arbeit sein! Widme dich ganz dem Gebet, dem Studium, der Stille, so wirst du Gott finden“? Ja, theoretisch ist das sicher sehr schön. Nur – wer bringt dann den Müll raus? Oder die gerade gar nicht so kontemplativ gestimmten Kleinen in den Kindergarten? Soll ich Gott jenseits all dessen suchen, was ich Tag für Tag tue? Was ich Tag für Tag tun muss? Und ist er nur jenseits all dessen zu finden?
Vielleicht ist das, was Jesus sagt, gar nicht so ignorant, wie es wirkt. Vielleicht war es ihm nur wichtig, in diesem Augenblick deutlich zu machen: „Marta, lass Maria ihren Weg gehen! Du hast ihn doch schon hinter dir – und bist ein Stück weiter! Maria muss das Bessere erst einmal spüren, es erleben, es erfahren, bevor sie es im wuseligen Alltag als Kraftquelle erleben kann.“ Meister Eckhart, ein sehr lebenstauglicher Mystiker des späten Mittelalters, sieht in der wuseligen Marta einen Menschen, der selbst dann, wenn er nicht still wird und betet, in der Gegenwart Gottes lebt. Auch beim Bügeln oder beim quirligen Kindergeburtstag. Meister Eckhart glaubt Marta schon einen Schritt weiter als ihre Schwester: Sie ist fähig zur Gottesbegegnung trotz des ganz normalen Alltags-Wahnsinns.
Diesen Alltags-Wahnsinn kennt wohl jeder. Mal mehr, mal weniger intensiv und belastend. Manche ersticken in Arbeit, sind froh, wenn sie all das irgendwie noch schaffen. Andere sitzen nur noch da. Fühlen sich leer und ausgebrannt. Fragen sich: War es das? Wofür das alles? Und vor allen: Was kommt denn noch? Abraham und Sara, die uns heute ebenfalls begegnet sind, haben vielleicht auch genau diese Fragen gehabt: War es das? Wofür das alles? Und: Was kommt denn noch? Mitten in ihrem Alltag bekommen sie jedoch eine ganz unerwartete Antwort. Aber der Reihe nach.
Es ist heiß. Mittagszeit in der Wüste. Abraham sitzt vor dem Zelt und ruht sich aus. Sara ist drinnen und macht den Haushalt. Manche Dinge ändern sich wohl nie. Abraham sieht drei Männer auf sich zukommen, geheimnisvolle Gestalten. Der Künstlerpriester Sieger Köder hat diese Szene sehr eindrücklich festgehalten. Schauen Sie sich dieses Bild nach dem Gottesdienst gerne mal genauer an. Unten am Taufbrunnen steht es. Am Tisch, zu Füßen seiner drei Besucher, sitzt Abraham, die Augen nach oben gerichtet. Er hält Ausschau in eine Zukunft hinein, die ihm von den drei Besuchern angesagt wird: „In einem Jahr wird deine Frau Sara einen Sohn haben.“
Wer aber sind die drei Männer? Die Bibel sagt: Der Herr. Sieger Köder stellt drei Gesichter dar: das erste hinter einem Tuch verborgen. Gott ist einer, der sich vor den Menschen verbirgt, der im Dunkel bleibt, der sich dem Zugriff der Menschen entzieht und doch aus der Verborgenheit heraus den Menschen anspricht. Das mittlere Gesicht hat die Verhüllung, das Velum, halb zur Seite geschoben. Es ist der Gott, der teilweise aus seiner Verborgenheit herausgeht und sich dem Menschen zu erkennen gibt. Das eine Auge als Gottessymbol, auf dem Tisch Brot und Wein – Lebens-Mittel, in denen sich Gott zu erkennen gibt. Dieser Gott, der aus seiner Verborgenheit heraus geht, bekommt ein Gesicht in der Person dessen, von dem es später heißen wird: „Niemand hat Gott je gesehen. Der einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.“ Die dritte Person auf diesem Bild ist schließlich ein dunkelhäutiger Mann. Sein vom Aussatz zerfressener Arm ist eingebunden, unter der Wolldecke sieht man einen zum Skelett abgemagerten Oberkörper. Der Künstler zeichnet so das Bild eines Gottes, dem wir in den Ärmsten der Armen begegnen. „Ich war hungrig, durstig, nackt, obdachlos.“ Ein dunkles Bild, voller Geheimnisse. Geheimnisse aber, die sich dem erschließen, der bereit ist, in die Tiefe zu gehen.
Abraham und Sara. Marta und Maria. Menschen wie Du und ich. Menschen, die versuchen, Gott zu begegnen. In den Rätseln und Fragen des Daseins. Im Hören und miteinander Reden. Am kühlen Abend oder in der Mittagssonne. Beim entspannten Nachsinnen oder in der Hitze des Gefechts. Marta und Maria – zwei Schwestern, die ihren je eigenen Weg durchs Leben und zu Gott suchen. Und sich dabei unterstützen. Sara, die um ihre Begrenzungen weiß (immerhin lacht sie, als sie hört, sie solle in ihrem Alter noch Mutter werden), und Abraham, der trotz allem zu hoffen wagt. Irgendwo dazwischen: Wir. Wir mit unseren Fragen, wir mit unserer Sehnsucht, wir mit unserer Überforderung, wir mit unserer Leere. Und wir mit einem Herzen, das sich sehnt nach einem, der es anrührt. Auch wenn es lange, manchmal unendlich lange zu dauern scheint. Aber auch nicht ewig. Und so gilt sie auch heute noch, die geheimnisvolle Verheißung jener drei Männer von damals: „In einem Jahr komme ich wieder.“ Wo sind wir dann wohl?
Alexander Bergel
20. Juli
.
.
Predigt am 15. Sonntag im Jahreskreis
zu Dtn 30, 9c-14 und Lk 10,25-37
„Es ist nicht im Himmel, sodass du sagen müsstest: Wer steigt für uns in den Himmel hinauf, holt es herunter und verkündet es uns, damit wir es halten können? Es ist auch nicht jenseits des Meeres, sodass du sagen müsstest: Wer fährt für uns über das Meer, holt es herüber und verkündet es uns, damit wir es halten können? Nein, das Wort ist ganz nah bei dir, es ist in deinem Mund und in deinem Herzen, du kannst es halten.“
Mit anderen Worten: Ausreden gibt es keine. Also keine wirklichen. Klar, zu tun haben immer alle viel. Wenn man die Zeit hätte, dann würde man ja, aber … Und es gibt auch sicher immer noch geeignetere Menschen, die das übernehmen könnten. Wir kennen das … Und trotzdem: Das, was Jesus damals gesagt und getan hat – es ist ein Auftrag. Auch für uns. Sich im Hier und Jetzt dem stellen, was uns widerfährt. Nicht darauf warten, dass andere das Problem angehen, sondern selbst tätig werden. Darum muss es gehen. Jemandem zum Nächsten werden – das ist etwas, was ich tun kann. Was ich aber auch tun wollen muss.
Nicht im Himmel, nicht jenseits des Meeres – Gottes Wort ist uns so nahe, wie wir es an uns heranlassen. Man muss dazu kein Studium absolvieren oder exegetische Fachkenntnisse besitzen. Auch diese Sorge lässt sich schnell nehmen: „Lebe das vom Evangelium, was du verstanden hast. Und wenn es noch so wenig ist. Aber lebe es!“ (Frère Roger).
Grau ist alle Theorie. Die Praxis – sie macht lebendig. An ihr lässt sich ablesen, was Menschen im tiefsten berührt. Vielleicht ist das heute so eine Art samaritische Nagelprobe: Was berührt uns eigentlich noch?
Alexander Bergel
13. Juli
.
.
Predigt am 14. Sonntag im Jahreskreis
zu Lk 10,1-9
Zweiundsiebzig andere schickt er los.
Nie allein.
Stets zu zweit.
Die Welt verändern kann man nicht allein.
Mindestens einen Weggefährten, den brauchst Du.
Jesus wusste das.
Einen, der die Dinge ganz genauso sieht wie du.
Einen, der die Dinge völlig anders sieht als du.
Einen, der dich stützt.
Einen, der dich hinterfragt.
Einen, der dich lockt.
Einen, der dich bremst.
Einen, der dir den Kopf wäscht.
Einen, der dich auffängt.
Einen, dem du alles sagen kannst.
Einen, dem du nicht alles sagen musst.
Wenn du so jemanden hast –
mindestens einen,
dann, ja dann wird manches möglich.
Sicher:
Die große Ernte wird gefühlt nie weniger.
Und zu Kuscheltieren machst auch du die Wölfe nicht so schnell.
Wer auf Krawall gebürstet ist, der bleibt das meistens auch.
Und wer nicht hören will, der wird es auch nicht tun.
Und der Friede,
ja, der Friede bleibt zerbrechlich.
Aber:
Einer muss doch anfangen.
Am besten zwei.
Das ist naiv?
Vielleicht.
Nur – anders geht es nicht.
Und wieviel hat sich schon getan
seit damals
als Jesus seine Leute losmarschieren ließ.
Also:
Nicht aufgeben!
Weitermachen!
Oder?
Alexander Bergel
6. Juli
.
.
Predigt am Hochfest der Apostel Petrus und Paulus
zu Apg 12,1-11, 2 Tim 4,6-8.17-18 und Mt 16,13-19
Als Angela Merkel im vergangenen Herbst gefragt wird, was sie denn zum Bruch der Ampelkoalition sage, verdreht sie kurz die Augen und kommentiert das Zerwürfnis von Olaf Scholz und Christian Lindner mit nur einem Wort: „Männer!“ Nun ist die Analyse der damaligen politischen Gemengelage sehr viel komplexer und hier auch nicht der Ort für ein solches Unterfangen. Die Pointe, die die Altkanzlerin gesetzt hat, trifft jedoch ziemlich passend auch die Hauptakteure des heutigen Tages. Denn auch Petrus und Paulus waren wohl Männer jener Sorte, die einem das Augenverdrehen ziemlich leicht machen.
Petrus kommt aus einfachen Verhältnissen. Zuhause in einem kleinen Dörfchen am See Genezareth arbeitet er als Fischer. Verheiratet ist er auch, zumindest legt das die Erwähnung einer Schwiegermutter nahe. Sein Charakter? Rechthaberisch, cholerisch und wankelmütig. „Auch wenn ich mit dir sterben müsste, Jesus, ich verleugne dich nicht!“ Kurz darauf kräht der Hahn. Alle Hähne, die auf unseren Kirchtürmen sitzen, erinnern übrigens an diese Szene in der Nacht von Gründonnerstag auf Karfreitag, als Petrus, der Fels, einknickt und vorgibt, Jesus nicht zu kennen. Petrus – ein Mann mit ganz schön viel Schatten.
Und Paulus? Paulus ist ein Gelehrter. Er hatte bei Gamaliel studiert, dem Star-Theologen seiner Zeit. Geboren in Tarsus, wächst Paulus in einer Stadt mit griechischer und römischer Kultur auf. Mindestens Griechisch beherrscht er fließend, dazu Hebräisch, vielleicht auch Latein. Ein besonders Kluger also. Sein Motto: Ganz oder gar nicht. Und so macht sich der glühende Eiferer daran, die junge Kirche auszulöschen. Mord und Totschlag bringt er in die Häuser derer, die in der Spur des Jesus von Nazareth unterwegs sind. Bis es ihn vom hohen Ross herunterholt. Vor den Toren der Stadt Damaskus, als er in einer Vision dem Auferstandenen begegnet, der ihn fragt: „Saulus, warum verfolgst du mich?“ Der „Saulus-wird-zu-Paulus-Moment“.
Unterm Strich also haben wir es mit zwei Menschen zu tun, die mit ihrem eigenen Ego ganz schön beschäftigt sind. Der eine wie der andere hat eine große Klappe. Der eine wie der andere weiß es ziemlich genau. Und der eine wie der andere ist vom anderen nicht sehr überzeugt. Begegnet sind sie sich nicht sehr häufig. Einmal macht sich Paulus auf den Weg nach Jerusalem, um Petrus zu treffen, eine Art Höflichkeitsbesuch. Ein andermal geht Petrus nach Antiochia, wo Paulus ihm ganz offen Wankelmütigkeit und fehlende Klarheit vorwirft.
Und doch ist die Kirche ohne diese beiden Männer schwer vorstellbar. Denn neben diesem machohaften Gehabe, neben ihrer Großmannssucht, neben ihrer Wankelmütigkeit und neben ihrem Verhaftet-Sein in den patriarchalen Strukturen ihrer Zeit (und das obwohl Jesus so gar nicht patriarchal unterwegs war), neben all diesen Problemanzeigen waren Petrus und Paulus aber jene führenden Köpfe, die ihren eigenen Kopf am Ende hingehalten haben. Der eine wie der andere hat, reifer geworden und weiser als noch am Beginn seines Jesus-Weges, mehr und mehr erkannt, wohin dieser Weg führt. Niemals in die Enge, immer in die Weite. Niemals in die Sklaverei des toten Buchstabens, immer in die Freiheit der Liebe. Niemals in das verschlossene System, immer in eine Kirche mit offenen Türen.
Wenn wir in die Lesungen dieses Festes schauen, begegnen wir einem Petrus, der sich selbst als Befreiter erlebt. Wir begegnen einem Paulus, der sich als Werkzeug erkennt, damit alle, wirklich alle die Botschaft der Liebe erfahren. Und wir begegnen einem Jesus, der – bei allem Wissen um die Schwachheit des Simon – diesen zum Petrus, also zum Felsen dessen macht, was wir später einmal Kirche nennen werden. Freiheit, Liebe und Vertrauen. Dafür steht diese Kirche. Bis heute. Zumindest in der Theorie.
Und die Praxis? Sieht oft anders aus. Deshalb sind ja auch schon so viele gegangen. Vor allem viele Frauen. Sie sind gegangen, weil sie nicht mehr nur wie Angela Merkel die Augen über die Spezies Männer verdrehen wollen, die im katholischen Kosmos, bekleidet mit Kopfbedeckungen im violetten bis purpurroten Farbspektrum, meist sehr genau und oft sehr detailliert wissen, wie Gott ist und was er will, was Männer alles können und dürfen und was Frau alles können sollen und vor allem nicht wollen dürfen.
Vielleicht sollte man daher gerade an diesem sehr männlich geprägten Tag nicht vergessen, dass wir bald schon, am 22. Juli, das Fest der Maria Magdalena feiern, jener Frau also, die bereits die frühe Kirche als „Apostelin der Apostel“ verehrt hat. Es mag nur ein kleiner Trost sein, aber wenn ich mir überlege, wie nahe sie Jesus stand (sonst wäre über sie nicht so prominent berichtet worden), wenn ich mir vor Augen führe, dass wir ihr die Botschaft der Auferstehung zu verdanken haben (nicht Petrus und schon gar nicht Paulus, beide waren noch viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt), wenn ich also davon ausgehen kann, wie wichtig es Jesus war, dass Männer und Frauen gleichermaßen seine Zeuginnen und Zeugen sind, dann kann ich doch nicht anders, als weiterhin alles dafür zu tun, damit dies auch in unserer Kirche immer spürbarer wird.
Ich kann alle gut verstehen – Frauen wie Männer –, die mit Blick auf manches Gehabe in unserer Kirche die Augen verdrehen. Oft genug tue ich das auch. Aber heute nehme ich mir vor, nach vorne zu schauen. Und mit klarem Blick und offenem Herzen den Weg Jesu in unserer Zeit zu suchen. Und ihn zu gehen.
Alexander Bergel
29. Juni
.
.
Predigt am 12 . Sonntag im Jahreskreis
zu Lk 9,18-24
Die Leute – ja, für wen sie mich wohl halten?
Viel wichtiger – für wen hältst du mich?
Und noch entscheidender:
Wenn du sie gefunden hast,
die Antwort,
eine Antwort,
die dir einiges abverlangt,
vielleicht jedenfalls,
also, wenn du weißt,
oder ahnst,
wer ich bin,
wer ich bin
für dich –
kommst du dann mit,
lässt das Alte hinter dir
und folgst mir nach?
Alles stehen und liegen lassen?
Wenn das mal so einfach wäre,
Jesus.
Lass mich doch zuerst noch …
Nein.
Aber die Familie,
die Schule
meine Arbeit,
all die Verpflichtungen.
Und wer macht dann die Wäsche?
Natürlich, du hast Recht.
Heute ist das sicher komplizierter
als zu meiner Zeit.
Aber eine Frage doch noch,
lieber Mensch:
Wenn du all das gemacht hast:
dein Haus gebaut und aufgeräumt,
den Garten umgegraben,
die Zeitung gelesen,
die politischen Entwicklungen kommentiert,
die Versicherungen bezahlt
und das Wohnzimmer neu gestrichen hast –
was wird dann sein?
Wirst du dadurch die Welt verändert haben?
Nein?
Nicht mal ein bisschen?
Schade.
Aber genau das habe ich doch
mit dir vor!
Ja, mit dir!
Alexander Bergel
22. Juni
.
.
Predigt am Dreifaltigkeitssonntag
zu Joh 16,12-15
Dazwischen passt kein Blatt: „Der Geist wird reden, was er hört, und euch verkünden. Er wird mich verherrlichen, denn er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden. Alles, was der Vater hat, ist mein.“ Mit anderen Worten: An den dreieinen Gott zu glauben, bedeutet: Daran zu glauben, dass dieser Gott ein Meister ist im Dialog. Gott ist Beziehung. Und Gott schafft Beziehung. Gott hört. Gott teilt sich mit. Gott gibt sich preis. Und schafft so das Leben. Immer neu.
Der Gott, von dem Jesus gesprochen hat, ist kein Gott der Philosophen. Der Gott, von dem er gesprochen hat, ist einer, der sich erfahren lässt. Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, genauer: der Gott Abrahams und Saras, der Gott Isaaks und Rebekkas, der Gott Jakobs und seiner Frauen Lea und Rachel, der Gott Israels also, er schafft aus dem Nichts eine ganze Welt. Geleitet sein Volk durch Wüsten hin zu blühenden Gärten. Geht voran und hinterher. Dieser Gott spricht, mal leise, mal laut, immer aber von Herz zu Herz. Seine Kraft ist mitten im Menschen. Und manchmal nimmt sie sogar die Dinge in die Hand, diese Kraft. Das beste Beispiel dafür ist Jesus selbst.
In ihm wird deutlich: Gottes Liebesgedanken haben ein Herz. Und ein Gesicht. Und Hand und Fuß. Gott schaut uns an. In einem Menschen. Meist von unten. Oder mit dem Arm auf unserer Schulter. Von oben herab blickt er nur vom Kreuz. Der Schmerz der ganzen Welt ist aufgehoben bei ihm. Doch nicht nur das. Der Schmerz der ganzen Welt wird auch verwandelt. Denn er, der alles lebendig macht, kann doch seinen Menschensohn nicht im Tode lassen.
Er kann doch niemanden, der den Lebensatem in sich trug, im Tode lassen! Keinen Menschensohn und keine Menschentochter. Gottes Geistkraft bläst den Gestank des Todes hinweg. Und wirbelt auch sonst alles kräftig durcheinander. Damit das Leben nicht vergeht.
Was wir heute feiern, ist, daran zu denken, was Menschen erlebt haben und erleben: Ich bin geschaffen. Und geliebt. Ich bin gesehen. Und erlöst. Ich bin getragen. Und gestärkt. Der Gott über mir hat mich gewollt. Der Gott neben mir geht mit mir durch Dick und Dünn. Der Gott in mir hält mich am Leben. Manche nennen die Dreifaltigkeit. Geheimnisvoll – so wie das Leben selbst. Weil Menschen dies erlebt haben, ist es zur Realität geworden. Keine, die sich beweisen ließe. Aber eine, mit der sich leben lässt.
Alexander Bergel
15. Juni
.
.
Predigt an Pfingsten
zu Apg 2,1-11, 1 Kor 12, 3b-7.12-13 und Joh 20,19-22
Vor zwei Wochen – die Weltkirche versammelt sich aus ganz Deutschland: München, Mainz, Würzburg, Aachen, Paderborn, Fulda, Osnabrück, Hamburg, Berlin – auch aus Harare, Brasilien, Palästina. Und ich mittendrin! Wir diskutieren und erzählen über Gerechtigkeit und Suffizienz (das ist die Frage nach dem richtigen Maß), planetare Grenzen, viele beeindruckende und bedrückende Erkenntnisse, erschreckende Forschungsergebnisse, Transformation, Menschenrechte – vielfach sehr theoretisch. Ich habe gar nicht geschafft, alles zu verstehen, geschweige denn mitzuschreiben. Es war schon interessant … eigentlich …
Und dann kam plötzlich Bewegung in unsere Gruppe … ein Brausen … Aufbruch … Warum? Wodurch? Da steht jemand auf bzw setzt sich nach vorne: „Lasst uns die Blockaden überwinden – die individuellen und die globalen!“ Es ist der Jesuit Jörg Alt, der Klimakleber, der appelliert: „Wir müssen etwas tun – wir nehmen Kurs auf den Weg in die Klimahölle – wir müssen den Ausstieg selbst in die Hand nehmen – uns mit der Jugend verbünden – auf die Jugend hören! Revolution der Unterbrechung – ja das ist es!“
Plötzlich waren wir alle „angesteckt“ von dem Gedanken aktiv zu werden – nicht nur zu untersuchen, abzuwägen, zu diskutieren – es war wie ein Brausen, wie ein Sturm, der uns erfüllte. .Da war ich mittendrin in meinem Pfingsterlebnis, in dem Geschehen, das wir gerade aus der Apostelgeschichte gehört haben – und auch dort waren Menschen aus aller Welt versammelt.
Übrigens feierten die Juden an diesem Tag, am 50. Tag nach dem Pessachfest das Fest Schawuot, als Erntedank für ihre Weizenernte und auch als Erinnerung an den Bundesschluss des Volkes Israel mit Jahwe: „Jahwe ist bei uns, er hat es uns versprochen.“ Deshalb feiern wir Pfingsten 50 Tage nach Ostern. In diesem Jahr haben die Juden ihr Fest schon am vergangenen Montag gefeiert.
Unsere Diskussionen und unser Ringen darum, was wir nun tun wollen/müssen, ging vor zwei Wochen bis tief in die Nacht hinein. Erfüllt vom Geist des Aufbruchs sind wir schließlich nach Hause gefahren – mit vielen ganz konkreten Ansätzen, Ideen, Herausforderungen. Auch die Jünger:innen sind – so erfüllt vom Heiligen Geist – von dieser unmittelbar im Zusammensein erfahrenen Geistkraft – in die Welt hinausgegangen – gestärkt mit Mut, Kraft und Hoffnung – die Botschaft Jesu zu leben und zu verkünden.
In seinem Brief an die Gemeinde in der Weltstadt Korinth zeigt uns Paulus, was das bedeuten kann: Durch diesen Geist sind wir verbunden – wie in einem Leib – haben aber auch gerade diese Vielfalt der Gaben und Dienste – auch verbunden mit seinem Auftrag: euch „gegeben, damit sie anderen nützen“ – so schreibt Paulus.
Der österliche Gruß Jesu, die Zusage „Der Friede sei mit euch“ ist eng verknüpft mit der Geistsendung Jesu – so gestärkt und ermutigt wagen sie sich in die Welt – „wir sind gesandt – wir gehen erfüllt – wir wollen die frohmachende Botschaft, diesen Geist des Friedens leben“!
Ich wünsche Euch/Ihnen auch so ein Pfingsterlebnis, wo ihr das Brausen spürt – oder auch „nur“ den Hauch, wie Johannes im Evangelium schreibt – lasst euch anstecken von dem Feuer! Dann wird die Welt ein Stück weit menschlicher – wir müssen nicht Klimakleber:innen werden wie Jörg Alt – aber wir können Blockaden überwinden, Türen öffnen, Widerstand wagen, neue Wege gehen – miteinander und aufeinander zu! In diesem Sinn: Frohe Pfingsten!
Andrea Tüllinghoff
8. Juni
.
.
Predigt an Christi Himmelfahrt
zu Apg 1,1-11 und Lk 24,46-53
Nun ist er endgültig weg. Auf und davon. Nicht mit einer Rakete, das dürfte allen klar sein, aber doch mit einigem Aufsehen. Weg geht er, weit weg in den Himmel. Und die Jünger? Und wir? Wir bleiben zurück. Wie so oft. Und müssen sehen, wie es weiter geht. Ja, wie geht es denn weiter? Was bleibt von dieser unglaublichen Botschaft? Was bleibt von Jesus? Was bleibt von ihm, wenn er weg geht? Es bleibt erst einmal die Frage: Bin ich bereit, ihm zu folgen? Ihm, der vom Frieden nicht nur sprach, sondern ihn lebte. Ihm, der mit jeder Faser seiner Existenz davon überzeugt war, dass die Liebe immer die stärkeren Argumente hat. Ihm, der barmherzig war. Und mutig. Und kraftvoll. Und am Ende tot.
Bin ich bereit, einem zu folgen, der alles gegeben hat, sogar sich selbst? Und bleibt es für mich nicht nur eine fromme Episode längst vergangener Zeiten, von der man auch nicht so richtig weiß, wie man sich das vorzustellen hat – bleibt es für mich nicht nur eine alte Geschichte, sondern reale Erfahrung, dass der, der starb, fürchterlich zugerichtet am Kreuz, dass genau der von den Toten auferstanden ist? Und macht es mir Mut, gibt es mir Kraft, darauf mein ganzes Leben zu gründen?
Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten – wann und wie auch immer vor 2000 Jahren der Tote als Lebender erfahren wurde, wann und wie auch immer er ganz zu seinem Vater heimging, wann und wie auch immer die Kraft aus der Höhe alles durcheinander gewirbelt hat, wann und wie auch immer das alles war – auf eines kommt es an: Gehe ich den Weg Jesu weiter? Traue ich mir das zu? Wenn ja, dann könnten wunderbare Dinge passieren: Was sich vernichtend durch mein Leben schlängelt, machtvoll und heimtückisch – es verliert seine Kraft. Was Beziehungen und Geschichten vergiftet – es endet nicht mehr tödlich. Krankes wird gesund, die Enge wird zur Weite, der Blick verändert sich. Keine Macht der Welt wird stärker sein als diese Freiheit, die der geben kann, der sich selbst verschenkt hat.
Heute spüren wir, welche Kraft von Ostern ausgeht: Einer stirbt, damit alle leben. Einer lebt, damit wir nicht ins Dunkle sinken. Einer sprengt die Dimensionen dieses Lebens auf, damit wir weit werden im Denken, Fühlen und Handeln. Einer sendet seinen Geist, damit das alles nicht in Vergessenheit gerät, sondern eine Zukunft hat. Doch Vorsicht: All das könnte frommes Gerede bleiben. Und zur bloßen Folklore verkommen. Oder zum vermuteten Kennzeichen einer kulturellen Identität. Es könnte aber auch anders sein. Es könnte uns packen. Wieder neu. Mich, Sie und viele mehr. Es könnte. Und dann? Ja, was wäre wohl dann?
Alexander Bergel
29. Mai
.
Gebet, Musik & Poesie
.
»Komm, Heiliger Geist, komm!« Dieses gesungenes Gebet zu Pfingsten
hören Sie hier.
.
.
»Veni Sancte Spiritus!« Den kraftvollen Pfingsthymnus aus Notre-Dame de Paris
hören Sie hier.
.
.
Am 2. Ostersonntag begegnet uns Jahr für Jahr der zweifelnde Thomas. Durch allen Zweifel hindurch ist er doch der sehnsuchtsvoll Glaubende. Oder wird es immer mehr. Thomas begegnet dem Auferstandenen, der ihm seine Wunden hinhält. »Sei nicht ungläubig, sondern gläubig«, ruft ihm Jesus zu. Und die Antwort? »Mein Herr und mein Gott!«
Von diesem Ringen, von dieser Sehnsucht und ihrer Erfüllung ist der Gesang »Adoro te devote – Gottheit tief verborgen« von Thomas von Aquin durchdrungen:
Kann ich nicht wie Thomas schaun die Wunden rot,
bet ich dennoch gläubig: Du mein Herr und Gott!
Tief und tiefer werde dieser Glaube mein,
fester lass die Hoffnung, treu die Liebe sein.
Sie finden diesen Gesang im Gotteslob unter der Nummer 497.
Hören können Sie ihn hier (Strophe 4, 2:42).
.
.
»Weib, was weinest du?« Einer der berührendsten Gesänge zum Osterfest.
Es gäbe sicher nach wie vor so manches, was nicht nur Frauen in dieser Kirche zu beweinen hätten. Aber es gab und es gibt sie dennoch immer noch: die Verkünderinnen dieser einen unglaublichen Botschaft. Sollte deren Kraft, die schon einmal nicht nur Felsen vor Grabhöhlen in Bewegung brachte, nicht auch heute Steine wegzuräumen in der Lage sein?
Den Gesang aus den Osterdialogen von Heinrich Schütz können Sie hier hören.
.
.
Ein Sehnsuchtslied – hier können Sie es hören.
.
.
Hier hören Sie einen Gesang des Osnabrücker Jugendchors zum Karsamstag.
.
.
Ein Klassiker zu Epiphanie.
Hier können Sie ihn hören
.
.
Ein kleines musikalisches Juwel – entstanden in unserer Gemeinde.
Hier können Sie es hören.
.
.
Erwartung bewegt …
Maria durch ein Dornwald ging,
Kyrie eleison.
Maria durch ein Dornwald ging,
der hat in sieben Jahrn kein Laub getragen.
Jesus und Maria.
Was trug Maria unter ihrem Herzen?
Kyrie eleison.
Ein kleines Kindlein ohne Schmerzen,
das trug Maria unter ihrem Herzen.
Jesus und Maria.
Da haben die Dornen Rosen getragen,
Kyrie eleison.
Als das Kindlein durch den Wald getragen,
da haben die Dornen Rosen getragen.
Jesus und Maria.
.
Lied im Gotteslob Nr. 224
Text: August von Haxthausene
Das gesungene Lied finden Sie hier.
.
Schaukasten-Gedanken
… können für einen kurzen Augenblick ansprechen oder irritieren
oder einfach nur Freude bereiten.
Hier finden Sie die schönsten Exemplare, die vor unseren Kirchen hängen,
zum Anklicken.
.